Vor allem bei Patienten mit bereits eingeschränkter Nierenfunktion kann die Gabe von Röntgenkontrastmittel im Rahmen einer Angiografie zu akuten Nierenschäden und Nierenversagen führen. Einzig akzeptierte Form der Prophylaxe von Nierenschädigungen infolge Kontrastmittelgabe ist derzeit die Hydratation durch Gabe von isotonischer Natriumchloridlösung.
Auch Natriumbikarbonat und Acetylcystein wird nachgesagt, bei der Verhinderung von durch Kontrastmittel induzierten Nephropathien helfen zu können. Die überwiegend auf kleineren Untersuchungen basierende Studienlage ist aber in beiden Fällen nicht eindeutig.
Jetzt ist beim Herzkongress der American Heart Association (AHA) im kalifornischen Anaheim die mit Abstand größte Studie zur Frage der Verhinderung von Nierenschäden nach Kontrastmittelgabe vorgestellt worden. Als geprüfte Strategien sind bei diesem Test sowohl die periprozedurale intravenöse Gabe von Natriumbikarbonat als auch die orale Acetylcysteingabe glatt durchgefallen.
In der PRESERVE getauften Studie sind 5177 für eine Angiografie (davon zu 90% Koronarangiografien) vorgesehene Patienten mit hohem Risiko für renale Komplikationen aufgenommen worden. Bei allen bestand eine chronische Niereninsuffizienz im Stadium 3 (eGFR 30 – 59,9 ml/min) oder Stadium 4 (eGFR 15 – 29,9 ml/min). Patienten mit einer eGFR im Bereich 45 – 59,9 ml/min mussten zudem einen Diabetes mellitus aufweisen.
Die im 2×2-faktoriellen Design angelegte Studie beinhaltete zwei Vergleiche: Bei 2.511 Teilnehmer ist Natriumbikarbonat mit Natriumchlorid als periprozedural infundierte Lösung verglichen worden, bei 2.495 Teilnehmern Acetylcystein (1.200 mg zweimal täglich) als fünftägige orale Therapie mit Placebo. Primärer Studienendpunkt war die Rate für die kombinierten Ereignisse Tod, Notwendigkeit einer Dialyse oder anhaltender Anstieg der Serumkreatinins um mindestens 50 % zum Zeitpunkt nach 90 Tagen.
Nachdem bei einer Zwischenanalyse keine Aussicht auf Erfolg versprechenden Unterschiede zwischen den Gruppen auszumachen waren, ist die Studie vorzeitig gestoppt. Ein als primärer Endpunkt definiertes Ereignis war bis dahin bei 110 Patienten (4,4 %) der Natriumbikarbonat-Gruppe und bei 116 Patienten (4,7 %) der Natriumchlorid-Gruppe aufgetreten (Odds Ratio, 0,93; p = 0,62). In der Acetylcystein-Gruppe waren es 114 Patienten (4,6 %) im Vergleich zu 112 (4,5 %) in der Placebo-Gruppe (OR 1,02; p = 0,88).
Auch im Hinblick auf eine Kontrastmittel-assoziierte akute Nierenschädigung, definiert als Anstieg des Serumkreatinins um mehr als 25 % bis zum dritten bis fünften Tag nach der Angiografie, bestand kein signifikanter Unterschied zwischen den Gruppen. Im Unterschied zu vorangegangenen kleineren Studien war diese Art der Nierenschädigung in der aktuellen Studien nur ein sekundärer Endpunkt. In erster Linie sollte dagegen anhand der im primären Endpunkt kombinierten Ereignisse der potenziell Einfluss vermeintlich protektiver Behandlungsstrategien auf die klinischen Folgekomplikationen einer akuten Nierenschädigung untersucht werden. Doch weder bei der renalen Akutschädigung noch bei daraus resultierenden klinischen Komplikationen zeigten sich relevante Unterschieden zugunsten von Natriumbikarbonat oder Acetylcystein.
Was bedeutet das für die Praxis? Nach Ansicht von Studienleiter Dr. Steven Weisbord aus Pittsburgh sollten künftig mit Blick auf die Vermeidung von Konstrastmittel induzierten Nierenschäden und damit verbundenen klinischen Komplikationen folgende Standards gelten: Zum einen die intravenöse Behandlung mit isotonischer Natriumchloridlösung, zum anderen der Verzicht auf Acetylcystein.
Sitzung „Late-breaking Science 1“ (LBS 01): PRESERVE - Sodium Bicarbonate and N-Acetylcysteine for the Prevention of Serious Adverse Outcomes Following Angiography, Kongress der American Heart Association (AHA) 2017, 11. - 15. 11. 2017, Anaheim
Weisbord S.D. et al.: Outcome after Angiography with Bicabonate and Acetylcysteine, N Engl J Med 2017, online 12. November