SELECT ist eine Meilenstein-Studie. Die Studie identifiziert erstmals Adipositas als einen behandelbaren kardiovaskulären Risikofaktor und eröffnet damit eine neue Domäne für die Kardiologie. Die Reduktion von Tod, Herzinfarkt und Schlaganfall durch Semaglutid wurde, zusätzlich zu einer guten leitliniengerechten Therapie, beobachtet. Der Befund war in allen Subgruppen konsistent. Insbesondere ist interessant, dass Patient:innen in der niedrigen BMI-Gruppe von 27-30 kg/m2 mindestens ebenso stark, numerisch evtl. sogar stärker, profitiert haben.
Das Studiendesign kann die Frage nicht beantworten, ob zusätzlich zu der Gewichtsreduktion und den deutlichen positiv assoziierten kardiometabolischen Veränderungen auch mögliche direkte Effekte von GLP1RA eine Rolle spielen, die z. B. in Zellkultur- oder Tier-Studien beschrieben wurden.
In den nächsten Monate wird der Zugang zu dem Medikament, das zugelassen, aber nicht erstattungsfähig ist, zum dominierenden Thema werden. Die Solidargesellschaft wird begründen müssen, ob eine lebensverlängernde Therapie noch länger einer Patientengruppe vorenthalten werden kann. Die beiden weit verbreiteten Vorurteile, Personen mit Adipositas seien an ihrem stigmatisierenden Phänotyp selber “schuld” oder die Adipositas sei “einfach” durch Änderung des Lebensstils zu beseitigen, sind wissenschaftlich schon lange überholt.
Es ist zu betonen, dass die Daten der SELECT-Studie bzgl. Wirksamkeit und Sicherheit, nicht ohne weitere Studien auf die neuen dualen oder Dreifach-Inkretin-Wirkstoffe übertragen werden dürfen. Perspektivisch ist jedoch für die Zukunft zu erwarten, dass Inkretin-Wirkstoffe zum Armamentarium in der Kardiologie gehören werden.