Anhand verschiedener Studien zeigte Kindermann Zusammenhänge zwischen übermäßigem Stress und KHK, Herzinsuffizienz, Myokardinfarkt (INTERHEART-Studie) sowie vaskulären Entzündungen auf. So könne Stress zur Rekrutierung von Leukozyten sowohl in die gesunde als auch in die arteriosklerotische Gefäßwand führen und die Destabilisierung von Plaques fördern. Insgesamt seien die negativen Auswirkungen von Stress vergleichbar mit denen anderer kardiovaskulärer Risikofaktoren:2
Zur Entwicklung von „Coping“-Strategien verwies Kindermann auf die drei Ebenen des Stressgeschehens, die gleichzeitig Ansatzpunkte für die Stressbewältigung seien:
- die Stressoren,
- die persönlichen Stressverstärker
- und die Stressreaktion.3
Stressoren sind externe, situative Faktoren, wie beispielsweise Leistungsanforderungen, Arbeitslast, soziale Konflikte oder Zeitdruck. Hier setzt das instrumentelle Stressmanagement an, z. B. Zeitplanung oder Priorisierung.
Unter persönliche Stressverstärker fallen beispielsweise Ungeduld, Perfektionismus, Kontrollstreben oder Einzelkämpfertum. Daraus ergibt sich eine individuelle Wahrnehmung und Interpretation: "Es ist von Person zu Person unterschiedlich, was wir als Stress empfinden und in welchem Ausmaß", sagte Kindermann. Beim mentalen Stressmanagement geht es deshalb z. B. um Einstellungsänderung, positive Selbstinstruktion, Relativieren und Distanzieren sowie Sinngebung.
Die Stressreaktion besteht aus körperlicher, emotionaler, mentaler und verhaltensbezogener Aktivierung. Ansatzpunkt ist hier das regenerative Stressmanagement, z. B. Entspannungstraining, Sport und Bewegung, Pflege von Hobbys sowie ausreichende Pausen.
Als Kurzinterventionen zur Stressbewältigung empfahl die Referentin:
- Distanz gewinnen: Vogelperspektive einnehmen
- Spontane Erleichterung: tief durchatmen, mal ausstrecken, Kurzentspannung
- Positive Selbstgespräche: sich ermutigen, beruhigen, Ruhe bewahren
- Wahrnehmungslenkung: Aufmerksamkeit auf etwas anderes lenken, z. B. aus dem Fenster schauen; auf das Wesentliche konzentrieren
- Abreagieren durch körperliche Aktivität („sich auspowern“), sich Aussprechen
Zur mittel- und langfristigen Intervention bei Stress gab Kindermann folgende Empfehlungen:
- Entspannungstechniken erlernen, z. B. Yoga, Qigong, Tai Chi oder autogenes Training; viele Krankenkassen würden entsprechende Kurse bezahlen; außerdem verwies Kindermann auf eine Studie zur Effektivität von Yoga bei Vorhofflimmern4
- Zufriedenheitserlebnisse: altes Hobby wieder beleben
- Ausgleichstätigkeiten, Sport und Bewegung
- Soziale Kontakte: Freundschaften, Kontakte pflegen, Hilfe suchen und annehmen
- Zeitmanagement: Kalender führen, Pufferzeiten einrichten, Pausengestaltung („Ich habe jetzt einen Termin mit mir!“)
- Einstellungsänderung: eigene Ansprüche überprüfen, hinterfragen, umdenken („Ich muss nicht perfekt sein!“)
- Problemlösung: Lösungen sammeln, erreichbare Ziele setzen
- Qualifikation/Fertigkeiten: Fortbildung, berufliche Interessen pflegen
- Resilienz fördern, z. B. Optimismus trainieren
Kindermann stellte zudem eine Studie vor, welche die Wirksamkeit eines integrierten Stressmanagement-Trainings bei der kardialen Rehabilitation untersucht hatte.5 Teilnehmende der Gruppe mit Training hatten ein signifikant niedrigeres Risiko für klinische Ereignisse als Teilnehmende der Gruppe ohne Training (Hazard Ratio 0,47; 95-%-Konfidenzintervall 0,24–0,91; p = 0,025; Beobachtungszeitraum – Median: 3,2 Jahre).
Der erste Schritt, um den Patient:innen zu helfen, sei nachzufragen: „Geht es Ihnen gut? Gibt es etwas, was Sie stresst?“ Auf Basis dessen könnten die Patient:innen in Abstimmung mit den Behandelnden anhand der vorgestellten Interventionsmöglichkeiten sich selbst verbindliche Ziele setzen, z. B. wöchentlich wieder einem Hobby nachzugehen, so die Referentin. Feste Termine und Routinen könnten hilfreich sein, sollten aber keinen Druck ausüben.
Abschließend gab die Referentin noch einen Genuss-Tipp gegen Stress: dunkle Schokolade. Bei 72 % Kakao-Anteil und maßvollem Genuss ließen sich positive Effekte hinsichtlich Stress-induzierter Fibrinbildung, Stresshormon-Ausschüttung und Entzündungsaktivität nachweisen.