Das Timing für einen Klappenersatz ist immer noch unklar bei Patientinnen und Patienten mit asymptomatischer, hochgradiger Aortenklappenstenose (AS). Zuvor hatte die EARLY-TAVR-Studie ergeben, dass die frühzeitige TAVI im Vergleich zu einer abwartenden Strategie (CS) die Prognose signifikant verbesserte.2 Laut einer beim EURO-PCR 2025 vorgestellten Subanalyse blieben die Vorteile der frühen TAVI zudem unabhängig vom Ausmaß der Herzschädigung bestehen.3
In der vorliegenden Subanalyse der EARLY-TAVR-Studie wurde die Prävalenz von ACC/AHA-Leitlinien-Indikationen4 der Klasse II untersucht und die entsprechenden Outcomes.
Die ACC/AHA-Guideline von 2020 gibt bei der hochgradigen Aortenklappenstenose (AS) folgenden Indikationen für die Empfehlung einer Intervention:4
- Klasse I: Symptome: Dyspnoe, HF, Angina, Synkope oder Präsynkope in der Vorgeschichte, LVEF <50 % oder gleichzeitige Herz-OP
- Klasse IIa: Verminderte Belastungstoleranz oder Abfall des systolischen Blutdrucks um ≥10 mmHg bei Belastung , Maximalgeschwindigkeit ≥5 m/s, BNP-Werte >3x Normalwerte oder Zunahme der Maximalgeschwindigkeit ≥0,3 m/s pro Jahr
- Klasse IIb: LVEF <60 %
Bei einer Indikation der Klasse IIa/IIb empfiehlt die ACC/AHA-Guideline bevorzugt einen chirurgischen Aortenklappenersatz statt einer TAVI.
In der vorliegenden Subgruppenanalyse wurde untersucht, ob sich die Outcomes der frühzeitigen TAVI gegenüber der abwartenden Strategie (CS) über eine Dauer von 60 Monaten unterscheiden abhängig von der Leitlinien-Indikation im Hinblick auf den primären Endpunkt (Tod, Schlaganfall oder ungeplante kardiovaskuläre Hospitalisierungen).
901 eingeschlossene Personen der EARLY-TAVR-Studie mit asymptomatischer, hochgradiger AS wurden entsprechend der Leitlinien-Indikationen klassifiziert: Es gab keinen einzigen Fall einer Indikation der Klasse I (Ausschlusskriterien der Studie). 22,4 % der Personen gehörten zur Klasse-IIa- und 7 % zur Klasse-IIb-Gruppe laut Leitlinien-Indikation. Der überwiegende Anteil (70,6 %) der Personen hatte jedoch keine Leitlinien-Indikation für einen Klappenersatz (GR-Gruppe). Die Subgruppenanalyse ergab, dass der primäre Endpunkt in allen Subgruppen günstiger ausfiel für die frühzeitige TAVI gegenüber der abwartenden Strategie (CS), unabhängig von der Leitlinien-Indikation.
Primärer Endpunkt (Tod, Schlaganfall oder ungeplante kardiovaskuläre Hospitalisierungen) nach 60 Monaten:
- GR-Gruppe (n=636): 17,5 % TAVI vs. 24,7 % CS
- Klasse-IIa-Gruppe (n=265): 30,3 % TAVI vs. 35,7 % CS
- Klasse-IIb-Gruppe (n=63): 15,2 % TAVI vs. 34,7 % CS
Mehr als 40 % der Patientinnen und Patienten der Klasse IIb (beim Screening) konvertierten innerhalb von 6 Monaten von der abwartenden Strategie zur TAVI und nach 24 Monaten waren ca. 70-80 % in allen Indikationsgruppen zur TAVI konvertiert.
Von den Patientinnen und Patienten mit asymptomatischer, hochgradiger AS hatten rund 30 % zum Zeitpunkt der Randomisierung eine Leitlinien-Indikation der Klasse IIa/IIb für einen Klappenersatz. Bei der Indikation der Klasse IIa/IIb war das Risiko für Tod, Schlaganfall oder Hospitalisierungen erhöht gegenüber der Gruppe ohne Leitlinien-Indikation. Die frühzeitige TAVI war bei allen Gruppen mit günstigeren Outcomes verbunden.
Fast die Hälfte der Personen mit einer Indikation der Klasse IIa/IIb wechselte von der abwartenden Strategie zur TAVI sowie mehr als ein Drittel der Personen ohne Leitlinienindikation aufgrund eines akuten Klappensyndroms. Die Daten dieser Subanalyse unterstützen insgesamt eine frühzeitige Intervention bei Personen mit asymptomatischer, hochgradiger AS unabhängig von der Leitlinien-Indikation.
Der Benefit einer frühzeitigen Therapie bei Patientinnen und Patienten mit asymptomatischer Aortenklappenstenose konnte von verschiedenen randomisierten Studien gezeigt werden. Die Klasse-IIa/IIb-Empfehlungen identifizieren eine besondere Risikogruppe. Von einer frühen Intervention profitieren aber auch Personen, die nicht in diese Gruppe fallen. Eine Intervention bei asymptomatischer Aortenklappe sollte bei allen Betroffenen im Heart Team diskutiert werden und nach dem Shared-decision Prinzip mit allen Patientinnen und Patienten individuell getroffen werden.