Quick Dive: Umgang mit Device-detektiertem Vorhofflimmern (DDAF)

 

In unserer Reihe "Quick Dive" stellen die Autorinnen und Autoren von Publikationen medizinischer Fachgesellschaften prägnant die wichtigsten Hintergründe und Inhalte der jeweiligen Veröffentlichung vor. Dieses Mal wird eingetaucht in:

 

Positionspapier zum Umgang mit Device-detektiertem Vorhofflimmern (DDAF)

Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie - Herz und Kreislaufforschung (DGK)

06.06.2025 | Verfasst von:  Tobias Tönnis · Ralf Birkemeyer · David Duncker · Lars Eckardt · Klaus Gröschel · Dominik Linz · Christian Meyer · Sergio Richter · Florian Straube · Arian Sultan · Rolf Wachter · Maura M. Zylla · Paulus Kirchhof


Von:

Lucia Besteher und Melissa Wilke

HERZMEDIZIN-Redaktion

 

24.06.2025

 

Bildquelle (Bild oben): vovan / Shutterstock.com

5 Fragen an den Erstautor

Dr. Tobias Tönnis, Universitäres Herz- und Gefäßzentrum Hamburg 

 

Was sind Anlass und Ziel der Publikation?

 

Bei Patientinnen und Patienten mit implantierten Devices wie Herzschrittmachern, ICDs, CRT-Systemen oder Ereignisrekordern werden häufig kurze Episoden von Vorhofflimmern aufgezeichnet. Diese Episoden, die auch als Device-detektiertes Vorhofflimmern (DDAF) bezeichnet werden, werden von den Betroffenen meist nicht bemerkt. Registerstudien konnten bei ihnen ein erhöhtes Risiko für systemische Thrombembolien nachweisen. Ein Vorhofflimmern war bei diesen Patientinnen und Patienten vorher noch nicht bekannt. Werden diese Episoden von Device-detektiertem Vorhofflimmern bei den Abfragen entdeckt, stellt sich die Frage, ob dies genauso zu werten ist, wie klinisches Vorhofflimmern und ob eine Therapie, insbesondere eine Antikoagulation, indiziert ist. In den letzten zwei Jahren wurden zwei große randomisierte Studien (NOAH AFNET 6 und ARTESIA) publiziert, die diese Fragestellung untersuchten. Das Positionspapier gibt eine Expertenempfehlung unter Berücksichtigung der aktuellen Datenlage.

 

Was sind die wichtigsten Take-Home Messages?

 

  1. Patientinnen und Patienten mit Device-detektiertem Vorhofflimmern (DDAF) haben eine geringe Vorhofflimmerlast und ein niedriges Schlaganfallrisiko von ca. 1 % pro Jahr.
  2. Eine therapeutische Antikoagulation mit einem NOAK (Edoxaban oder Apixaban) kann das Auftreten von Schlaganfällen um 32 % reduzieren, dies geht mit einer Erhöhung von schweren Blutungen um 62 % einher
  3. Die Indikationsstellung  zur Antikoagulation bleibt eine individuelle Abwägung
  4. Untergruppen, die am ehesten profitieren sind Personen mit:

a.       Schlaganfall in der Vorgeschichte

b.       vaskulären Erkrankungen (definiert als stattgehabter Schlaganfall, bekannte koronare oder periphere Gefäßerkrankung)

5. Untergruppen, die nicht von einer Antikoagulation profitieren sind Personen mit:

a.       Keiner vaskulären Erkrankung

b.       CHA2DS2-VASc-Score <4

Entscheidungshilfe bei DDAF

Was sind Herausforderungen bei der Umsetzung und mögliche Lösungen?

 

Die beiden genannten großen randomisierten Studien sind enorm hilfreich bei der klinischen Einschätzung von Device-detektiertem Vorhofflimmern, es bleibt aber immer noch eine Patienten-individuelle Entscheidung, ob eine therapeutische Antikoagulation verordnet wird.

 

Welche Punkte sind offengeblieben?

