Edoxaban bei Älteren niedriger dosieren?

 

ENGAGE AF-TIMI 48: Daten einer Posthoc-Analyse weisen daraufhin, dass Personen, die 80 Jahre oder älter sind, von einer reduzierten Edoxaban-Dosis (30 mg) im Vergleich zur empfohlenen Standard-Dosis (60 mg) profitieren könnten, auch wenn keine Kriterien für eine Dosisreduktion vorliegen. Doch was gilt für die klinische Praxis? Der Rubrikleiter Prof. Rolf Wachter kommentiert und empfiehlt eindringlich, Edoxaban weiterhin entsprechend der Zulassung zu dosieren.

Von:

Dr. Heidi Schörken

HERZMEDIZIN-Redaktion

 

Prof. Rolf Wachter

Rubrikleiter "Herz und Hirn"

 

23.07.2024

 

Bildquelle (Bild oben): Sebastian Kaulitzki / Shutterstock.com

Hintergrund und Methodik

 

Aus Angst vor Blutungen werden NOAK bei älteren Personen im klinischen Alltag häufig geringer dosiert als empfohlen, auch wenn keine Kriterien für eine Dosisreduktion vorliegen, wie beispielsweise eine eingeschränkte Nierenfunktion. Diese Strategie kann allerdings auch den Schutz vor Schlaganfällen reduzieren und somit fatale Folgen haben. In der Posthoc-Analyse der ENGAGE-AF-TIMI-48-Studie wurde untersucht, ob Über-80-jährige von einer reduzierten Edoxaban-Dosis (30 mg) profitieren.


ENGAGE AF-TIMI 48 (Effective Anticoagulation With Factor Xa Next Generation in Atrial Fibrillation-Thrombolysis in Myocardial Infarction 48) war eine doppelblinde Parallelgruppen-Studie, in der Personen mit Vorhofflimmern randomisiert entweder Edoxaban (60 mg oder 30 mg) oder Warfarin erhielten. In der vorliegenden Posthoc-Analyse wurden die Daten der Über-80-jährigen mit oder ohne Kriterien für eine Dosisreduktion ausgewertet und folgende Gruppen miteinander verglichen: 60 mg vs. 30 mg Edoxaban (ohne Kriterien für eine Dosisreduktion) und 30 mg Edoxaban vs. Warfarin (mit oder ohne Kriterien für eine Dosisreduktion).

Ergebnisse

 

Insgesamt gingen Daten von 2.966 Personen ≥ 80 Jahre in die Analyse ein (Durchschnittsalter 83±2,7 Jahre; 56 % Männer), darunter 1.138 Personen ohne Kriterien für eine Dosisreduktion. In dieser Gruppe wurde für 60 mg vs. 30 mg Edoxaban ein signifikant höheres Risiko für schwere Blutungen (HR 1,57; 95%-KI 1,04–2,38) und schwere GI-Blutungen (HR 2,24; 95%-KI 1,29–3,90) festgestellt. Dagegen wurde kein Unterschied für das primäre klinische Outcome (Schlaganfall, systemisches embolisches Ereignis, schwere Blutungen oder Gesamttod) beobachtet.
Bei den Personen mit oder ohne Kriterien für eine Dosisreduktion war die niedrige Edoxaban-Dosis (30 mg) günstiger gegenüber Warfarin im Hinblick auf: das primäre klinische Outcome (HR 0,78; 95%-KI 0,68–0,91), größere Blutungen (HR 0,59; 95%-KI 0,45–0,77) und Tod (HR 0,83; 95-% KI 0,70–1,00), während die Rate von Schlaganfällen oder systemischen Embolien vergleichbar war.

Fazit

 

In dieser Posthoc-Analyse profitierten über-80-jährige Personen mit Vorhofflimmern von der niedrigeren Edoxaban-Dosis (30 mg) im Vergleich zur Standarddosis (ohne Kriterien für eine Dosisreduktion) sowie im Vergleich zu Warfarin (mit oder ohne Kriterien für eine Dosisreduktion) durch ein geringeres Blutungsrisiko bei einem vergleichbaren Schutz vor ischämischen Ereignissen.


Diese Ergebnisse könnten die Strategie unterstützen, bei älteren Personen mit Vorhofflimmern die niedrigere Edoxaban-Dosierung von 30 mg einzusetzen, auch wenn keine Kriterien für eine Dosisreduktion vorliegen. Allerdings können diese Daten nicht auf andere NOAK übertragen werden. So war die Unterdosierung von Apixaban und Rivaroxaban beispielsweise mit einer schlechteren Schlaganfallprävention verbunden, wie Beobachtungsstudien zeigten.

Expertenkommentar

 

Die Daten aus der vorliegenden Subgruppenanalyse legen nahe, dass bei Patientinnen und Patienten mit Vorhofflimmern, die 80 Jahre oder älter sind, generell die niedrigere Edoxaban-Dosis (30 mg) besser als die Standard-Dosis (60 mg) ist. Doch Vorsicht! Die älteren Patientinnen und Patienten in ENGAGE AF-TIMI 48 sind hochselektioniert und entsprechen nicht dem Behandlungsdurchschnitt von 80-Jährigen! Für klare Behandlungsempfehlungen brauchen wir randomisierte Studien für exakt diese Patientenkollektive. Und die können mitunter völlig unerwartete Ergebnisse liefern: Die FRAIL-AF-Studie zeigte letztes Jahr bei 1.330 gebrechlichen Patientinnen und Patienten, die 75 Jahre und älter waren, mehr Blutungen durch Umstellung auf ein direktes Antikoagulans im Vergleich zu einer Fortführung des Vitamin-K-Antagonisten.2 Deshalb gilt weiterhin: Antikoagulation mit Edoxaban entsprechend der Zulassung.

Zur Person

Prof. Rolf Wachter

Prof. Rolf Wachter ist stellvertretender Direktor der Klinik und Poliklinik für Kardiologie am Universitätsklinikum Leipzig. Seine klinische Tätigkeit umfasst die gesamte Kardiologie mit Schwerpunkten in der interventionellen Kardiologie und der Herzinsuffizienz. Zusätzlich nimmt er diverse Funktionen in wissenschaftlichen Fachgesellschaften wahr.

Prof. Rolf Wachter
Bildquelle: Universitätsklinikum Leipzig

Referenzen

 

  1. Zimerman A et al. Dose Reduction of Edoxaban in Patients 80 Years and Older With Atrial Fibrillation: Post Hoc Analysis of the ENGAGE AF-TIMI 48 Randomized Clinical Trial. JAMA Cardiol. 2024 Jul 10:e241793. doi: 10.1001/jamacardio.2024.1793
  2. Joosten LPT et al. Safety of Switching From a Vitamin K Antagonist to a Non-Vitamin K Antagonist Oral Anticoagulant in Frail Older Patients With Atrial Fibrillation: Results of the FRAIL-AF Randomized Controlled Trial. Circulation. 2024 Jan 23;149(4):279-289. doi: 10.1161/CIRCULATIONAHA.123.066485. Epub 2023 Aug 27. PMID: 37634130

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