Inflammation begünstigt kardiovaskuläre Ereignisse und gilt als wichtiger Faktor in der Entstehung der Atherosklerose. Die COLCOT Studie zeigte bei 4745 Patienten einen Vorteil für die routinemäßige Gabe von Colchicin nach Myokardinfarkt nach einem Beobachtungszeitraum von ca. 2 Jahren.
Das Renin-Angiotensin-System spielt eine entscheidende Rolle in der Entwicklung einer Herzinsuffizienz und insbesondere in der Ausbreitung der Infarktgröße. Die Gabe von einem Aldosteronantagonisten bei Patientinnen und Patienten nach Myokardinfarkt mit eingeschränkter LV-Funktion wurde für Eplerenon in der EPHESUS-Studie 2019 eindrücklich gezeigt.1
Der CLEAR-SYNERGY-Studie wollte nun untersuchen, ob die routinemäßige Gabe von Colchicin und/oder Spironolacton über einen Beobachtungszeitraum von 3 Jahren einen Vorteil für Patientinnen und Patienten nach Myokardinfarkt haben könnte – dies unabhängig davon, ob eine eingeschränkte LV-Funktion vorlag.
Die CLEAR-SYNERGY-Studie ist eine randomisierte Placebo-kontrollierte Studie, die die Therapie mit Colchicin und Spironolacton nach akutem Myokardinfarkt untersuchte. Es wurden Patientinnen und Patienten mit STEMI und NSTEMI, die eine interventionelle Therapie mittels PCI (Synergy Stent) erhielten, eingeschlossen. Es erfolgte die Randomisierung spätestens 72 Stunden nach PCI zunächst in die Gruppe, die mit Colchicin oder einem Placebo behandelt wurden. Diese Gruppen wurden weiter 1:1 randomisiert jeweils zur Therapie mit Spironolacton oder Placebo, so dass es folgende 4 Gruppen gab: Colchicin + Spironolacton, Colchicin + Placebo, Placebo + Spironolacton, Placebo + Placebo.
Es wurden über 7.000 Patientinnen und Patienten randomisiert (ca. 20 % Frauen, 95 % STEMI, 39 % Vorderwand-STEMI), hiervon erhielten 3.537 Spironolacton und 3.525 Placebo. Fast alle Personen erhielten eine DAPT, ca. 78 % einen ACE-Inhibitor oder einen Angiotensin-II-Rezeptorblocker, ca. 97 % ein Statin und ca. 3 % einen SGLT-2-Inhibitor.
Auf dem TCT-Kongress dieses Jahr wurden die Ergebnisse für die Colchicin-Therapie präsentiert, die keinen Vorteil einer Colchicin-Therapie nach akutem Myokardinfarkt für einen Beobachtungszeitraum von 3 Jahren zeigen konnten. Der Endpunkt dieser Analyse war: kardiovaskulärer (CV) Tod, erneuter Myokardinfarkt, Apoplex oder erneute Revaskularisation (Colchicin 9,1 % vs. Placebo 9,3 %, HR 0,99; 95%-KI [0,85-1,16]; p = 0,93). Es zeigten sich vermehrt Diarrhoen in der Colchicin-Gruppe. Die Ergebnisse wurden jetzt zeitgleich mit den Analysen der Spironolacton-Therapie im New England Journal veröffentlicht.4
Auf dem AHA 2024 in Chicago wurden nun die Ergebnisse der Therapie mit Spironolacton vs. Placebo präsentiert und zeitgleich publiziert.3,4 Für diesen Vergleich gab es andere Endpunkte: Der erste ko-primäre Endpunkt bestand aus CV-Tod oder Herzinsuffizienz (HF) und der zweite ko-primäre Endpunkt aus CV-Tod, HF, Apoplex und Myokardinfarkt.
