Zwischen Fiktion und Realität
Die fiktive Krimihandlung stellt damit vor allem eine zentrale Frage: Könnte man Herzimplantate wirklich hacken? Genau dieser Spannungsbogen zwischen dramaturgischer Zuspitzung und wissenschaftlicher Einordnung macht das Thema so brisant.
„Der Tatort greift das Thema auf, weil es aktuell ist und ein Risiko zeigt, das auch in der Realität nicht völlig ausgeschlossen werden kann“, erklärt Prof. Dr. Stefan M. Schulz, Psychologe und Leiter der Abteilung Verhaltensmedizin an der Universität Trier. Allerdings zeigt der Film eine überzeichnete Situation: Während die Erpressung einer Herstellerfirma als Motiv realistisch sein könnte, seien gezielte Anschläge auf Einzelpersonen aufgrund der hohen technischen Hürden sehr unwahrscheinlich.
Prof. Dr. David Duncker, Leiter des Hannover Herzrhythmus Centrums an der Klinik für Kardiologie und Angiologie der Medizinischen Hochschule Hannover, ordnet zudem ein: „In der Realität ist das Risiko eines gezielten Hackerangriffs auf implantierbare Defibrillatoren – kurz ICDs – eher gering. Die Systeme sind vielfach gesichert, benötigen physischen oder sehr spezifischen digitalen Zugang, und die Industrie arbeitet kontinuierlich an Sicherheitsupdates.“ Viel relevanter seien laut dem Experten technische Probleme anderer Art – etwa Batterie- oder Elektrodenkomplikationen.
Wichtig ist: Es gibt bisher keinen bestätigten Fall, bei dem Patientinnen und Patienten durch einen Hackerangriff auf einen Herzschrittmacher direkt zu Schaden gekommen sind.
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Prof. Dr. David Duncker
Prof. Dr. David Duncker ist Leiter des Hannover Herzrhythmus Centrums an der Klinik für Kardiologie und Angiologie an der Medizinischen Hochschule Hannover. Seine fachlichen Zusatzqualifikationen (DGK) erwarb er in den Bereichen Spezielle Rhythmologie und Herzinsuffizienz.
Warum TV-Bilder Ängste auslösen können
Mediale Darstellungen wie im Tatort können die Risikowahrnehmung verstärken. „Durch die dramatische Inszenierung steigt das Gefühl, das Risiko sei hoch und unmittelbar. Solche Gedanken sind manchmal schwer wieder abzuschütteln“, weiß Prof. Schulz. Forschungen zeigen zudem, dass starke Emotionen – etwa bei Sportereignissen oder aufwühlenden Sendungen – Herzrhythmusstörungen begünstigen können.
Deshalb rät er: Nach einem aufwühlenden TV-Abend nicht allein bleiben, Fakten abgleichen und aktiv entspannen – etwa durch ein Gespräch, ruhige Musik oder einen Spaziergang.
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Prof. Dr. Stefan M. Schulz
Prof. Dr. Phil. Stefan M. Schulz ist Dipl.-Psychologe und leitet den Lehrstuhl für Verhaltensmedizin und humanbiologische Grundlagen für die Gesundheitswissenschaften an der Universität Trier. Seine Forschungsschwerpunkte umfassen unter anderem Kardiopsychologie und Experimentelle klinische Psychologie.
Herzschrittmacher oder Defibrillator – was ist der Unterschied?
- Defibrillator (ICD)
Greift ein, wenn das Herz zu schnell oder chaotisch schlägt. Erkennt lebensbedrohliche Rhythmusstörungen und kann mit einem Stromstoß („Schock“) den normalen Rhythmus wiederherstellen.
Kurz gesagt: Herzschrittmacher helfen bei zu langsamem Herzschlag, Defibrillatoren schützen bei zu schnellem, gefährlichem Herzrhythmus.
Aufklärung ohne Angst
Wie sollten Ärztinnen und Ärzte mit Fragen zu Themen wie „Herzimplantate hacken“ umgehen? Prof. Duncker erklärt: „Wenn Patientinnen oder Patienten gezielt nach Cyber-Risiken fragen, was selten vorkommt, klären wir auf, dass solche Risiken prinzipiell bestehen, aber extrem unwahrscheinlich sind. Gleichzeitig betonen wir, dass der Gesamtnutzen der Therapie den theoretischen Risiken deutlich überlegen ist.“
Prof. Schulz empfiehlt, Sorgen in überprüfbare Fakten zu übersetzen, etwa mit der Zwei-Spalten-Technik: Links die Sorge notieren („Mein Defibrillator könnte gehackt werden“), rechts die belegte Realität („Bisher kein Schadenfall, regelmäßige Sicherheitsupdates“). So lässt sich Verunsicherung in Vertrauen umwandeln.
