Ein entscheidender Aspekt in der Neudefinition und Diagnose der Adipositas ist die Unterscheidung zwischen präklinischer Adipositas und klinischer Adipositas. Diese neue Einteilung hat große Bedeutung für die klinische Versorgung aber auch für gesundheitspolitische Fragen und das Verständnis von Adipositas in der Gesellschaft.
Die oftmals mit einem Stigma verbundene Auffassung, dass Adipositas vor allem darauf beruht, dass jemand zu viel isst und sich zu wenig bewegt, spiegelt das gegenwärtige Verständnis der Entstehung der Adipositas in keinster Weise wider und wird den Betroffenen nicht gerecht. Somit ist die neue Definition ein richtiger Schritt zu einem besseren Verständnis der Komplexität der Adipositas und der Notwendigkeit, Adipositas als Erkrankung zu begreifen, bei der es zu Fetteinlagerungen und pathologischen Veränderungen in verschiedenen Organen kommt. Diese klinischen Manifestationen einer Adipositas sind unabhängig von den zugrunde liegenden Ursachen, die zum Beispiel hormonelle Genese oder auch genetisch determiniert sein können. Dieser Schritt ist wichtig, um die fortwährende Stigmatisierung von Menschen mit Adipositas zu beenden.
Daher spielen in der praktischen Umsetzung der vorgeschlagenen Diagnosekriterien für die klinische Adipositas vor allem Komorbiditäten eine besondere Rolle. Es fehlen aber aktuell einfache, klinisch zu erhebende Parameter, die im Alltag jenseits des BMI gut umsetzbar sind. Allein die anthropometrische Messung des Taillenumfangs gestaltet sich im klinischen Alltag oft schwierig und wird – obwohl seit Jahren bekannt – nur unzureichend verwendet. Vor diesem Hintergrund ist das Expertendokument auch von entscheidender Bedeutung, um die Notwendigkeit weiterer Forschung in diesem Bereich zu hervorzuheben.