Hohe Rate von bakteriellen Superinfektionen bei obduzierten Covid-19 Patienten – Argument für liberalere Antibiotikagabe bei intensivpflichtigen Patienten?

https://doi.org/10.1007/s00392-025-02737-x

Ali Ahmad (Görlitz)1, S. Saupe (Görlitz)2, N. Grunow (Görlitz)3, C. Pflücke (Görlitz)2

1St. Carolus Krankenhaus Görlitz, Deutschland; 2Städtisches Klinikum Klinik für Innere Medizin I Görlitz, Deutschland; 3Städtisches Klinikum Institut für Pathologie Görlitz, Deutschland

 

Hintergrund:
Bakterielle Superinfektionen sind eine prognostisch ungünstige Komplikation bei COVID-19-Patienten. Trotzdem wird der frühzeitige empirische Einsatz, auch bei intensivpflichtigen Covid-19 Patienten, kontrovers diskutiert. Das Ziel dieser Arbeit ist eine
systematische Aufarbeitung der Rate von bakteriellen Superinfektionen und der Zusammenhang mit dem Zeitpunkt des Antibiotikaeinsatzes sowie den spezifischen Todesursachen und Virusvarianten.

Methode:
110 verstorbene COVID-19-Patienten sind in den Jahren 2020–2022 im Städtischen Klinikum Görlitz konsekutiv obduziert worden. Es erfolgte eine retrospektive Auswertung der Todesursachen mit spezieller Fragestellung nach der Bedeutung kardiovaskulärer Todesursachen und dem Anteil bakterieller Superinfektionen, sowie eines möglichen Zusammenhangs mit Antibiotikagabe (Zeitpunkt: <24h, 24–48h, >48h). Alle obduzierten Verstorbenen besaßen einen PCR-positiven Covid-19 Nachweis.

Ergebnisse:
Respiratorisches Versagen mit Nachweis einer bakteriellen Superinfektion war mit einem Anteil von 44,5% (49/110) die häufigste Todesursache, gefolgt von Myokardinfarkt (16,4%, 18/110) und Lungenarterienembolie (13,6%, 15/110). Der bakterielle Erregernachweis im Lungengewebe gelang in 80,9% (89/110) der Fälle. Bei 57,3% (63/110) wurden zwei, oder sogar mehr, verschiedene Bakterien nachgewiesen. 78,2% (86/110) der Patienten erhielten Antibiotika während des stationären Aufenthalts, davon 40,9% (45/110) innerhalb der ersten 24 Stunden nach Aufnahme. Eine spätere Antibiotikagabe (>48 Stunden) war mit signifikant häufigeren Superinfektionen assoziiert (92% vs. 77,6%, p=0,002). Patienten mit der Delta-Variante zeigten ein höheres Risiko für: pulmonal assoziierte Todesfälle (82,4% vs. 59,2%, p=0,015) und Superinfektionen (94,1% vs. 86,8%, p=0,001). Bei der Alpha-Variante entwickelten alle Patienten mit Antibiotikagabe nach >24h eine Superinfektion (100% vs. 65,5% bei Gabe <24h, p<0,001). Ältere Patienten (>80 Jahre) hatten eine signifikant höhere Superinfektionsrate (87,9% vs. 73,1%, p=0,004).

Schlussfolgerung:
Bakterielle Superinfektionen sind bei intensivpflichtigen COVID-19-Patienten häufig. Eine frühe Antibiotikagabe (<24 Stunden) könnte die Rate bakterieller Superinfektionen und pulmonaler Todesfälle reduzieren, insbesondere bei älteren Patienten und solchen mit der Delta-Variante.


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