Der 88-Jährige befand sich – abgesehen von einer leichten Obstipation, einer zurückliegenden Episode von Angina pectoris sowie einer diagnostizierten Alzheimer-Erkrankung – in insgesamt „exzellentem“ Allgemeinzustand. Trotz kognitiver Einschränkungen konnte der tägliche Konsum von 20 bis 30 Eiern über mindestens 15 Jahre durch medizinisches und pflegerisches Personal bestätigt werden; ein langjähriger Freund berichtete von einer noch längeren Dauer. Das ungewöhnliche Ernährungsverhalten war zwanghaft; mehrere Versuche, dieses Essverhalten therapeutisch zu beeinflussen, blieben erfolglos.
Trotz seiner enorm cholesterinreichen Ernährung – geschätzt rund 12.953 µmol Cholesterin täglich – lagen die Cholesterinwerte im Serum des Mannes vergleichsweise niedrig, wenn auch nach heutigem Stand im erhöhten Bereich: Gesamtcholesterin 5,18 mmol/L (200 mg/dL), LDL-C bei 3,68 mmol/L (142 mg/dL), HDL-C bei 1,17 mmol/L (45 mg/dL).
Die Forschenden nutzten Isotopenmessungen, um den Cholesterinstoffwechsel des Mannes zu untersuchen. Dabei zeigten sich zwei physiologische Besonderheiten:
- Reduzierte intestinale Cholesterinresorption: Der Mann nahm nur etwa 18 % des zugeführten Cholesterins tatsächlich auf – im Vergleich zu 46–55 % bei gesunden Vergleichspersonen unter cholesterinreicher bzw. -armer Diät.
- Gesteigerte Gallensäuresynthese: Die Umwandlung von Cholesterin zu Gallensäuren war bei dem Mann gegenüber den Vergleichspersonen nahezu verdoppelt. Er synthetisierte täglich rund 1.513 µmol Gallensäuren, die Vergleichsprobanden bei cholesterinarmer Ernährung 766 μmol pro Tag und bei cholesterinreicher Ernährung 812 μmol pro Tag.
Dazu kam vermutlich eine moderat verringerte Cholesterinsynthese und eine gesteigerte biliäre Sekretion. Insgesamt führte dies bei der untersuchten Person dazu, dass kaum Nahrungscholesterin zur Erhöhung des Plasmaspiegels oder zur Ablagerung in der Gefäßwand zur Verfügung stand.
Der besondere Fallbericht veranschaulicht, dass der Cholesteringehalt der Nahrung nur indirekt mit der Cholesterin-Serum-Konzentration korreliert. Der Cholesterin-Transport in der Darmwand und der Stoffwechsel der Lipoproteine in der Leber sind hochregulierte, dynamische Prozesse. Wesentliche Stellgrößen der Cholesterin-Homöostase sind genetisch determiniert. Als Beispiel liegt bei der Familiären Hypercholesterinämie (hohe Prävalenzrate, in der heterozygoten Form ca. 1 : 250) häufig eine Punktmutation im LDL-Rezeptor vor. Betroffene Personen haben daher auch bei cholesterinarmer Ernährung hohe LDL-C-Spiegel.
Der Effekt der Nahrung auf das Serum-Cholesterin wird häufig überschätzt und hängt vom Ausgangszustand ab. Bei Übergewicht und grober Fehlernährung kann eine Gewichtsreduktion und Ernährungsumstellung in Einzelfällen eine 20–30%ige langfristige LDL-C-Reduktion ermöglichen. Im Mittel wird jedoch das LDL-C auch durch die massive Maßnahme der Umstellung von einer Mischkost auf eine vegetarische oder vegane Kost nur um 0,3 mmol/L (12 mg/dL) gesenkt; dieser Wert liegt unter der analytischen Schwankung der Messung.2 Leider ist daher in der Regel auch bei motivierten Personen der Effekt einer Ernährungsumstellung auf das Serum-Cholesterin gering.
Ein häufiger Irrtum betrifft Empfehlungen zu den Bestandteilen der Mittelmeer-Diät, die leider nachweislich keinen Effekt auf das Serum-LDL-C hat.3 Alte epidemiologische Studien zur Assoziation eines hohen regelmäßigen Eier-Konsums mit kardiovaskulärem Risiko sind durch eine unzureichende Adjustierung für Sozial-Status und andere Lebensstilfaktoren eingeschränkt und geben natürlich keine Information für einen gelegentlichen Eier-Konsum.
Fazit: Das Osterei ist schon lange „rehabilitiert“. Lebensfreude und Geselligkeit sind kardio-protektiv. Frohe Ostern!
Zur Übersichtsseite Prävention