Sprechstunden-Tipps zu Prävention: 5 Minuten für … Bewegung!

 

Oft bleiben in der Sprechstunde nur wenige Minuten für die einzelnen Patient:innen. Auf den DGK-Herztagen 2023 präsentierten erfahrene Expert:innen in der Session „Nur 5 Minuten Zeit in der Sprechstunde – Was ist das Wirksamste für die Prävention?“ praktische Tipps, um die knappe Zeit optimal zu nutzen. Prof. Martin Halle teilte seine Empfehlungen rund um Bewegung und Sport.

 

Bildquelle (Bild oben): Elena Dijour / Shutterstock.com

Von:

Martin Nölke

HERZMEDIZIN-Redaktion

 

09.10.2023

Anhand von Original-Notizen, Fotos und Videos aus seinem Praxisalltag veranschaulichte Prof. Martin Halle von der Technischen Universität München seine Herangehensweisen in der präventiven Beratung:

7 Empfehlungen für effektive 5 Minuten in der bewegungsbasierten Prävention

1) Messungen objektivieren

 

Für eine objektive Einschätzung könne man beispielsweise Langzeit-EKG und -Blutdruck-Messung mit Aktivitätssensoren bzw. Schrittzählern kombinieren, um herauszufinden, wo die Patient:innen bewegungstechnisch stehen – laufen sie 2000 oder 5000 Schritte am Tag?


Auf Basis dessen könne den Patient:innen die Frage gestellt werden: „Was möchten Sie als Nächstes tun? Wie viele Schritte mehr wollen Sie gehen?“ Das Wort „müssen“ sieht Halle als ein absolutes No-Go in der Beratung und setzt auf eine Kommunikation, welche die Patient:innen einbezieht.

Diskussionsrunde zur Präventionsberatung - DGK Herztage 2023 V. l. n. r.: Prof. Stephan Gielen (Detmold), Dr. Annette Birkenhagen (Stollberg/Erzgebirge), Prof. Stephan H. Schirmer (Kaiserslautern), Prof. Stefan Lorkowski (Jena), Prof. Ingrid Kindermann (Homburg/Saar) und Prof. Martin Halle (München) diskutierten auf den DGK-Herztagen 2023 zu effizienter Präventionsberatung. Bildquelle: Martin Nölke / HKM

2) Empfehlungen visualisieren

 

Der Referent zeigte Skizzen, die er während der Beratung anfertigt, um den Patient:innen Sachverhalte zu erklären. Auch ein elastisches Fitnessband setze er ein, um zu zeigen, wie die Arterien versteifen können. Damit die Patient:innen nichts vergessen, erhalten sie die wichtigsten Infos in schriftlicher Form.

3) Niedrige Hürden wählen

 

Patient:innen, die sich kaum bewegen, erzielen bereits mit 10 min Walking am Tag einen enormen Gesundheitsvorteil, so Halle. 3 Stunden Jogging pro Tag bringe im Vergleich dazu kaum mehr aufgrund abnehmender additiver Effekte. Daher sei es sinnvoll, die Patient:innen möglichst niedrigschwellig selbst ihre Bewegungsziele setzen zu lassen: „Wie viele Schritte können und wollen Sie pro Tag gehen?“  statt „10.000 Schritte oder 30 Minuten pro Tag sind empfohlen!“

4) Etablierten Trainingsprinzipien folgen

 

Zur Erstellung von Trainingsplänen gäbe es etablierte Prinzipien, die sich auf unterschiedliche Leistungsniveaus anwenden lassen. Daraus ergäben sich sinnvolle Abfolgen für Bewegungseinheiten wie Walking und Intervalltraining oder Ruhetage sowie für spezifische Empfehlungen zur Intensität anhand der Herzfrequenz.

5) Schrittweises Vorgehen und gezielte Anweisungen

 

Halle zeigte das Beispiel eines „Rezeptes für Bewegungstherapie“. Es schaffe Verbindlichkeit, indem es schriftlich die Bewegungsziele für die Patient:innen festhalte: welche Bewegungs- und Sportarten wie häufig pro Woche, wie lange pro Einheit und bei welchem Trainingspuls. Der Referent erinnerte daran, dass die Ziele nicht durch Arztempfehlung, sondern durch Selbsteinschätzung der Patient:innen festgelegt werden sollten.