In der Intention-To-Treat-Analyse zeigten weder der erste ko-primäre Endpunkt (Spironolacton 1,7 % vs. Placebo 2,1 %, HR 0,89 (95%-KI 0,73-1,08), p = 0,23) noch der erweiterte zweite ko-primäre Endpunkt (Spironolacton 7,9 % vs. Placebo 8,3 %; HR 0,95; 95%-KI [0,80-1,12], p = 0,52) einen Unterschied zwischen den beiden Gruppen. Eine genaue Betrachtung der einzelnen Parameter des kombinierten Endpunktes zeigte jedoch seltener eine Entwicklung oder Verschlechterung einer Herzinsuffizienz in der Spironolacton-Gruppe (1,6 % vs. 2,4 %, HR 0,69; 95%-KI [0,49-0,94]. In der Spironolacton-Gruppe traten bei 1,1 % Hyperkaliämien (Placebo 0,05 %, p = 0,01) auf, weshalb die Medikation unterbrochen wurden. 2,3 % der Patienten berichteten eine Gynäkomastie (Placebo 0,5 %, p < 0.001).
In der entsprechenden On-Treatment-Analyse (Spironolacton n = 3.497, Placebo n = 3.483) trat der erste ko-primäre Endpunkt in der Spironolacton-Gruppe bei 1,5 % der Patientinnen in der Spironolacton-Gruppe und bei 2,0 % in der Placebo-Gruppe auf (HR 0,79; 95%-KI 0,63;1,00), p = 0,047), der zweite ko-pimäre Endpunkt bei 5,8 % in der Spironolacton und bei 7,2 % in der Placebo-Gruppe (HR 0,83 (95% KI 0,69-1,00), p = 0,046).
Die CLEAR-SYNERGY-Studie zeigte, dass weder die routinemäßige Gabe von Colchicin noch die routinemäßige Gabe von Spironolacton für alle Patientinnen und Patienten nach Myokardinfarkt von Vorteil ist. Die Ergebnisse sind teilweise schwierig einzuordnen.
Betrachtet man zunächst die Frage nach der routinemäßigen Gabe von Colchicin, stehen die Ergebnisse nun gegen die Ergebnisse der COLCOT-Studie5, oder auch gegen die Ergebnisse von anderen Studien, die einen Vorteil von Colchicin bei KHK zeigten (z. B. LoDoCo2), unterstützt jedoch die Studien die bei Personen mit ischämischen zerebrovaskulären Ereignissen keinen Vorteil von Colchicin zeigten (CHANCE-3, CONVINCE). Hoffentlich können hier Metaanalysen und eventuelle Subgruppenanalysen die Frage nach dem Nutzen von Colchicin klären und uns so im Alltag weiterhelfen.
Auf der anderen Seite steht die Gabe von Spironolacton also einem Aldosteronantagonisten. Der Vorteil dieser Substanzgruppe für Patientinnen und Patienten mit eingeschränkter LV-Funktion wurde ausreichend in Studien belegt. Nun liefert die CLEAR-SYNERGY-Studie Hinweise, dass ein Vorteil auch bei allen Patientinnen und Patienten nach akutem Myokardinfarkt bestehen könnte, ist jedoch zunächst einmal in ihren primären Ergebnissen negativ. Bedauerlicherweise liegen keinerlei Information über die LV-Funktion der Patientinnen und Patienten aus der Studie vor. Somit bleibt unklar, wieviele Personen eine eingeschränkte LV-Funktion hatten, und ob eventuell in einer Subgruppenanalyse diese Personen besonders oder auch eben nur profitiert hätten. Es bleibt daher aktuell die klare Empfehlung der Gabe von einem Aldosteronantagonisten bei eingeschränkter LV-Funktion. Alle weiteren Patientinnen und Patienten sollten keine routinemäßige Gabe eines Aldosteronantagonisten erhalten.
Nach den Ergebnissen der CLEAR-SYNERGY-Studie ist der Nutzen für die Gabe von Colchicin nach Myokardinfarkt nun durch eine kontroverse Datenlage nicht mehr klar belegt. Die Gabe von Aldosteronantagonisten sollte sich auf Patientinnen und Patienten mit eingeschränkter LV-Funktion beschränken, da eine routinemäßige Gabe keinen Vorteil zu erbringen scheint.