https://doi.org/10.1007/s00392-025-02737-x
1Marienhospital Herne, Klinikum der Ruhr-Universität Bochum Med. Klinik II, Kardiologie u. Angiologie Herne, Deutschland; 2Universitätsklinikum des Saarlandes Innere Medizin III - Kardiologie, Angiologie und internistische Intensivmedizin Homburg/Saar, Deutschland; 3Universitätsklinikum Ruppin-Brandenburg Med. Klinik A Schwerpunkt Kardiologie Neuruppin, Deutschland; 4Institut für Versorgungsforschung, Knappschaft-Bahn-See, Bochum Bochum, Deutschland; 5Knappschaftskrankenhaus Bottrop GmbH Klinik für Innere Medizin IV - Kardiologie Bottrop, Deutschland
Hintergrund:
Vorhofflimmern (VHF) ist eine der häufigsten kardialen Begleiterkrankungen bei hospitalisierten Patienten mit Herzinsuffizienz (HF), Myokardinfarkt (AMI) oder Apoplex. Die prognostische Relevanz von VHF für die Mortalität ist gut belegt. Weniger gut untersucht ist jedoch, wie sich zusätzliche Komorbiditäten – insbesondere chronische Nierenerkrankung (CKD), Diabetes mellitus (DM) und chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) – additiv zum Risiko durch VHF auf die 30-Tage- und 1-Jahres-Mortalität auswirken. Es ist unklar, ob diese Komorbiditäten das durch VHF bedingte Risiko lediglich verstärken oder ob sich kombinierte Effekte ergeben. Ziel dieser Analyse war es daher, den Einfluss von CKD, DM und COPD auf die kurzfristige (30 Tage) und langfristige (1 Jahr) Mortalität bei Patienten mit VHF systematisch zu quantifizieren und den Verlauf des Überlebensrisikos in Abhängigkeit von der Komorbiditätslast darzustellen.
Methodik:
Untersucht wurden 1.8 Mio. Versicherungsfälle im Zeitraum 2012 - 2020. Bei Vorliegen von VHF zusätzlich zu einer der Indexdiagnosen Herzinsuffizienz (HF), Myokardinfarkt (AMI) oder Apoplex (Schlaganfall) wurden 114.118 Fälle eingeschlossen und nach Anzahl der vorliegenden Komorbiditäten (DM, CKD, COPD: 0 bis 3) stratifiziert. Die Mortalität wurde als 30-Tage-Mortalität (Odds Ratio, OR) mittels logistischer Regressionsmodelle berechnet. Zudem wurde die 1-Jahres-Mortalität mittels Inzidenzraten analysiert und über Poisson-Regressionen als Incidence Rate Ratios (IRR) ausgewiesen. Zusätzlich wurden absolute Mortalitätsraten berechnet.
Ergebnisse:
Die 1-Jahres-Mortalität lag bei Patienten mit Indexdiagnose und additiv alleiniges VHF bei:
- HF: 23.5 %, AMI: 13.4 %, Apoplex: 34.7 %
Mit jeder zusätzlichen Komorbidität stieg die Mortalität signifikant an:
- VHF + 1 Komorbidität: HF 26.3 %, AMI 17.1 %, Apoplex 38.2 %
- VHF + 2 Komorbiditäten: HF 29.8 %, AMI 20.4 %, Apoplex 41.5 %
- VHF + 3 Komorbiditäten: HF 32.6 %, AMI 23.2 %, Apoplex 45.1 %
Die 30-Tage-Mortalität zeigte ähnliche Muster:
- VHF alleine: HF 4.5 %, AMI 4.1 %, Apoplex 14.7 %
- VHF + 3 Komorbiditäten: HF 6.4 %, AMI 7.9 %, Apoplex 19.3 %
Statistisch zeigte sich ein klar additiver Zusammenhang: Mit jeder Komorbidität stieg das Risiko signifikant (z. B. AMI IRR von 1.38 auf 1.76 mit CKD; OR 30d von 1.39 auf 2.13).
Schlussfolgerung:
VHF fungiert als zentraler Risikofaktor, dessen prognostische Bedeutung durch das Hinzutreten von CKD, DM und COPD erheblich verstärkt wird. Besonders auffällig ist der nahezu lineare Anstieg der Sterblichkeit mit zunehmender Komorbiditätslast, da sas Mortalitätsrisiko mit jeder zusätzlichen Komorbidität auf additive Weise steigt. Patienten mit VHF und ≥2 Komorbiditäten zeigten eine um bis zu 50 % höhere 1-Jahres-Mortalität und sind entsprechend als Hochrisikogruppe einzustufen. Diese sollten priorisiert in strukturierte, interdisziplinäre Versorgungsprogramme eingebunden werden.