Patientenadhärenz – gemeinsame Verantwortung
Die Sicherstellung der Adhärenz ist zentral für eine bessere Patientenversorgung, betonte Steinebach. Die Therapietreue liegt durchschnittlich nur bei etwa 50 %. Ursachen seien insbesondere Polypharmazie, komplexe Einnahmeregeln, Nebenwirkungen und unzureichende Kommunikation.
Wunsch an die Kardiologie:
Kardiologinnen und Kardiologen sollten bei der Einleitung neuer Therapien den Nutzen für die Betroffenen verständlich erklären, um eine bessere Vertrauensbasis zu schaffen. Häufig würden die Betroffenen später bei den Hausärztinnen und Hausärzten nachfragen, was genau sie einnehmen und warum. Eine weitere wichtige Aufgabe sei, bei Polypharmazie die Medikationspläne kritisch zu prüfen und nach Möglichkeit zu vereinfachen.
Wunsch an die hausärztliche Versorgung:
Hausärztinnen und Hausärzte sollten ihre Rolle als „Lotsen im System“ konsequent wahrnehmen. Sie haben den engsten Patientenkontakt, können Non-Adhärenz besser erkennen, und Therapieziele mit den Betroffenen abstimmen. Eine zentrale Aufgabe ist auch bei ihnen die kritische Überprüfung und Vereinfachung der Medikationspläne.
Wirtschaftlichkeit und Regressgefahr – Lipidsenker als Beispiel
Das Wirtschaftlichkeitsgebot zwingt Ärztinnen und Ärzte, jede Verordnung auf Erstattungsfähigkeit zu prüfen. Dabei trägt die verordnende Person die finanzielle Verantwortung – auch wenn eine Facharztempfehlung vorliegt.
Steinebach begrüßte in diesem Zusammenhang die G-BA-Entscheidung vom Februar 2025, Lipidsenker in der Primärprävention bereits ab einem 10-Jahres-Risiko von ≥ 10 % zuzulassen. Diese Absenkung der Schwelle von bisher 20 % stelle eine erhebliche Erleichterung im Praxisalltag dar.
Wunsch an die Kardiologie:
In der Primärprävention sollten Facharztbriefe standardmäßig die Risikobewertung einschließlich des verwendeten Risikoscores enthalten. So ist auf einen Blick ersichtlich, ob eine Kassenverordnung für die Lipidsenkung möglich ist. Die Verordnungsmöglichkeiten sollten grundsätzlich bereits vor Einleitung der Therapie geprüft werden.
Wunsch an die hausärztliche Versorgung:
Hausärztinnen und Hausärzte sollten die Spielräume der Disease-Management-Programme (DMP) aktiv nutzen. Diese bieten Zeitfenster, um Lipidwerte und Medikationspläne eingehend zu prüfen, Therapieziele anzupassen und Patientinnen und Patienten erneut einzubinden.
Leitlinienkonsens statt Parallelstrategien
Als Drittes thematisierte Steinebach den anhaltenden Leitlinienkonflikt zwischen Allgemeinmedizin (DEGAM) und Kardiologie. Die aktualisierte Nationale Versorgungsleitlinie (NVL) zur chronischen KHK sowie die S3-Leitlinie „Hausärztliche Risikoberatung zur kardiovaskulären Prävention“ wurden von den kardiologischen und internistischen Fachgesellschaften DGK und DGIM insgesamt bzw. bei zentralen Passagen nicht mitgezeichnet.
Ein zentraler Kritikpunkt ist die empfohlene Strategie bei der Lipidsenkung: Während die ESC eine aggressive Zielwertstrategie mit LDL-C-Senkung nach Risikokategorie (niedrig bis extrem hoch) verfolgt, setze die DEGAM auf eine Festdosisstrategie mit moderater Medikation, betrachte Kombinationstherapien kritisch und sehe Statine vor allem in der Sekundärprävention vor, weniger in der Primärprävention. Der Leitlinienkonflikt sorge für Verunsicherung sowohl bei den Behandelnden als auch bei den Patientinnen und Patienten.
Wunsch an die Kardiologie und hausärztliche Versorgung:
Konsens hinsichtlich der lipidsenkenden Therapie mit allen Fachgesellschaften, inklusive DEGAM und DGK. Dabei sprach sich Steinebach dafür aus, Hyperlipidämien als „Lebenszeitaufgabe“ zu verstehen – wer in jungen Jahren hohe LDL-C-Werte aufweise, hätte diese wahrscheinlich ein Leben lang, mit den entsprechenden Folgen für die Gefäße. Bisherige Studien mit Laufzeiten von meist 5–10 Jahren könnten die lebenslangen Auswirkungen nicht ausreichend abbilden, dennoch zeigten sich trotz des eingeschränkten Beobachtungszeitraums Benefits für eine LDL-C-Senkung in der Primärprävention. Frühes Handeln erhöhe den Benefit, wie beispielsweise die Cholesterol Roadmap 2022 der World Heart Federation verdeutliche.
Insgesamt tue man sich keinen Gefallen, die Leitlinienkonflikte weiter öffentlich auszutragen. Man müsse sich an einen Tisch setzen, um Klarheit zu schaffen. Mit Blick auf die teils widersprüchlichen Empfehlungen zog Steinebach für die Praxis augenzwinkernd folgenden Vergleich:
„Für mich sind Leitlinien wie Straßenlaternen. Sie beleuchten den Weg des Patienten zu seinem Therapieziel. Es macht wenig Sinn, sich wie ein Betrunkener an einer Laterne festzuhalten, und noch weniger Sinn, vom Weg abzukommen.“
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