Zum Jahreswechsel schaut man ja gerne zurück, zieht Bilanz was gewesen ist, um daraus Wünsche und Vorsätze für die Zukunft zu kreieren. Da ich zum Jahreswechsel aus der aktiven Praxistätigkeit ausscheide, will ich dies zum Anlass nehmen, auf über 30 Jahre Praxistätigkeit zurückzublicken.
1994 habe ich eine kardiologische Einzelpraxis neu gegründet in einem Gebiet, in dem es bisher keine kardiologische Praxis gab und in dem ich niemanden kannte. Das hatte den Vorteil, dass es keine direkte Konkurrenz gab, es hatte aber auch den „Nachteil“, dass es dort bis dahin nicht so üblich war, Patientinnen und Patienten zur kardiologischen Praxis zu schicken. Die zunächst langsam, aber stetig steigende Patientenzahl ermöglichte es mir und meinem Team damals jedoch, die Abläufe und die Struktur der Praxis kontinuierlich zu optimieren. Finanziell hat sich die Praxis von Beginn an getragen.
Hatte ich zu Beginn tatsächlich viel Zeit für die einzelnen Patientinnen und Patienten, so ist es mir offensichtlich gelungen, auch später, als diese Zeit eigentlich nicht mehr vorhanden war, den einzelnen Personen doch den Eindruck zu erhalten, nur für sie da zu sein. Nach meiner Erfahrung ist die Kommunikation mit den Patientinnen und Patienten – und auch mit dem Team, doch dazu später mehr – mindestens genauso wichtig wie die fachliche Kompetenz; im Idealfall stimmt beides.
In all den Jahren gab es natürlich auch Situationen und Entwicklungen, insbesondere im politischen und KV-Bereich, die zunächst beängstigend erschienen. Mit der Zeit habe ich jedoch erfahren und gelernt, dass mit einer soliden Praxisarbeit alle Stürme zu überstehen sind.
Doch was würde ich im Rückblick heute vielleicht anders machen? Dazu fallen mir spontan zwei Themen ein:
Ich habe immer „volle Kanne“ gearbeitet und habe mich nicht an Vorgaben der Honorarverteilung gehalten. Dadurch habe ich viele Leistungen letztlich ohne Bezahlung erbracht. Natürlich hatte ich dann zeitweise auch davon profitiert, wenn es erneut eine Änderung gab und die Praxen, die ihre Zahlen reduziert hatten, sie erst wieder langsam steigern konnten. Ich hatte damals gedacht, im Sinne der Patientinnen und Patienten zu handeln. Heute sehe ich das jedoch anders. Nicht wir als Leistungserbringer sind dafür verantwortlich, dass allen geholfen wird, die Politik und die Kassen müssen Bedingungen schaffen, dass dies möglich ist. Mein Verhalten hat deshalb eher dazu geführt, dass die Verantwortlichen gar keinen Grund sahen, etwas zu ändern, es lief ja auch so.
Das zweite Thema betrifft die Arbeit in einer Einzelpraxis, wie ich dies fast 30 Jahre getan habe. Das ist natürlich vordergründig bequem, man kann alles selbst entscheiden und die Abläufe ganz auf sich selbst abstimmen. Auch die Mitarbeiterführung und -kommunikation ist einfacher – dass in unserer Praxis Mitarbeiterinnen von Beginn an dabei sind und die anderen im Schnitt auch schon über 20 Jahre an Bord sind, ist sicherlich auch diesem Umstand mit geschuldet. Für mich war die Einzelpraxis jedenfalls genau richtig. Zumal ich nicht wusste, ob sich eine Anstellung in einem gesperrten Gebiet rechnen würde. Kolleginnen und Kollegen, mit denen ich darüber gesprochen hatte, ließen zwar keinen Zweifel daran; dennoch habe ich mich nie ernsthaft damit beschäftigt. Heute sehe ich, dass dies in jeder Hinsicht durchaus möglich ist und auch neue Möglichkeiten bietet, sodass ich heute wahrscheinlich nicht mehr so lange alleine arbeiten würde.
Ich bin jeden Tag gerne in die Praxis gegangen oder gefahren und glaube, dass die Arbeit als Kardiologe in der Praxis auch heute noch ein sehr schöner Beruf ist – auch wenn ich nicht so vermessen bin wie Franz Müntefering, nämlich zu sagen es sei „das schönste Amt neben dem Papst“, weil ich einerseits glaube, dass Papst sein gar nicht so schön ist und ich andererseits viele andere Berufe gar nicht kenne.
Ihnen allen wünsche ich einen guten Wechsel in ein neues und erfolgreiches Jahr.