Bundeskabinett beschließt Gesundes-Herz-Gesetz

 

Das Bundeskabinett hat heute den Entwurf zum „Gesundes-Herz-Gesetz“ (GHG) beschlossen. Durch das Gesetz sollen Risikofaktoren von Herz-Kreislauf-Erkrankungen möglichst früh erkannt und bekämpft werden. Dafür sieht es den Ausbau von Früherkennungsuntersuchungen, neue strukturierte Behandlungsprogramme und die Verbesserung von Therapiemöglichkeiten vor. In dem überarbeiteten Gesetzesentwurf werden nun der Selbstverwaltung, also dem Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA), die vorbestimmten Evidenz-basierten Gestaltungsrechte eingeräumt.

Von:

Martin Nölke

HERZMEDIZIN-Redaktion

 

29.08.2024

 

Bildquelle (Bild oben): K-i-T / Shutterstock.com

Ein Drittel aller Todesfälle in Deutschland sind auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen zurückzuführen. Im Vergleich zu anderen westlichen Industrienationen hat Deutschland eine der höchsten altersstandardisierten Sterblichkeitsraten durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Das schlägt sich auch in der durchschnittlichen Lebenserwartung bei Geburt nieder, die hierzulande 1,7 Jahre niedriger liegt als im restlichen Westeuropa.


Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach erklärt: „Wir müssen die Gesundheit der Herzen besser schützen. Deutschland hat hier ein Problem – zu viele Herztote.“ Der Past-Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK), Prof. Stephan Baldus, verweist auf Erfahrungen aus anderen Ländern, wo es gelungen ist, die kardiovaskuläre Sterblichkeit in den letzten Dekaden um 50 % zu senken.


Neben Lebensstilmodifikationen sei es wichtig, vererbte Risikofaktoren früher zu erkennen und besser zu bekämpfen, so Lauterbach. „Dafür schaffen wir mit dem Gesundes-Herz-Gesetz die Grundlagen. Mit diesem Gesetz können wir die Lebenserwartung und die Lebensqualität in Deutschland deutlich verbessern.“ Der vom Bundeskabinett verabschiedete Gesetzesentwurf sieht folgende gesetzliche Ansprüche für gesetzlich Versicherte vor, wobei der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) nun stärker entsprechend der Selbstverwaltungsregeln einbezogen ist, Richtlinien im Rahmen des geplanten Gesetzes festzulegen.

Verbesserung von Prävention und Früherkennung bei Kindern und Jugendlichen

 

Kinder und Jugendliche sollen künftig Anspruch auf erweiterte Leistungen zur Früherkennung einer Fettstoffwechselerkrankung im Rahmen der Kinder- und Jugenduntersuchungen (U9/J1) haben. Damit sollen insbesondere Kinder und ihre Angehörigen mit Familiärer Hypercholesterinämie (FH) frühzeitig erkannt und behandelt werden. Diese angeborene, durch Lebensstiländerungen nicht ausreichend beeinflussbare Krankheit bedeutet ein sehr hohes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen bereits im jungen Erwachsenenalter.


Darüber hinaus soll gesetzlich festgelegt werden, dass Kinder und Jugendliche im Alter von 12 bis 14 Jahren durch die jeweilige Krankenkasse individuell zur Teilnahme an der Jugendgesundheitsuntersuchung J1 eingeladen werden. Damit soll die Teilnahmerate (derzeit nur 20–40 %) erhöht und eine gezielte Ansprache zum Thema Herz-Kreislauf-Erkrankungen und möglichem Risikoverhalten sichergestellt werden.

Herz-Check-ups: Erweiterte Gesundheitsuntersuchungen für Erwachsene

 

Für Erwachsene soll die bereits bestehende Gesundheitsuntersuchung erweitert werden, durch die Einführung von Check-ups für Herz-Kreislauf-Erkrankungen im Alter von 25, 40 und 50 Jahren. Gesetzlich Versicherte werden nach dem Entwurf zu den Check-ups von ihrer jeweiligen Krankenkasse eingeladen und erhalten außerdem Gutscheine für eine erweiterte Beratung mit Messungen zu Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Apotheken.


Der G-BA wird beauftragt, Vorgaben für eine strukturierte Befragung und Untersuchung festzulegen. Darüber hinaus soll der G-BA prüfen, ob für weitere Versichertengruppen, insbesondere für Versicherte über 70 Jahre, erweiterte Leistungen zur Erfassung von Herz-Kreislauf-Risiken angezeigt sind.

Apotheken als niedrigschwellige Anlaufstellen

 

Apotheken sollen verstärkt in die Beratung zur Prävention und Früherkennung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und tabakassoziierten Erkrankungen eingebunden werden. Für niedrigschwellige Beratungsangebote in Apotheken werden neue pharmazeutische Dienstleistungen etabliert.

Medikamentöse Lipidsenkung

 

Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) verweist auf mehrere große Studien, wonach Lipidsenker (Statine) in vielen Fällen das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen senken und die Lebenserwartung verlängern können. Deshalb soll ein gesetzlicher Anspruch auf Versorgung mit Lipidsenkern – bei nach Leitlinien empfohlener vorliegender Risikokonstellation – geregelt werden. Lipidsenker könnten so frühzeitiger als zuvor und entsprechend dem individuellen Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen verordnet werden.


