Gesundes-Herz-Gesetz vor dem Aus: Interview mit den DGK-Präsidenten

 

Vor dem Hintergrund des Endes der Ampelkoalition teilte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach am Montag, dem 11. November, mit, dass das „Gesundes-Herz-Gesetz“ (GHG) zu seinem Bedauern nicht mehr verabschiedet werden könne.1 Was bedeutet das auf gesundheitspolitischer Ebene für die Herzgesundheit? Wie kann es weitergehen? Der amtierende DGK-Präsident Prof. Holger Thiele, sein Nachfolger Prof. Stefan Blankenberg und der DGK-Past-Präsident Prof. Stephan Baldus im Gespräch.

Von:

Martin Nölke

HERZMEDIZIN-Redaktion

 

14.11.2024

 

Bildquelle (Bild oben): K-i-T / Shutterstock.com

HERZMEDIZIN: Die DGK hatte sich in der Vergangenheit für das Gesundes-Herz-Gesetz (GHG) stark gemacht. Nun steht das GHG durch die Regierungskrise vor dem Aus. Welche Bilanz ziehen Sie?

 

Thiele: Es bleibt positiv festzuhalten, dass durch die Diskussionen rund um das GHG das Thema Herz-Kreislauf-Erkrankungen eine noch nie da gewesene politische Sichtbarkeit erhalten hat. Auch wenn die besonderen politischen Umstände dazu geführt haben, dass der Gesetzentwurf nicht zur weiteren Abstimmung kommt, darf dies nur einen Aufschub bei der Adressierung kardiovaskulärer Risikofaktoren bedeuten, nicht aber ein Scheitern. Die Beweggründe zum Gesetzesvorhaben bleiben bestehen und sind weiterhin von größter Bedeutung für die Gesundheit hierzulande.

„Solange sich daran nichts ändert, werden wir weiter für unsere Forderungen eintreten“

 

Baldus: Wir werden nicht müde zu betonen: Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind die Todesursache Nr. 1 in Deutschland und für rund ein Drittel der Todesfälle verantwortlich. Die hohe kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität gelten als Hauptursache dafür, dass Deutschland die niedrigste Lebenserwartung in Westeuropa hat. Solange sich daran nichts ändert, werden wir weiter für unsere Forderungen eintreten.

 

HERZMEDIZIN: Welche Forderungen sind das?

 

Baldus: In einem ersten Schritt drängen wir auf eine zielführende Prävention und Früherkennung von Risikofaktoren und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Daher befürworten wir beispielsweise ein systematisches Screening auf die genetisch-bedingte Familiäre Hypercholesterinämie (FH) sowie Gesundheitsvorsorgeuntersuchungen zu den wichtigsten vermeidbaren kardiovaskulären Risikofaktoren. Betroffene können so erkannt und beraten werden, bevor teils schwere Folgeerkrankungen entstehen. Zu Prävention gehört aber auch ein besseres Verständnis zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen insgesamt. Deshalb brauchen wir auch eine kraftvolle Initiative zu mehr Herz-Kreislauf-Forschung in Deutschland.

Das große Ziel: eine nationale Herz-Kreislauf-Strategie

 

Blankenberg: Es tut sich auch einiges unabhängig vom GHG: So ist dieses Jahr „VRONI im Norden“ in Niedersachsen gestartet, ein Folgeprojekt der Nationalen Herz-Allianz (NHA) zur erfolgreichen VRONI-Studie in Bayern. Dabei wird die Umsetzung eines flächendeckenden pädiatrischen Lipidscreenings erprobt. Die Akzeptanz ist sehr hoch: 96 % der Erziehungsberechtigten stimmen der Teilnahme zu. Weiterhin sind wir im Begriff, ein nationales Herzregister aufzubauen, welches systematisch kardiovaskuläre Therapieformen erfasst.

 

Zudem wird der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) sicherlich Themen aufgreifen, um eine Stärkung der Herzgesundheit auf den Weg zu bringen: Hierzu gehört vermutlich die Anpassung der kardiovaskulären Risikokalkulation, welche präventive Maßnahmen erleichtert. Insofern hat die Diskussion um die Inhalte des GHG einige Anregungen gegeben.

 

Das große Ziel aus Sicht von DGK und NHA bleibt aber der Aufbau einer nationalen Herz-Kreislauf-Strategie.

 

HERZMEDIZIN: Wie sollte eine solche Strategie aussehen?

 

Blankenberg: Neben den erwähnten Maßnahmen zur Früherkennung geht es uns um eine Stärkung der Verhältnis- und Verhaltensprävention. Gesundheitsfördernde Lebensstilmodifikationen sollten bereits im Kindesalter unterstützt werden. Zudem sollte Nikotinsucht als Krankheit anerkannt und gezielte, systematische Präventionsprogramme entwickelt werden.

 

Thiele: Ansätze zur Steigerung der Laienreanimationsquote sollten die Maßnahmen ergänzen. Außerdem braucht es eine konsequentere Umsetzung der Digitalisierung und eine bessere intersektorale Vernetzung.

 

"Wir fordern die kommende Regierung dazu auf, das entstandene Momentum zu nutzen und die zielführenden Ansätze aus dem GHG sowie eine nationale Herz-Kreislauf-Strategie in einen abzuschließenden Koalitionsvertrag mitaufzunehmen."

Prof. Holger Thiele, DGK-Präsident


Referenzen

 

  1. N-TV. Lauterbach zum Ampel-Aus. URL: https://www.n-tv.de/politik/Lindner-wollte-nicht-mehr-article25354225.html

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