Stirbt eine Person plötzlich und unerwartet, liegt das oft gar nicht am Herzen.
US-amerikanische Wissenschaftler haben sich die Mühe gemacht, die Todesursachen für alle in Kalifornien zwischen 2011 und 2014 außerhalb der Klinik eingetretenen plötzlichen Todesfälle durch Kreislaufstillstand akribisch zu prüfen, insgesamt waren es 912 an der Zahl.
Bei 525 Fällen, also 59%, entsprach die Todesursache den WHO-Kriterien eines „plötzlichen Herztodes“, sprich die Person war plötzlich und ohne Gewalteinwirkung verstorben (unter Zeugen: innerhalb von einer Stunde nach Einsetzen erster Beschwerden, ohne Zeugen: die Person wurde die letzten 24 Stunden beschwerdefrei gesehen).
Im Rahmen der prospektiven POST SCD-Studie wurden die Leichen der auf diese Art und Weise verstorbenen Personen fast alle obduziert (97%) sowie toxikologisch und histologisch untersucht.
Dabei stellte sich heraus, dass bei nur etwas mehr als der Hälfte der nach WHO klassifizierten „plötzlichen Herztode“ („sudden cardiac death“, SCD) tatsächlich primär das Herz verantwortlich für den Tod der Person war. Oder anders ausgedrückt: 44,2% der Personen, die angeblich einen plötzlichen Herztod hatten, waren nicht an einer Arrhythmie verstorben, sondern an anderen Komplikationen.
Drogenmissbrauch häufige Ursache
In 13,5% der Fälle war die Todesursache eine Überdosis, meist eine
tödliche Opioid-Dosis (61%). Bei keinem der so verstorbenen Personen
habe es Hinweise für einen Drogenmissbrauch gegeben, betonen die
Studienautoren, die eingetroffenen Notfallärzte seien immer von einem
Herzstillstand ausgegangen.
5,5% der Personen mit einem vermeintlichen SCD verstarben primär an
neurologischen Komplikationen, also z. B. an zerebrovaskulären Traumata,
intrakraniellen Hämorrhagien oder an epileptischen Komplikationen
(plötzliche unerwarteter Todesfall bei Epilepsie). In jeweils 4% der
Fälle stellten Infektionen und pulmonale Embolien die eigentliche
Todesursache dar. Bei ebenfalls 4% aller als SCD klassifizierten
Todesfälle war zwar das Herz beteiligt, die Person verstarb aber nicht
an einer Arrhythmie, sondern z. B. an einer Herzinsuffizienz mit
Lungenödem, Herztamponade usw.
Die häufigste Ursache für „plötzliche Herztode“ im eigentlichen Sinne
war eine koronare Herzerkrankung (insgesamt 32% aller WHO-SCD), gefolgt
von Kardiomyopathien (10%) und Kardiohypertrophien (8%).
Besser von „plötzlichen Tod“ sprechen
Es sei kein Geheimnis, dass den ausgestellten Todesscheinen nicht immer zu trauen sei und darin die Häufigkeit von plötzlichen Herztoden überschätzt werde, bemerken Tseng und Kollegen. Offensichtlich sei es schwierig, anhand der gängigen Methoden einen plötzlichen Herztod exakt zu diagnostizieren. „Der positive prädiktive Wert der WHO-Kriterien für einen Autopsie-gesicherten plötzlichen Herztod lag in der aktuellen Studie bei gerade mal 55,8%.“
Ihrer Ansicht nach sollte man sich daher überlegen, ob man solche Todesfälle nicht besser als „plötzlichen Tod“ statt als „plötzlichen Herztod“ bezeichnet.
Den hohen Anteil an Drogentoten führen Tseng und Kollegen auf die derzeit in den USA kursierende Opioid-Epidemie zurück. Dagegen scheine die Bedeutung von ischämisch bedingten SCD-Ursachen abzunehmen: „In gerade mal 10% der WHO-definierten SCD und in 18% aller Autopsie-gesicherten SCD fand sich der typische Befund einer akuten koronaren Läsion oder ein pathologischer Hinweis für einen akuten Herzinfarkt, der zum arrhythmischen Tod geführt hat“, erläutern sie.
Ätiologie nicht verwischen
Wie wichtig es ist, zwischen den jeweiligen Ätiologien zu unterscheiden, macht Dr. Robert Myerburg in einem begleitenden Editorial deutlich. Ein Kreislaufstillstand könne primär durch ein kardiales Ereignis ausgelöst werden wie eine Ischämie oder eine Herzrhythmusstörung. Zum anderen könne es sein, dass der Tod zwar letztlich aufgrund von kardialen Komplikationen eingetreten ist, die primäre Ursache aber eine andere war wie Elektrolytstörungen, akutes Atemversagen oder eine Überdosis. Und zu guter Letzt kann ein Kreislaufkollaps das Endstadium einer schweren Erkrankung darstellen, z. B. bei Krebs-Patienten.
Kritisch führt der Kardiologe an, dass in der aktuellen Studie keine Genuntersuchung vorgenommen wurde. Es sei daher unklar, inwieweit Erbkrankheiten ursächlich für manche der in der Autopsie als nicht-kardial klassifizierten SCD-Fälle waren.
Literatur
Tseng Z, Olgin J, Vittinghoff E et al. Prospective Countywide Surveillance and Autopsy Characterization of Sudden Cardiac Death. POST SCD Study. Circulation. 2018;137:2689-2700; https://doi.org/10.1161/CIRCULATIONAHA.117.033427
Myerburg R. Cardiac and Noncardiac Causes of Apparent Sudden Arrhythmic Deaths Shadows in a Spectrum. Circulation. 2018;137:2701-2704; https://doi.org/10.1161/CIRCULATIONAHA.118.034594