Was sind Anlass und Ziel der Publikation?
Im Herbst 2024 sind die neuen ESC-Leitlinien zum Management von Vorhofflimmern publiziert worden. Sie legen über die Rhythmusstörung allein großen Wert auf eine ganzheitliche Betrachtung des Betroffenen mit seinen Komorbiditäten und dynamischer Krankheitsentwicklung. Zentrale Punkte und Neuerungen werden aus der Sicht des Deutschen Gesundheitssystems und täglicher Praxis von Expertinnen und Experten in der DGK aus den verschiedenen Bereichen der Vorhofflimmertherapie eingeordnet und kommentiert.
Was sind die wichtigsten Take-Home Messages?
- Das AF-CARE-Prinzip bietet einen strukturierten, zeitlich orientierten Ansatz zur Behandlung von Vorhofflimmern, basierend auf 4 zentralen Säulen: Komorbiditäten erkennen und behandeln, Antikoagulation zur Schlaganfallvermeidung, Rhythmus- und
Frequenzkontrolle zur Symptomlinderung, sowie Evaluation und Re-Evaluation zur Anpassung der Therapie im Krankheitsverlauf. Der patientenzentrierte AF-CARE-Ansatz betont die individuelle Betreuung und die Notwendigkeit dynamischer Anpassungen über die Zeit
hinweg.
- Zur Prävention von Schlaganfällen bei Vorhofflimmern sind direkte orale Antikoagulanzien (DOAK) Vitamin-K-Antagonisten vorzuziehen, außer bei Betroffenen mit mechanischen Herzklappen oder mäßiger bis schwerer Mitralstenose. Eine Dosisreduktion erfolgt nur bei Erfüllung klar definierter Kriterien. Thrombozytenaggregationshemmer sind keine Alternative zur Antikoagulation und sollten nicht kombiniert mit Antikoagulanzien zur Schlaganfallprävention eingesetzt werden.
- Bei symptomatischem Vorhofflimmern erfolgt die Wahl zwischen Frequenz- und Rhythmuskontrolle individuell. Ziel der Frequenzkontrolle ist eine Ruhefrequenz <110/min. Zur Rhythmuskontrolle kommen Antiarrhythmika oder die Katheterablation infrage. Letztere ist erste Wahl bei symptomatischem paroxysmalem Vorhofflimmern und bei Versagen der medikamentösen Therapie eines persistierenden Vorhofflimmerns – insbesondere bei reduzierter LVEF.
Abb.: Zentrale Aspekte der neuen Leitlinie. (Schnabel et al. 2025)
Was sind Herausforderungen bei der Umsetzung und mögliche Lösungen?
Eine schnellstmögliche Umsetzung der auf guter Evidenz beruhenden Leitlinien in die klinische Praxis ist wünschenswert. Dazu wird die Patientenversion der Leitlinien in allgemeinverständlicher Sprache beitragen. Der holistische Ansatz in der Betreuung von Vorhofflimmerpatientinnen und -patienten erfordert sektorenübergreifende Ressourcen, die aufgebracht werden müssen.
Welche Punkte sind offengeblieben?
Stärker betont werden sollte die Verhinderung der Entstehung von Vorhofflimmern durch Adressierung von bekannten Risikofaktoren. Aus DGK-Sicht sollte die frühe rhythmuserhaltende Therapie, die mittlerweile eine solide Evidenzlage aufweist, klinisch wie prognostisch bei vielen Behandelten zur Reduktion der Symptomatik und zum Verhindern einer Progression des Vorhofflimmerns favorisiert werden.
Ausblick: Welche Entwicklungen zum Thema zeichnen sich ab?
In fast allen Bereichen der Vorhofflimmertherapie wird es in naher Zukunft aktuelle, randomisierte Studien geben. Diese werden in den Leitlinien aufgeführt und haben das Potential, die tägliche Praxis evidenzbasiert über die 2024er-Leitlinien hinaus zu beeinflussen, beispielsweise Studien zur Vorhofohrokklusion, frühen Ablation bei der häufigen Gruppe von Betroffenen mit Herzinsuffizienz und erhaltener Pumpfunktion neben neuen Ablationsdevices und Techniken.
DGK-Kommentar zu den Leitlinien der ESC (2024) zum Management von Vorhofflimmern
Literaturnachweis:
Schnabel R. B.., Gunawardene M. A., Perings C. A., et al.
DGK-Kommentar zu den Leitlinien der ESC (2024) zum Management von Vorhofflimmern
Kardiologie (2025). https://doi.org/10.1007/s12181-025-00749-5