Die drei wichtigsten Ergebnisse der Analyse waren erstens, dass die kardiovaskulären Vorteile von Semaglutid in SELECT unabhängig vom Ausgangsgewicht waren. Zweitens hatte das Ausmaß des Gewichtsverlustes in den ersten 20 Wochen keinen wesentlichen Einfluss auf die Risikoreduktion. Das heißt, auch kardiale Patientinnen und Patienten, die unter der Behandlung mit Semaglutid nur wenig an Körpergewicht verlieren, können profitieren. Und drittens war im Unterschied zum Gesamtgewicht der Rückgang des Bauchumfangs mit dem Nutzen assoziiert. Er erklärte der Studie zufolge jedoch nur ein Drittel der protektiven Wirkung.
Diese Daten beweisen jedoch nicht, dass die Effekte unabhängig vom Fettgewebe wären. Eine reine Beurteilung von Körpergewicht wird der Komplexität der Interaktion von Fettgewebe und kardiovaskulärem System nur unzureichend gerecht: „Fett ist nicht gleich Fett“, sondern es handelt sich um hochspezialisiertes Gewebe mit differenzierten Funktionen, wie z.B. subkutan, viszeral, epikardial, perivaskulär oder ektop. Daher kann eine Veränderung von bestimmten Adipozyten-Populationen biologische Effekte haben, ohne dass sich das Gesamtgewicht wesentlich verändert. Beispielhaft ist in der aktuellen SELECT-Analyse die Korrelation zwischen Taillenumfang- und MACE-Risiko-Reduktionen stärker als die Beziehung zur Gewichtsabnahme. Dies ist vereinbar mit einer Reduktion des viszeralen Fettanteils (VAT). VAT ist stärker als subkutanes Fett mit kardialen Ereignissen, insbesondere Herzinsuffizienz und systemischer Inflammation assoziiert.
Umgekehrt muss ein Verlust an Körpergewicht nicht immer gesund sein. Eine Reduktion des Verhältnisses von Muskel- zu Fettmasse wäre z.B. ungünstig. Eine ungewollte Gewichtsabnahme kann auch Ausdruck von Komorbiditäten und Zunahme der Krankheitslast sein – dies kann in SELECT bei einzelnen Patientinnen und Patienten in der Placebo-Gruppe vorliegen und das sog. Adipositas-Paradoxon erklären.
Diese Analyse der SELECT-Studie zeigt, dass die positiven Effekte von Semaglutid nicht allein am Gesamtkörpergewicht abgelesen werden können. Um die Effekte zu verstehen, sind weitere Studien erforderlich, welche die Körperkomposition und Effekte in spezifischen Adipozyten-Kompartimenten evaluieren. Ob und in welchem Ausmaß Semaglutid-Effekte außerhalb des Fettgewebes mechanistisch und klinisch relevant sind, ist sehr spannend, aber noch nicht abschließend beantwortet. Die Analysen von SELECT bestätigen jedoch positive und quantitativ hochrelevante kardiovaskuläre Effekte bei Personen mit einem Ausgangs-BMI unter 30 kg/m2 und bei Personen mit geringer Abnahme des BMI. Diese Beobachtung hat große Bedeutung für die Frage, welche Patientinnen und Patienten von dem Therapieprinzip profitieren können.