 

  • Ab welcher Vorhofflimmerlast ist eine therapeutische Antikoagulation sinnvoll? Wann eine Rhythmuskontrolle?
  • Bisher liegen nur randomisierte kontrollierte Studien zu Edoxaban und Apixaban bei DDAF vor.
  • Es fehlen bisher quantifizierbare Risikomarker für das Auftreten von ischämischen Schlaganfällen bei DDAF.
  • Welche Bedeutung haben Biomarker, eine chronischen Niereninsuffizienz oder morphologischer Parameter (z. B. Größe des linken Vorhofs)?
  • Welche Rolle spielen KI-basierte Algorithmen in der Risikostratifikation bei DDAF?
  • Wie ist Vorhofflimmern zu werten, das in „Wearables“ (Smartwatch, etc.) detektiert wird? Interventionsstudien hierzu fehlen.

 

Ausblick: Welche Entwicklungen zum Thema zeichnen sich ab?

 

Eine standardisierte Erfassung der Vorhofflimmerlast (AF Burden) und die Korrelation mit klinischen Ereignissen ist aktuell von großem Interesse.  Dies wird von enormer Wichtigkeit bei der Therapieentscheidung sein.

Weiter zur vorgestellten Publikation:

DGK-Positionspapier zum Umgang mit Device-detektiertem Vorhofflimmern (DDAF)

Literaturnachweis:

Tönnis, T., Birkemeyer, R., Duncker, D. et al.
DGK-Positionspapier zum Umgang mit Device-detektiertem Vorhofflimmern (DDAF). Kardiologie (2025) 
https://doi.org/10.1007/s12181-025-00750-y  

Zur Person

Dr. Tobias Tönnis

Dr. Tobias Tönnis ist Oberarzt im Bereich Kardiologie und Elektrophysiologie am Universitären Herz- und Gefäßzentrum Hamburg. Er leitet dort die Device-Therapie.

Bildquelle: Ronny Kretschmer / HKM

Kurzinfo: Die Formate der DGK-Publikationen

Leitlinien sind für Ärztinnen und Ärzte eine wichtige Stütze im klinischen Alltag, um ihre Patientinnen und Patienten nach neuestem Stand der Wissenschaft bestmöglich zu behandeln. Dabei dienen die Leitlinien als verlässliche Handlungsempfehlungen in spezifischen Situationen.

Pocket-Leitlinien sind Leitlinien in kompakter, praxisorientierter Form. Bei Übersetzungen von Pocket-Leitlinien der ESC werden alle Empfehlungsklassen und Evidenzgrade der Langfassung übernommen.

Master Pocket-Leitlinien stellen eine Zusammenfassung der wichtigsten Aspekte der Leitlinienempfehlungen in Form von grafischen Diagnose- und Therapiealgorithmen dar. Als Quelle der Empfehlungen dienen dabei vorwiegend die nach strengen wissenschaftlichen Kriterien erstellten Leitlinien der European Society of Cardiology (ESC) sowie deren deutsche Übersetzung durch die DGK.

CardioCards behandeln im Wesentlichen Themen der Diagnostik und Akuttherapie für den ambulanten Bereich. Hier werden die essenziellen Informationen von Leitlinien komprimiert und übersichtlich zusammengefasst.

Kommentare beinhalten Hinweise, wie sich die neuen von den alten Leitlinien unterscheiden, Hinweise auf wesentliche Neuerungen, die seit dem Erscheinen der ESC-Leitlinien bekannt geworden sind, Diskussion kontroverser Empfehlungen in den ESC-Leitlinien sowie Möglichkeiten und Grenzen der Leitlinienumsetzung im Bereich des deutschen Gesundheitswesens.

Ein Positionspapier behandelt eine Fragestellung von großem allgemeinen Interesse, für die keine aktuelle Leitlinie vorliegt.

Bei einem Konsensuspapier handelt es sich um ein von mehreren Fachgesellschaften getragenes Statement.

Diese Veröffentlichungen enthalten Empfehlungen einer DGK-Arbeitsgruppe zu einer speziellen Frage von großem Interesse.

Stellungnahmen der DGK beziehen sich auf gesundheitspolitische Fragestellungen und erfolgen durch den Vorstand, gemeinsam mit Kommissionen und Projektgruppen. Sofern möglich und sinnvoll, werden auch Fachgesellschaft-übergreifende Stellungnahmen ausgearbeitet.

Ein Manual ist eine praktisch orientierte Expertenempfehlung für wesentliche kardiovaskuläre Prozeduren.

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