Wie können Patientinnen und Patienten über Cyber-Risiken informiert werden?
„Wir sollten Patientinnen und Patienten klar und verständlich erklären, dass es zwar theoretische Verwundbarkeiten gibt, diese aber extrem unwahrscheinlich sind. Wichtiger ist, dass Herzschrittmacher und Defibrillatoren zuverlässig funktionieren und Leben retten. Es braucht gute Informationsmaterialien, die auf Fakten beruhen – für Ärztinnen und Ärzte ebenso wie für Patientinnen und Patienten. So können wir Sorgen ernst nehmen und gleichzeitig Vertrauen schaffen“, sagt Prof. Duncker.
Auch Prof. Schulz betont die Bedeutung der Interdisziplinarität: Psychologinnen und Psychologen könnten Patientinnen und Patienten unterstützen, Ängste zu bewältigen und Technik verständlich zu erklären – während Kardiologie und IT-Sicherheit für die fachlichen Grundlagen sorgen.
Expertentipp
Wer nach der Tatort-Folge „Kammerflimmern“ verunsichert ist, sollte:
Unterstützung suchen: Wenden Sie sich an Ihre Kardiologin oder Ihren Kardiologen, Ihre Hausärztin oder Ihren Hausarzt, Ihre Psychologin oder Ihren Psychologen, wenn Sorgen und Ängste anhalten oder stärker werden.
Bei anhaltender psychischer Belastung wie Ängsten, Grübeln, Niedergeschlagenheit oder dem Verlust von Freude und Interessen: Erlauben Sie sich selbst, psychologische Unterstützung in Anspruch zu nehmen – denn frühzeitige Hilfe kann dazu beitragen, neue Wege im Umgang mit schwierigen Gefühlen zu finden.
IT-Sicherheit im Klinikalltag
„Klinisch müssen wir dennoch wachsam bleiben, was die IT-Infrastruktur insgesamt betrifft – insbesondere an den Schnittstellen zwischen Implantaten, Fernüberwachung und Kliniksystemen“, betont Prof. Duncker. „Gerade Krankenhaus-IT-Strukturen waren in der Vergangenheit immer wieder Angriffsziele für Hacker, was uns in der Patientenversorgung und Forschung viel konkreter bedroht. Hier sollten Kliniken, Länder und Bund in den Schutz der Klinikinfrastrukturen investieren.“
Fazit
Der Tatort sorgt für Spannung, die Realität für Einordnung: Implantierbare Defibrillatoren (ICDs) sind sichere und lebensrettende Geräte. Cyber-Risiken bestehen zwar, stellen für Patientinnen und Patienten bislang aber kein akutes Gefährdungsszenario dar. Die Diskussion über Cyber-Sicherheit hilft dennoch, vorbereitet zu sein, ohne Sorgen unnötig zu verstärken. Entscheidend bleibt, auf Fakten zu vertrauen. Cyber-Risiken für Herzimplantate sind damit ein wichtiges Thema – für Aufklärung, Forschung und eine sichere Versorgung, ohne Patientinnen und Patienten zu verunsichern.
FAQ: Cyber-Risiken bei Herzimplantaten
Theoretisch ja – es wurde in Tests gezeigt. In der Praxis gibt es aber bisher keinen einzigen bestätigten Fall, bei dem Patientinnen und Patienten dadurch zu Schaden kamen.
Nein. Massenhafte Anschläge wie im Film sind extrem unwahrscheinlich. Realistischer ist das Szenario einer Erpressung von Herstellerfirmen oder Klinik-IT.
Nein. Herzimplantate gelten als sehr sicher. Hersteller verbessern ihre Systeme regelmäßig, und Ärztinnen und Ärzte überwachen die Funktion.
Ja, aber mit Augenmaß. Wichtig ist eine ehrliche Information, ohne unnötig Ängste zu verstärken. Der Nutzen des Implantats steht klar im Vordergrund.
Sprechen Sie mit Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt über Sicherheitsmaßnahmen Ihres Geräts. Nutzen Sie verlässliche Informationsquellen – und lassen Sie sich nicht von reißerischen Schlagzeilen verunsichern.
Sprechen Sie mit Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt, wenn Sie Fragen zu Cyber-Risiken bei Herzimplantaten haben – und verlassen Sie sich auf geprüfte Informationen.