Ausdauersport wird mit einem erhöhten Risiko für Vorhofflimmern (VHF) in Verbindung gebracht. Rudererinnen und Ruderer weisen im Vergleich zu anderen Ausdauersportarten eine besonders hohe Trainingsbelastung, die größte aerobe Kapazität sowie ein ausgeprägtes kardiales Remodeling auf. Die Studie untersuchte, ob VHF bei ehemaligen Spitzenruderinnen und -ruderern häufiger auftritt als in der Allgemeinbevölkerung und ob hierfür eine erhöhte genetische Prädisposition verantwortlich ist.
Eingeschlossen wurden ehemalige Spitzenruderinnen und -ruderer im Alter von 45–80 Jahren, die auf nationaler Ebene, bei Weltmeisterschaften oder bei Olympischen Spielen an Wettkämpfen teilgenommen hatten. Voraussetzung für die Studienteilnahme war eine mindestens 10-jährige Wettkampfkarriere. Sie wurden mit einer im Verhältnis 1:100 nach Alter und Geschlecht gematchten Kontrollgruppe aus der UK Biobank verglichen. Die Auswertung umfasste 12-Kanal- und Langzeit-EKGs, kardiales MRT und genetische Analysen anhand seltener Varianten von Kardiomyopathie-assoziierten Genen sowie anhand eines validierten polygenen VHF-Risiko-Scores (AF-PRS).
Von 121 ehemaligen Spitzenruderinnen und -ruderern (medianes Alter 62 Jahre, 74 % männlich) wiesen 26 (21,5 %) ein Vorhofflimmern auf, verglichen mit 364 (3,2 %) der 11.495 Kontrollpersonen. Dies entspricht einem Prävalenz-Risiko-Verhältnis von 6,8 (95%-Konfidenzintervall 4,7–9,8). Aufgrund der historisch späteren Einführung des professionellen Frauen-Rudersports war der Frauenanteil in der Studie gering, daher sind geschlechtsspezifische Effekte nicht sicher zu beurteilen. 1 von 32 (3,2 %) Spitzenruderinnen hatte VHF, ein ähnlicher Anteil wie in der Kontrollgruppe (122 von 2.823, 4,3 %; PRR 0,75; 95%-KI 0,1–5,2).
Auch die VHF-Inzidenz während der 4-jährigen Nachbeobachtung war in der Rudersport-Gruppe fast 3-fach erhöht: 6 von 95 Personen (6,3 %) gegenüber 252 von 11.131 Personen in der Kontrollgruppe (2,3 %; Hazard Ratio 2,8; 95 %-KI 1,6–5,0). Trotz vergleichbarer (niedriger) kardiovaskulärer Risikofaktorprofile war die Schlaganfallprävalenz in der Rudersport-Gruppe ebenfalls 3-mal höher als in der Kontrollgruppe (3,3 % vs. 1,1 %; Risikoverhältnis 3,0; 95 %-KI 1,1–7,9).
Im Vergleich zur Kontrollgruppe zeigte sich in der Rudersport-Gruppe ein ausgeprägteres strukturelles und elektrophysiologisches kardiales Remodeling. Seltene pathogene oder wahrscheinlich pathogene Varianten bei Kardiomyopathie-assoziierten Genen waren in der Rudersport-Gruppe selten (2,7 %) und bei Personen mit VHF nicht angereichert. Dagegen war ein hoher polygener VHF-Risiko-Score (AF-PRS; oberes Quartil einer gesunden Referenzpopulation) mit einer signifikant erhöhten VHF-Wahrscheinlichkeit für Vorhofflimmern assoziiert – sowohl in der Rudersport-Gruppe (Odds Ratio 3,7; 95 %-KI 1,5–9,4) als auch in der Kontroll-Gruppe (Odds Ratio 2,0; 95 %-KI 1,7–2,4). Der Anteil von Personen mit hohem AF-PRS unterschied sich nicht zwischen den Gruppen (p=0,37).
