Aus Meta-Analysen war bereits bekannt, dass eine Antikoagulation bei Patientinnen und Patienten mit Vorhofflimmern das Schlaganfallrisiko reduziert. Ob bei Z. n. intrazerebraler Blutung auch das Risiko einer erneuten Blutung unter einer Antikoagulation ansteigt, war bisher nicht gut untersucht. Die Studie PRESTIGE-AF hatte 2 primäre Studienziele: a) Die Überlegenheit einer Antikoagulation im Vergleich zu keiner Antikoagulation in Bezug auf das Risiko ischämischer Schlaganfälle und b) Die Nicht-Unterlegenheit einer Antikoagulation in Bezug auf das Risiko einer erneuten intrazerebralen Blutung zu zeigen.
PRESTIGE-AF war eine prospektive randomisierte offene Studie mit verblindeter Endpunktbewertung. Im Interventionsarm konnten alle in Deutschland zugelassenen direkten Antikoagulanzien eingesetzt werden (Apixaban, Dabigatran, Edoxaban und Rivaroxaban). Im Kontrollarm war es den Studienzentren freigestellt, ob ein Thrombozytenaggregationshemmer gegeben wurde oder nicht.
319 Patientinnen und Patienten wurden innerhalb von 4,5 Jahren an 63 Studienzentren in Europa randomisiert. 158 Patientinnen und Patienten wurden einer Antikoagulation zugelost, 161 wurden ohne Antikoagulation behandelt. Das mittlere Alter betrug 79 Jahre und 35 % waren weiblich. Die intrazerebralen Hämatome waren mit 3,7 ml im Mittel relativ klein. Während einer mittleren Nachverfolgungszeit von 1,4 Jahren traten im Antikoagulationsarm bei 0,8 %/Jahr der Patientinnen und Patienten ischämische Schlaganfälle auf, im Kontrollarmarm bei 8,6 %/Jahr. Die Number Needed to Treat (NNT) lag bei 13 behandelten Patienten/Jahr, um einen Schlaganfall zu verhindern. Eine erneute intrazerebrale Blutung trat bei 5,0 %/Jahr der Patientinnen und Patienten im Antikoagulationsarm auf und bei 0,8 %/Jahr im Kontrollarm. Die Number Needed to Harm lag damit bei 24 behandelten Patienten/Jahr, die eine zusätzliche intrazerebrale Blutung erlitten. Die Nicht-Unterlegenheit einer Antikoagulationstherapie für erneute intrazerebrale Blutungen konnte damit nicht gezeigt werden.
Aus kardiologischer Sicht fehlt die vermutlich sinnvollste Strategie für diese Patientengruppe, die Implantation eines Vorhofohrverschlusses anstelle einer Antikoagulation. 11 Patientinnen und Patienten (n=7 Kontrollarm, n=4 Antikoagulationsarm) erhielten einen Vorhofohrverschluss, bei dieser kleinen Patientenzahl ist zum Vorhofohrverschluss keine solide Aussage möglich.
Die klinische Situation bei Patientinnen und Patienten mit Vorhofflimmern, die eine intrazerebrale Blutung erlitten haben, aber auch eine Indikation zur Antikoagulation aufweisen, bleibt unbefriedigend. Ohne Antikoagulation ist das Risiko eines ischämischen Schlaganfalles mit 8 %/Jahr nicht akzeptierbar hoch, mit Antikoagulation muss ein Preis von 5 %/Jahr intrazerebralen Blutungen bezahlt werden.
Bei Patientinnen und Patienten nach intrazerebraler Blutung mit Indikation zur Antikoagulation hat der behandelnde Arzt und die Betroffenen die Wahl zwischen Pest (ischämischer Schlaganfall) und Cholera (erneute intrazerebrale Blutung). Vor diesem Hintergrund erscheint der interventionelle Vorhofohrverschluss eine sinnvolle Therapie für diese Patientengruppe. Aktuell läuft zu dieser Fragestellung die aus Jena kommende CLEARANCE-Studie (NCT04298723), die bei Patientinnen und Patienten nach intrazerebraler Blutung den Vorhofohrverschluss mit einer oralen Antikoagulation vergleicht.