Die vollständige Revaskularisation von Patientinnen und Patienten mit STEMI ist eine klare IA-Empfehlung der aktuellen Leitlinien in Europa und den USA. Die hämodynamische Stabilität des Betroffenen vorausgesetzt, sollte dies nach bisheriger Datenlage sogar wenn möglich gleichzeitig oder zumindest zeitlich sehr eng verbunden mit der Versorgung der Culprit-Lesion erfolgen.
Die iModern-Studie verglich nun eine direkte, iFR-gesteuerte, komplette Revaskularisation mit einer zweizeitigen Revaskularisation basierend auf den Ergebnissen eines Stress-MRTs.
In der iMODERN-Studie wurden 1.146 Patientinnen und Patienten mit STEMI und mindestens einer nicht-ursächlichen Läsion in eine von 2 Gruppen randomisiert: Die eine Gruppe erhielt eine sofortige vollständige PCI, die durch iFR-gesteuert wurde (iFR-Gruppe), die andere Gruppe bekam eine verzögerte PCI, die auf Grundlage von Stress-MRT-Testergebnissen durchgeführt wurde (CMR-Gruppe). Bei den Personen in der iFR-Gruppe wurden alle Läsionen evaluiert, die eine Stenose >50 % zeigten. Eine Intervention erfolgte bei den Läsionen, die eine iFR ≤0,89 aufwiesen.
Die Personen in der CMR-Gruppe wurden innerhalb von 6 Wochen nach der ersten Behandlung mittels Stress-MRT nachuntersucht. Es erfolgte eine PCI der Läsionen, die sich im Stress-MRT als pathologisch erwiesen. Primärer Endpunkt war die Kombination aus allen Todesursachen, erneutem Myokardinfarkt (MI) oder Krankenhausaufenthalten aufgrund von Herzinsuffizienz nach 3 Jahren. Ausgelegt war die Studie auf eine Überlegenheit der iFR.
Es wurden insgesamt 1.146 Patientinnen und Patienten randomisiert, 77 % der Betroffenen waren männlich, das Durchschnittsalter betrug 63 Jahre. Nach 3 Jahren zeigten sich keine signifikanten Unterschiede in der primären Endpunktrate zwischen den iFR- und CMR-Gruppe (9,3 % vs. 9,8 %, HR 0,95; 95%KI [ 0,65; 1,40].
Allerdings war in der iFR-Gruppe das Risiko für eine Hospitalisierung aufgrund von Herzinsuffizienz signifikant niedriger (HR 0,24; 95%KI [0,07; 0,84]. Die Rate an ungeplanten Revaskularisationen und Stentthrombosen war in beiden Gruppen vergleichbar. Erwähnt werden muss, dass in der iFR-Gruppe doppelt so viele Patientinnen und Patienten eine positive nicht-ursächliche Läsion hatten und mehr als doppelt so viele von diesen entsprechend eine PCI erhielten (43,7 % vs. 21,8 %).
Die iMODERN-Studie zeigt, dass eine sofortige vollständige Revaskularisation von Personen mit STEMI und Mehrgefäß-KHK gesteuert durch iFR, keinen Vorteil bietet gegenüber einer verzögerten, auf CMR-Ergebnissen basierenden Revaskularisation. Damit wird die Notwendigkeit einer unmittelbaren kompletten Revaskularisation bei STEMI-Patientinnen und -Patienten mit Mehrgefäßerkrankung nun wieder in Frage gestellt.
Im Gesamtbild müssen jedoch die Ergebnisse mehrerer Studien berücksichtigt werden: Die zwei hierzu wichtigsten sind sicher die FLOWER-MI-Studie und die MULTISTARS-AMI-Studie. Die FLOWER-MI-Studie zeigte eine Gleichwertigkeit zwischen hämodynamisch gesteuerter Revaskularisation mittels FFR und angiographisch gesteuerter Revaskularisation bei STEMI-Betroffenen. Die MULTISTARS-AMI-Studie wiederum belegte eine Überlegenheit der sofortigen gegenüber einer zweizeitigen angiographisch geführten Revaskularisation der Nicht-Culprit-Läsionen 19–45 Tage nach dem Infarkt.
Die Einordnung der iMODERN-Ergebnisse ist daher komplex: FLOWER-MI randomisierte angiographisch gesteuert gegen FFR-gesteuert, die Ergebnisse von MULTISTARS-AMI beruhen rein auf angiographischer Beurteilung und die von iMODERN auf dem Vergleich iFR vs. Stress-CMR. So scheint die Frage nach der optimalen Strategie – sowohl hinsichtlich Zeitpunkt als auch Methodik der vollständigen Revaskularisation – wieder unbeantwortet.
Unter praktischen und gesundheitsökonomischen Gesichtspunkten (z. B. Verfügbarkeit und Kosten von MRT, zusätzlicher Aufwand einer hämodynamischen Messung) erscheint derzeit eine sofortige oder zeitnahe angiographisch geführte vollständige Revaskularisation weiterhin als die sinnvollste und pragmatischste Vorgehensweise.
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