G-BA erweitert Verordnungsmöglichkeit für Lipidsenker

 

Lipidsenkende Medikamente, wie Statine, können ab sofort auch bei einem kardiovaskulären Risiko von mindestens 10 % innerhalb der nächsten zehn Jahre verschrieben werden. Die G-BA Entscheidung betrifft bestimmte Risikogruppen, während die Verordnung von Lipidsenkern grundsätzlich eingeschränkt bleibt.

Von:

Romy Martínez

HERZMEDIZIN-Redaktion

 

20.12.2024

 

Bildquelle (Bild oben): UGREEN 3S / Shutterstock.com


Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat die Verordnungsmöglichkeiten für Lipidsenker, wie Statine, unter Einbeziehung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse angepasst1. Künftig ist eine Verordnung bereits bei einem kardiovaskulären Risiko mit einer Ereignisrate von über 10 % in 10 Jahren möglich, zuvor lag die Schwelle bei 20 %.

Wen betrifft die G-BA Entscheidung?


Diese Entscheidung betrifft vor allem Patientinnen und Patienten mit hohem Risiko aufgrund von Diabetes mellitus Typ 1 mit Mikroalbuminurie oder familiärer Hypercholesterinämie. Hier ist die Verordnungsmöglichkeit zukünftig generell gegeben. Ziel dieser Maßnahme ist es, durch den gezielten Einsatz von Lipidsenkern kardiovaskuläre Erkrankungen zu verhindern und die Lebenserwartung zu erhöhen.

 

„Der Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses unterstreicht die kausale Bedeutung des Cholesterins für die Entstehung von Herz- und Gefäßkrankheiten“, so Prof. Ulrich Laufs, Vorstand Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (DGK). „Mit den Statinen steht eine sehr gut bewiesene, wirksame und ökonomische Therapie zur Verfügung. Der Beschluss erleichtert deren Einsatz zur Vorbeugung und Behandlung.“

 

Darüber hinaus definierte der G-BA Patientengruppen, bei denen bereits unterhalb der 10%-Schwelle ein hohes kardiovaskuläres Risiko bestehen kann, etwa bei schweren psychischen Erkrankungen oder HIV. Eine generelle Absenkung der Risikoschwelle auf unter 10 % wird aktuell jedoch vom G-BA nicht als sinnvoll erachtet.

Lebensstiländerungen haben Vorrang

 

Der G-BA betont außerdem in seiner Pressemitteilung, dass der Einsatz von Medikamenten immer nur nach einer gründlichen Risikoabwägung erfolgen sollte, da Lebensstiländerungen wie gesunde Ernährung und Bewegung zunächst Vorrang haben2. Diese sollten immer als erste Maßnahme zur Prävention in Betracht gezogen werden, da sie langfristig gesünder und risikoärmer sind als Arzneimitteltherapien.

Da bei Personen mit hohem kardiovaskulärem Risiko – das etwa durch Faktoren wie Alter, Geschlecht oder familiäre Vorbelastung eingeschätzt werden kann – ein angepasster Lebensstil allein zur Risikoabsenkung manchmal nicht ausreicht, werden Betroffene durch die nun beschlossene generelle Absenkung der Risikoschwelle von 20 % auf 10 % von den vorbeugenden Effekten von Lipidsenkern profitieren. Dabei soll weiterhin darauf geachtet werden, dass nur jene Patientengruppen berücksichtigt werden, bei denen der Nutzen der Behandlung die Risiken überwiegt.

DGK unterstützt die Initiative des G-BA

 

“Die Praxis bei der Verordnung von Lipidsenkern wurde an den wissenschaftlichen Wissensstand angepasst, der sich bereits in den europäischen Leitlinien wiederfindet3. Für viele Hochrisikopatientinnen und -patienten kann ab sofort das Risiko, ein kardiovaskuläres Ereignis wie einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall zu erleiden, entscheidend gesenkt werden,“ so DGK-Präsident Prof. Holger Thiele.

Wie wird das 10 %-Risiko bestimmt?

 

Bestimmen lässt sich das 10 %-Risiko mit den Bewertungssysteme SCORE2 und SCORE2-OP, die 2021 von der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) veröffentlicht wurden4. Der Risikorechner SCORE2 (steht für „Systematic Coronary Risk Evaluation“) kann eine Punktbewertung für Personen im Alter von 40 bis 69 Jahren erstellen. Mit dem SCORE2-OP (für „Older Persons“) lässt sich das Risiko für 70 bis 89-jährige errechnen. Die Datengrundlage des SCORE2 basiert auf 45 europäischen Studien aus 13 Ländern mit über 670.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern.


Der SCORE2 ist speziell für Personen gedacht, die bisher keine Erkrankung hatten. Der Algorithmus ist nicht sinnvoll für Betroffene, die bereits Symptome von Gefäßerkrankungen aufweisen, einen Herzinfarkt oder einen Hirnschlag erlitten haben. Bei Patientinnen und Patienten mit Diabetes mellitus wie auch bei Betroffenen mit familiärer Hypercholesterinämie, die einen genetisch bedingten erhöhten Cholesterinspiegel haben, liegt bereits ein erhöhtes Risiko vor und ein SCORE2 ist damit nicht aussagekräftig.

So geht es weiter


Der Beschluss wird dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) zur rechtlichen Prüfung vorgelegt und tritt nach der Veröffentlichung im Bundesanzeiger in Kraft. Die Verordnung von Lipidsenkern bleibt grundsätzlich eingeschränkt, mit Ausnahmen für bestimmte Risikogruppen und zur Sekundärprävention nach Herz-Kreislauf-Erkrankungen.


Referenzen

 

  1. https://www.nice.org.uk/guidance/ng238
  2. https://www.g-ba.de/presse/pressemitteilungen-meldungen/1229/
  3. https://academic.oup.com/eurheartj/article/41/1/111/5556353
  4. https://www.heartscore.org/en_GB

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