Verschiedene Faktoren spielen eine wichtige Rolle. Ein zentrales Thema ist zum Beispiel die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Viele Ärztinnen befinden sich zum Zeitpunkt einer möglichen Niederlassung in einer Lebensphase, die durch Familiengründung geprägt ist. Die Sorge, den Ansprüchen einer eigenen Praxis nicht gerecht werden zu können – etwa aufgrund unvorhersehbarer Arbeitszeiten, unternehmerischer Verantwortung und fehlender Vertretungsmöglichkeiten – wirkt oft abschreckend und limitierend.
Ein weiterer Aspekt ist die fehlende Anzahl oder die fehlende Sichtbarkeit weiblicher Vorbilder. Erfolgreiche Praxisgründerinnen sind oft nicht in der Fachöffentlichkeit oder in der Ausbildung präsent. Das Bild des selbstständigen Arztes ist noch immer weitestgehend männlich geprägt. Dies beeinflusst – zum Teil sicher unterbewusst – die Selbstwahrnehmung junger Ärztinnen und deren Mut, den Weg der Selbstständigkeit zu wählen.
Hinzu kommen mangelnde betriebswirtschaftliche Kenntnisse, die im Medizinstudium nicht vermittelt werden. Viele Ärztinnen (wie auch ihre männlichen Kollegen) fühlen sich nicht ausreichend auf die Anforderungen einer Praxisführung vorbereitet. In Verbindung mit Perfektionismus und dem Anspruch, alle Bereiche hundertprozentig zu beherrschen, führt dies dazu, dass Frauen oft länger zögern oder sich gar nicht erst trauen, den Schritt in die Selbstständigkeit zu gehen.
Um mehr Ärztinnen für die Niederlassung zu gewinnen, wären verschiedene Maßnahmen hilfreich bzw. notwendig:
- Gezielte Mentoring-Programme: Erfahrene Ärztinnen, die bereits eine Praxis gegründet haben und führen, können als Mentorinnen junge Kolleginnen begleiten, die den Schritt ebenfalls wagen wollen. Der Austausch über Erfahrungen, Hürden und Lösungen stärkt das Selbstvertrauen und kann realistische Perspektiven eröffnen.
- Frühe Integration betriebswirtschaftlicher Inhalte: Bereits im Studium und während der Facharztausbildung aber auch auf Kongressen, sollten ökonomische Themen, Vertragsrecht und Personalführung stärker berücksichtigt und integriert werden – idealerweise praxisnah und interaktiv.
- Flexible Praxismodelle: Gemeinschaftspraxen, Jobsharing oder überörtliche Kooperationen würden für mehr Flexibilität und einen leichteren Einstieg sorgen. Frauen sollten gezielt über solche Modelle informiert werden und bei der Umsetzung Unterstützung erhalten können.
- Sichtbarkeit erfolgreicher Ärztinnen erhöhen: Vorbilder machen Mut. Fachgesellschaften, Kammern und Medien können dazu beitragen, erfolgreiche Praxisgründerinnen sichtbarer zu machen – z. B. durch Porträts, Interviews oder Panels auf Kongressen.
- Strukturelle Rahmenbedingungen verbessern: Eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf – etwa durch verlässliche Kinderbetreuung, Vertretungsnetze oder digitale Lösungen – ist grundlegend, um Chancengleichheit bei der Niederlassung herzustellen.
Der Weg in die eigene Praxis ist für viele Frauen machbar – aber oft mit höheren Hürden verbunden als für Männer. Es braucht Mut, aber vor allem Unterstützung: durch Strukturen, durch Vorbilder und durch gezielte Förderung. Denn eine größere Diversität in der ambulanten Versorgung ist nicht nur ein Gewinn für die Ärztinnen selbst, sondern auch für Patientinnen und Patienten sowie das gesamte Gesundheitssystem.
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