6) Informationen auf ein Minimum reduzieren

 

„Ganz klare Schwarz-und-weiß-Empfehlungen weitergeben“, riet Halle, maximal 3 Informationen pro Visite.

7) Mit den Patient:innen Sport machen

 

Ein Video zeigte, wie Halle mit einer Patientin den Flur entlangläuft. Die Patient:innen wüssten häufig nicht, wie Walking, Tripp-Trapp-Laufen oder Intervalltraining gehe, so Halle – also einfach zeigen! Es koste nur eine Minute und gebe den Patient:innen ganz neue Informationen. Und die erste Trainingseinheit sei bereits absolviert.


Außerdem sollte eine realistische Teststrecke für die Patient:innen erfragt werden: „Was wäre eine Strecke, die Sie täglich für die nächsten 6 Wochen gehen können?“

Weitere Ansatzpunkte: die „10er Liste“ und die Stopper-Detektion

 

Um bessere Anreize zu schaffen und die Patient:innen zum Nachdenken zu bringen, lasse er sie gern als Hausaufgabe 10 Gründe aufschreiben, warum sie abnehmen (oder sich mehr bewegen) wollen, sagte Halle. In der Liste fänden sich griffigere Motivationsgründe als Blutdruck oder Cholesterin, zum Beispiel „ein Vorbild für die Kinder sein“.


Außerdem sei es hilfreich, die „Stopper“ zu erkennen, die die Patient:innen von Bewegung und Sport abhalten – z. B. Kinder versorgen, zu viele Termine – und anhand dessen Tipps zu geben, beispielsweise die Kinder bei der Bewegungseinheit mitnehmen oder früher aufstehen.

Diskussion & Fragen

 

Die Diskussionsrunde beleuchtete weitere Aspekte:

 

Der Vorsitzende der Session, Prof. Stephan H. Schirmer, der eine kardiologische Praxis in Kaiserslautern betreibt, sprach das Thema „Weekend Warrior“ an. Wer nur am Wochenende Zeit habe für Bewegung und Sport, solle es nur am Wochenende machen, so Halle. Neue Daten würden ähnliche Gesundheitseffekte zeigen wie bei gleichmäßig verteilten Einheiten. Für einen „Trainings“-Effekt empfehle er jedoch, dann zumindest am Mittwoch eine hochintensive Einheit einzubauen, die nur 10 Minuten dauern müsse.


Mit „Froh- statt Drohmedizin“ kommentierte die Vorsitzende, Dr. Annette Birkenhagen, Niedergelassene in Stollberg/Erzgebirge, den vorgestellten Motivationsansatz. Halle sagte, der Prävention müsse mehr Leichtigkeit gegeben werden.


Prof. Stephan Gielen vom Uniklinikum OWL erinnerte (mit einem Augenzwinkern)  an den kompetitiven Anlass der Sitzung, nämlich dass die verschiedenen Präventionsmaßnahmen – Nikotinstopp, Bewegung, Ernährung, Stressabbau – zeitlich in Konkurrenz stünden. Gemäß Meta-Analysen könnten Rauchende durch einen Nikotinstopp 15 Lebensjahre gewinnen, dagegen würden Bewegungsinterventionen im Optimalfall 3 zusätzliche Lebensjahre ermöglichen. Daher hätte der Nikotinstopp Priorität.

Fazit

 

Halle wies darauf hin, dass sich die vorgestellten Tipps nicht nur auf den Bereich Bewegung, sondern auch auf viele andere medizinische Maßnahmen übertragen lassen. Seinen Vortrag schloss er mit den Worten:

 


„Lebensstil ändert sich nicht in der Ambulanz, sondern im Kopf und zu Hause!“

Referenzen

 

Halle M. 5 Minuten Zeit für Prävention — Rezept für Bewegung. Vortrag in der Sitzung: Nur 5 Minuten Zeit in der Sprechstunde – Was ist das Wirksamste für die Prävention? DGK Herztage 2023, 05.—07.10.2023, Bonn.

Weiterführende Links

Zur Übersichtsseite "Berichterstattung DGK Herztage 2023"

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