Weltweit leben über 37 Millionen Menschen mit Vorhofflimmern, der häufigsten Form von Herzrhythmusstörungen.1 Von persistierendem Vorhofflimmern spricht man, wenn der abnorme Herzrhythmus länger als eine Woche andauert, und von einem langanhaltenden persistierenden Vorhofflimmern bei einem Andauern über mehr als 12 Monate. Frühere Studien zur Behandlung von persistierendem Vorhofflimmern zeigten, dass einheitliche Ablationsstrategien fehlen und die klinischen Erfolgsraten mit 50 % eher gering sind.2 Während die Pulmonalvenenisolation (PVI) das wichtigste Ablationsverfahren für das paroxysmale Vorhofflimmern darstellt, ist das optimale Verfahren für persistierendes und langanhaltendes persistierendes Vorhofflimmern noch unklar.
Bei der TAILORED-AF-Studie handelte es sich um eine transatlantische randomisierte kontrollierte Studie, an der 26 Zentren aus 5 Ländern teilnahmen.3 Die Studienpopulation wurde entweder mit PVI und einer zusätzlichen KI-gestützten Ablation behandelt (Tailored-Kohorte) oder ausschließlich mit PVI (Standard-Kohorte). Das KI-basierte Software-System, das in der Tailored-Kohorte eingesetzt wurde, unterstützt Kardiologinnen und Kardiologen in Echtzeit bei der Identifikation dispergierter Elektrogramme. Ziel war es, im Tailored-Studienarm entweder das Vorhofflimmern durch Ablation der Areale elektrischer Dispersion zu terminieren bzw. die Ablation aller verbleibender Dispersionsareale inklusive eines Remappings; zusätzlich zur PVI.
Im Falle eines Rezidivs erfolgte in der Zweitprozedur erneut ein Tailored-Ansatz. In der Kontrollgruppe war in der 2. Ablationsbehandlung eine Re-PVI und die Anlage von maximal 2 Ablationslinien erlaubt. Als primärer Endpunkt wurde das Ausbleiben von Vorhofflimmern-Episoden > 30 Sekunden mit oder ohne Gabe von Antiarrhythmika 12 Monate nach einmaliger Ablationsbehandlung erfasst. Zu den sekundären Endpunkten gehörten das Ausbleiben von Vorhofflimmern und/oder atrialen Tachykardie-(AT)-Episoden über einen Zeitraum von 12 Monaten nach einem oder mehreren Behandlungen sowie die Bewertung der Sicherheit. Zudem wurde eine präspezifizierte Subgruppe von Patientinnen und Patienten mit Vorhofflimmerdauer über 6 Monate bezüglich des arrhythmiefreien Überlebens untersucht.
Insgesamt wurden 374 Patientinnen und Patienten mit persistierendem oder langanhaltend persistierendem Vorhofflimmern randomisiert und 370 Patientinnen und Patienten entweder in der Tailored-Kohorte (n = 187) oder in der Standard-Kohorte (n= 183) behandelt. Nach einer Follow-up-Dauer von 12 Monaten wurde eine signifikante Überlegenheit der KI-gestützten Behandlung für den primären Endpunkt beobachtet: In der Tailored-Kohorte blieben 88 % der Studienteilnehmenden frei von Vorhofflimmern mit oder ohne Antiarrhythmika gegenüber 70 % in der Standard-Kohorte (p < 0,0001). Die Eingriffe in der Tailored-Kohorte dauerten deutlich länger (178±60 vs. 92±36 min, p < 0,001) und erforderten ein ausgedehnteres Mapping für sowohl die KI als auch konsekutive atriale Tachykardien, allerdings war das Sicherheitsprofil vergleichbar mit der Standardbehandlung.
Bei den sekundären Endpunkten zeigte sich nach der Prozedur kein signifikanter Unterschied bezüglich jeglicher Arrhythmie (VHF/AT) in beiden Gruppen (p = 0,09). Nach 1,2 Prozeduren pro Patient bzw. Patientin fand sich jedoch erneut ein statistisch signifikanter Unterschied bezüglich des arrhythmiefreien Überlebens (VHF und AT) zwischen beiden Gruppen (p < 0,01) mit höherer Rate an Rezidivfreiheit in der Tailored-Kohorte.
In der Subgruppe der Patientinnen und Patienten mit Vorhofflimmerepisoden > 6 Monaten zeigte sich eine signifikant bessere Vorhofflimmer- sowie Rezidivfreiheit jeglicher Arrhythmien (VHF/AT) nach bereits einer aber auch mehrfachen Ablationen in der Tailored-Kohorte.
Die Ergebnisse der TAILORED-AF-Studie deuten darauf hin, dass ein maßgeschneiderter Ansatz, der eine KI-gestützte Prozedur umfasst, ein wirksameres Verfahren zur Behandlung von persistierendem und langanhaltendem Vorhofflimmern darstellen könnte im Vergleich zur Standardmethode. Im Gegensatz zur bisherigen subjektiven Beurteilung von Elektrogrammen, war die Verwendung künstlicher Intelligenz zur reproduzierbaren und zuverlässigen Identifizierung von Ablationszielgebieten entscheidend für den beobachteten Vorteil gegenüber der Standardbehandlung und gibt Hoffnung auf weitere Anwendungsgebiete in der interventionellen Medizin.
Insbesondere Patientinnen und Patienten mit deutlich persistierendem Vorhofflimmern scheinen in dieser Studie vom KI-Algorithmus zu profitieren. Zu beachten bleibt jedoch, dass es durch die Katheterablation dieser KI-identifizierten Areale zum Auftreten konsekutiver Arrhythmien, insbesondere atrialer Tachykardien, kommen kann. Die Überlegenheit bezüglich Freiheit jeglicher Arrhythmie nach KI-basierter Ablation kann daher für einen Teil der Patientinnen und Patienten erst nach mehrfacher Behandlung erreicht werden. Es bleibt abzuwarten, inwieweit zukünftige Algorithmen diese Limitation sowie die Möglichkeit weiterer Charakterisierungen des Substrats miteinbeziehen könnten.