Mit der Festlegung von Grenzwerten für Statinverordnungen wird der G-BA beauftragt, der die Verordnungsfähigkeit auf Basis aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse und medizinischer Leitlinien feststellen soll. Wie viele Patientinnen und Patienten zusätzlich zukünftig Statine erhalten sollen, würden sich aus den Beschlüssen des G-BA ergeben, erklärte Lauterbach.

Tabakentwöhnung und ernährungsspezifische Krankheitsprävention

 

Arzneimittel zur Tabakentwöhnung können die Erfolgsquote beim Verzicht auf das Rauchen steigern. Der Anspruch auf eine medikamentöse Therapie zur Tabakentwöhnung soll ausgeweitet werden. Er ist künftig nicht nur auf eine „schwere Tabakabhängigkeit“ beschränkt und soll jährlich erstattungsfähig werden.


Die Erteilung einer ärztlichen Präventionsempfehlung zur Tabakentwöhnung und zum Ernährungsverhalten soll außerhalb der Gesundheitsuntersuchungen regelmäßig extrabudgetär vergütet werden.

Förderung von Disease-Management-Programmen (DMP)

 

Disease-Management-Programme (DMP) sollen inhaltlich weiterentwickelt und die Umsetzung in der Versorgung gefördert und beschleunigt werden. Unter anderem soll der G-BA gesetzlich beauftragt werden, Anforderungen an ein neues strukturiertes Behandlungsprogramm für behandlungsbedürftige Versicherte mit einem hohen Risiko für eine Herz-Kreislauf-Erkrankung zu beschließen.

GHG soll langfristig Kosten einsparen

 

Herz-Kreislauf-Erkrankungen verursachten im Jahr 2020 mit 56,7 Milliarden Euro die höchsten Krankheitskosten in Deutschland, laut Statistischem Bundesamt. Circa 60 % (34 Milliarden Euro) davon gehen zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV).


Das BMG rechnet durch das Gesundes-Herz-Gesetz nicht mit steigenden Kosten. Es soll durch die Umschichtung von Ausgaben kostenneutral bleiben: durch Anrechnung der neu vorgesehenen Leistungen auf jene Kosten, die sie für individuelle verhaltensbezogene Präventionsleistungen ausgeben sollen. So sollen weniger erfolgreiche Maßnahmen wegfallen.


Durch Minderung der Krankheitslast in der Bevölkerung erwartet der Minister langfristig zudem eine Senkung der Gesundheitsausgaben: jeweils ca. 140 Millionen Euro in den ersten beiden Jahren nach Inkrafttreten des GHG und ca. 510 Millionen Euro pro Jahr nach 4 Jahren.

Stellungnahmen von G-BA und DGK

 

Der unparteiische Vorsitzende des G-BA, Prof. Josef Hecken, sagt zum aktuellen GHG-Entwurf: „Am eigentlichen Ziel der gesetzlichen Änderungen bestand nie Zweifel. Risikofaktoren von Herz-Kreislauf-Erkrankungen müssen möglichst früh erkannt und bekämpft werden. Mit dem heute beschlossenen Entwurf stimmt auch der Weg wieder: umfassende Recherche der aktuellen wissenschaftlichen Studienlage, breite fachliche Diskussion und Abwägen von Nutzen und Risiken.“ Kritisch sieht er jedoch die Umschichtung der Krankenkassenleistungen zur verhaltensbezogenen Prävention zu Gunsten der Früherkennungsmaßnahmen und betont das Potenzial von Lebensgestaltung und Lebensstilmodifikation zur Vorbeugung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen.


„Das Gesundes-Herz-Gesetz (GHG) gehört zu den wichtigsten gesundheitspolitischen Vorhaben der letzten Jahrzehnte“, teilt die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (DGK) mit. „Das GHG kann entscheidend dazu beitragen, die Prognose von Herz-Kreislauferkrankungen hierzulande zu verbessern.“


Aus Sicht der DGK sei der Gesetzesentwurf ein guter Anfang, allerdings sollte er nur der Ausgangspunkt für eine umfassende, kardiovaskuläre Gesundheitsstrategie für Deutschland sein. Daher begrüßt die DGK, dass das Gesetz neben der Verbesserung der Früherkennung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und deren Risikofaktoren auch Maßnahmen zur Reduktion des Tabakkonsums, Verbesserung der Lebensstilmodifikation und der Stärkung von Disease-Management-Programmen enthält. „Die Entscheidungsprozesse für die Versorgung liegen beim G-BA, der sein Urteil unter Berücksichtigung der Grundsätze der evidenzbasierten Medizin und des aktuellen Forschungsstandes fällt. Die DGK bietet gern ihre Expertise bei der Ausgestaltung der Umsetzung an.“

 

 

Das Gesetz soll noch in diesem Jahr vom Parlament verabschiedet werden und im nächsten Jahr in Kraft treten.


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