Trotz eines im Vergleich zur Kontrollgruppe günstigen kardiovaskulären Risikofaktorprofils zeigte sich in der Gruppe mit ehemaligen Spitzenruderinnen und -ruderern eine deutlich erhöhte VHF-Prävalenz und -Inzidenz. Der Anteil von Personen mit hohem polygenen VHF-Risiko-Score unterschied sich nicht zwischen Rudersport- und Kontrollgruppe und ein hoher Score war in beiden Gruppen mit einem deutlich erhöhten VHF-Risiko assoziiert. Daraus schlussfolgert das Forschungsteam, dass die stark erhöhte Prävalenz in der Rudersport-Gruppe nicht allein durch genetische Faktoren bedingt ist, sondern auf ein Zusammenspiel von trainingsinduziertem kardialen Remodeling und individueller genetischer Prädisposition hinweist.
Insgesamt stellen ehemalige Ausdauerathletinnen und -athleten nach Einschätzung der Forschenden eine klinisch relevante Bevölkerungsgruppe dar, deren VHF-Rate mit jener anderer Patientenkollektive vergleichbar ist, bei denen ein Vorhofflimmern-Screening erwogen wird. Dies könne zur Frühdiagnose von Vorhofflimmern und zur Prävention thromboembolischer Ereignisse beitragen.
Die Studie berichtet, dass einer von fünf Ruder-Leistungssportlern bereits in einem Alter von um 60 Jahren Vorhofflimmern aufweist – trotz fehlender klassischer kardiovaskulärer Risikofaktoren und trotz jahrzehntelang zurückliegendem Leistungssport. Selbst wenn ein gewisser Selektions-Fehler möglich ist, ist das VHF-Risiko bei diesen Personen deutlich höher als in vielen unserer kardiovaskulären Patienten. Trotz der geringen Fallzahl zeigt sich leider auch ein Trend zu einem höheren Schlaganfallrisiko – bei im wesentlichen Gefäß-gesunden Personen. Eine wichtige neue Information aus den genetischen Untersuchungen der Studie ist, dass der Extremsport per se, und nicht z. B. zugrundeliegende Kardiomyopathien, das VHF-Risiko erhöht. Wenn das genetische Risiko erhöht ist, wirkt der Spitzensport verstärkend. Elite-Ruderer mit hohem polygenen VHF-Risiko-Score hatten ein 4x höheres Risiko.
Ein erhöhtes VHF-Risiko ist auch für andere Ausdauer-Sportarten wie z. B. Radfahren, Langstrecken-Lauf oder Ski-Langlauf bekannt. Trotz der eindeutig belegten kardiovaskulären Vorteile von Bewegung unterstreichen die Ergebnisse daher die Bedeutung einer individualisierten Risikostratifizierung und Beratung von Athleten durch (Sport)-Kardiologen. Aktive und ehemalige Ausdauerathleten sollten auch ohne klassische Risikofaktoren auf VHF untersucht werden. Eine Indikation für eine allgemeine genetische Untersuchung von Leistungssportlern lässt sich aus der Studie jedoch nicht ableiten.
Wichtige offene Fragen bleiben, ob eine Trainingsreduktion nach VHF-Diagnose vorteilhaft ist. Hinweise auf eine reduzierte Arrhythmogenese nach Trainingsstopp sowie Ergebnisse aus Tiermodellen sprechen für einen möglichen Nutzen, während klinische Daten und fehlende strukturelle Rückbildung der Vorhöfe widersprüchlich sind. Es ist unbekannt, welche Komponenten, z. B. Trainings-Dauer oder Trainings-Intensität, und welche frühen morphologischen Veränderungen (z. B. Vorhofgröße oder -fibrose) relevant sind. Offen bleibt auch noch die größte Frage für den Alltag in unseren Sprechstunden: ob und in welcher Weise sich die Befunde an diesen Elite-Sportlern auf intensiven Freizeitsport übertragen lassen.