Die Hälfte der Patientinnen und Patienten mit STEMI zeigen zusätzlich relevante koronare Läsionen.1 Kleinere Studien haben gezeigt, dass eine umfassende Revaskularisation dazu beitragen kann, die Rate ungeplanter Revaskularisationen sowie die Angina-Last zu reduzieren.2-3 Bisher war jedoch unklar, ob eine vollständige Revaskularisation aller koronaren Läsionen einen Vorteil für die Patientinnen und Patienten bietet.
Andere Studien wie FIRE, zeigten eine Reduktion des Gesamtendpunkts (Mortalität, Schlaganfall, MI und ischämie-bedingte Revaskularisation) nach FFR-gesteuerter Revaskularisation von Nicht-Culprit-Läsionen bei Patienten mit NSTEMI/STEMI, die älter als 75 Jahre alt waren.4
In dieser Studie soll die Überlegenheit einer kompletten Revaskularisation beim akuten Koronarsyndrom (STEMI, hoch-Risiko-NSTEMI) im Vergleich zur einfachen Revaskularisation der Culprit-Läsion untersucht werden.5
In dieser Studie soll die Überlegenheit einer kompletten Revaskularisation beim akuten Koronarsyndrom (STEMI, hoch-Risiko-NSTEMI) im Vergleich zur einfachen Revaskularisation der Culprit-Läsion untersucht werden.5
In dieser Register-basierten, randomisierten, kontrollierten, multizentrischen Studie wurden 1.542 Patientinnen und Patienten (23,6% weiblich, 65 Jahre alt) mit Myokardinfarkt (STEMI oder Hoch-Risiko-NSTEMI) und Mehrgefäß-Koronarerkrankung nach initialer Revaskularisation der Culprit-Läsion eingeschlossen. Die Teilnehmenden wurden entweder der FFR-gesteuerten Revaskularisation oder einer konservativen Therapie aller Nicht-Culprit-Läsionen zugeteilt. Der primäre Komposit-Endpunkt umfasste Gesamtmortalität, nicht-tödliche Myokardinfarkte und nicht geplante Revaskularisation (PCI/CABG) nach einem medianen Follow-up von 4,8 Jahren. Die einzelnen Komponenten des primären Endpunkts (Gesamtmortalität, nicht-tödlicher MI, nicht geplante Revaskularisation) sowie Angina pectoris-Beschwerden gemessen am Seattle Angina Questionnaire-7 (SAQ-7) wurden nach 30 Tagen, einem Jahr und 4,8 Jahren analysiert. Obwohl die ursprüngliche Zielgröße der Studie 4.052 Personen betrug, wurde der weitere Einschluss aufgrund der positiven Ergebnisse der COMPLETE-Studie (Reduktion des kardiovaskulären Todes und der MI) eingestellt.
Die FULL-REVASC-Studie zeigte, dass die FFR-gesteuerte Behandlung aller Läsionen im Vergleich zur Behandlung der Culprit-Läsion die Gesamtmortalität, die Rate der Myokardinfarkte und nicht geplanter Revaskularisation nicht reduzierte: HR 0,93; 95%KI (0,74-1,17); p = 0,53). Es zeigte sich eine Reduktion der Revaskularisationsrate (geplante und ungeplante) (HR 0,59, 95%KI [0,45-0,78]; p < 0,001), aber mit erhöhter Stentthromboserate (HR = 2,8; 95%KI [1,18-6,67]; p = 0,02). Es zeigten sich zudem keine Unterschiede zwischen beiden Gruppen bezüglich des Sicherheitsoutcomes (akutes Nierenversagen, Blutung, Schlaganfall, neurologische Komplikationen, Hospitalisierung bei Herzinsuffizienz).
Die Studie musste vorzeitig beendet werden, was zu einer längeren Nachbeobachtungsdauer führte, um genügend Ergebnisse anzusammeln. Es besteht zudem die Möglichkeit der Selektionsbias, die sich daraus ergibt, dass nicht genug Patientinnen und Patienten mit hochgradigen Läsionen und Drei-Gefäßerkrankung einbezogen wurden, die von einer vollständigen Revaskularisation profitieren könnten.
Die Ergebnisse der FULL-REVASC-Studie deuten darauf hin, dass Patientinnen und Patienten mit STEMI oder Hoch-Risiko-NSTEMI, die eine vollständige Revaskularisation aller Läsionen erhalten haben, keine Reduktion der Gesamtmortalität, der Rate der nicht-tödlichen Myokardinfarkte und nicht geplanten Revaskularisationen aufweisen.
Im Hinblick auf die vorhandene Literatur wirft diese Studie zunächst Zweifel darüber auf, ob die Endpunkte großer, randomisierter, kontrollierter Studien im klinischen Setting umgesetzt werden können.