„Es geht darum, die Patientinnen und Patienten zu überzeugen, dass es Sinn macht, etwas an der Ernährung zu tun“, sagte Prof. Stefan Lorkowski, Ernährungswissenschaftler von der Universität Jena. Eine umfassende Ernährungsberatung sei in der kurzen Zeit für Kardiologinnen und Kardiologen nicht umsetzbar und auch nicht die Aufgabe, aber die Betroffenen könnten sensibilisiert werden, dass eine ausgewogene Ernährung einen Gewinn von mehr als 10 Lebensjahren ermöglichen könne. Der Referierende verwies dafür auf eine norwegische Modellierungsstudie auf Basis der Global Burden of Disease Study.2,3 Weiter gehend könnten die Behandelnden budgetneutral eine ärztliche Notwendigkeitsbescheinigung zur Ernährungsberatung/-therapie ausstellen, was den Betroffenen eine Bezuschussung oder Kostenerstattung durch die Krankenkasse ermögliche.
Die Ernährungsberatung ist sowohl in der Primärprävention bei Fehl-, Mangel- und Überernährung als auch in der Sekundär- und Tertiärprävention zur Folgenminderung einsetzbar (§43 Abs. 1 Nr. 2 SGB V; §20 Abs. 1 SGB V). Für die ärztliche Notwendigkeitsbescheinigung, die das Heilmittelbudget nicht belastet, ist kein besonderes Formular notwendig. Diese könne per Rezept, Überweisung oder Attest erfolgen, so Lorkowski, wobei er online frei zugängliche Musterformulare empfehle, da dort alle relevanten Angaben gelistet seien.
Die große Hürde sei, dass die Betroffenen noch vor Beginn der Maßnahme zusätzlich zur Notwendigkeitsbescheinigung einen Kostenvoranschlag bei einer qualifizierten Ernährungsberatung einholen und dann beide Dokumente zwecks Bezuschussung oder Erstattung bei der Krankenkasse einreichen müssen. „Ich sehe die Aufgabe der Ärztinnen und Ärzte darin, den Betroffenen klarzumachen, dass sie diese Hürde meistern müssen, weil es den Personen wirklich Gesundheit bringt, nicht nur bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen, sondern auch bei allen anderen Erkrankungen.“
Als Indikationsbeispiele für die ärztliche Notwendigkeitsbescheinigung nannte der Referierende:
- Adipositas/Übergewicht
- Hypertonie
- Arteriosklerose/KHK
- Diabetes mellitus Typ 1 und 2
- Fettleber
- Fettstoffwechselstörungen
Wichtige Angaben auf der ärztlichen Notwendigkeitsbescheinigung für die Ernährungsberatung seien insbesondere:
- LDL-C, Triglyceride, Gesamt-C
Bei Dyslipidämien ggf. präzise Diagnose notwendig: z. B. familiäres Chylomikronämie-Syndrom (FCS)
- Blutdruck
- HbA1c, Insulinpflichtigkeit ja/nein
- Relevante Medikation
Nach Freigabe durch die Krankenkasse können die Betroffenen 5–6 Beratungseinheiten in Anspruch nehmen, bei Adipositas (BMI > 30) häufig 10 Einheiten, wo Wissen rund um Lebensmitteleinkauf, -zubereitung und -verzehr vermittelt wird.
Zu viel Energie, zu viel zugesetzter Zucker und raffinierte Stärke, zu viel an gesättigtem Fett, Cholesterol, Kochsalz, Softdrinks, hochverarbeiteten Lebensmitteln und mehr – Lorkowski zeigte eine lange Liste möglicher Fehlerquellen bei der Ernährung, die Lebensjahre und -qualität kosten kann. Ziel der Ernährungsberatung sei eine ausgewogene Ernährung in Vollkostform, wie die vollwertige Ernährung gemäß der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE), vegetarische Kost oder mediterrane Kost, zur bedarfsgerechten Energie- und Nährstoffzufuhr laut DACH-Referenzwerten. Auf Basis dessen könne die Ernährung an individuelle Besonderheiten und das kardiometabolische Risikoprofil angepasst werden. Orientierung gebe der Leitfaden Ernährungstherapie in Klinik und Praxis (LEKuP).4
In Abhängigkeit von den Risikofaktoren seien unterschiedliche Modifikationen der Ernährung sinnvoll:
Der Tagungspräsident von Kardiologie Aktuell im Rahmen der DGK-Herztage, Prof. Ulrich Laufs, zeigte sich von den 5-Minuten-Praxistipps der Expertinnen und Experten zu Ernährung, Stressabbau, Bewegung und Nikotinstopp begeistert. Auch wenn das Gesundheitssystem die Präventionsberatung nicht ausreichend honoriere, gelte aus medizinischer Sicht:
"Nihilismus ist nicht angesagt, wir können da wirklich etwas erreichen."