Die Erfahrung behandelnder Zentren mit einem Krankheitsbild, konkret die Zahl behandelter Patientinnen und Patienten, verbessert das Outcome, etwa bei der PCI von Hebungsinfarkten oder der TAVI.3,4 Dies führt unweigerlich zu dem vom G-BA angestoßenen Prozess von Mindestzahlen, nicht nur im Bereich der Herzmedizin. Ob dies auch für die Behandlung des kardiogenen Schocks und insbesondere die Anwendung mechanischer Kreislaufunterstützungssysteme gilt, wird durchaus kontrovers diskutiert. Erst 2024 berichtete eine australisch-neuseeländische Arbeitsgruppe, dass größere ECMO-Zentren kein besseres Outcome aufweisen als kleinere.5 Frühere Publikationen hatten sogar eine höhere Mortalität in „High-Volume“-Zentren beschrieben – möglicherweise, weil dort schwerer erkrankte Patientinnen und Patienten behandelt werden.6 Zur Situation in Deutschland lagen bisher kaum Daten vor. Diese Lücke schloss die beim ESC 2025 von PD Dr. Benedikt Schrage vorgestellte Studie.
Die Analyse basiert auf Daten des statistischen Bundesamtes zu Diagnosen, Prozeduren, Demographie und intrahospitaler Mortalität stationärer Patientinnen und Patienten zwischen 2017 und 2021 in Deutschland. In diesem Zeitraum wurden 220.223 Patientinnen und Patienten mit kardiogenem Schock in 1.232 Krankenhäusern behandelt. Die Mortalität während des Krankenhausaufenthaltes war hoch und lag 2021 bei 61 %.
Das Drittel der Krankenhäuser mit den höchsten Fallzahlen wies in adjustierten Cox-Regressionsmodellen eine signifikant niedrigere Mortalität auf als Einrichtungen mit geringerer Patientenzahl (HR=0,92; 95%KI [0,91; 0,94]; p<0,001). Cubic-Spline-Analysen deuteten auf einen möglichen Cut-off von 90 Fällen pro Jahr für ein besseres Überleben hin. Nur etwa 10 % der deutschen Krankenhäuser erreichen diese Fallzahl und 90 % liegen darunter. Wäre ein solcher Schwellenwert verbindlich, müsste etwa die Hälfte aller Patientinnen und Patienten von kleineren in größere Zentren verlegt werden, was derzeit gesundheitspolitisch angedacht wird.
435 Krankenhäuser setzten im Untersuchungszeitraum mechanische Kreislaufunterstützungssysteme ein (VA-ECMO, IABP und/oder Mikroaxialpumpe/Impella). Die Anwendung stieg über die Jahre ein wenig von 11 % in 2017 auf 14 % im Jahr 2021. Die Mortalität bei Einsatz mechanischer Kreislaufunterstützung betrug 63 %. Das Drittel der Kliniken mit den höchsten Fallzahlen konnte hier ein um deutliche 20 % niedrigeres Sterberisiko vorweisen als die übrigen Zweidrittel der Häuser (HR=0,80; 95%KI [0,76; 0,84]; p<0,001). Cubic-Spline-Kurven legten einen Cut-off von 25 jährlichen Fällen für eine besseres innerklinisches Überleben nahe. 86 % der deutschen Kliniken erreichen diese Zahl nicht, versorgen aber mehr als die Hälfte aller Patientinnen und Patienten (53 %).
Für die Bewertung der Ergebnisse sind wichtige Limitationen zu beachten. Es handelt sich um eine retrospektive Analyse eines Routinedatensatzes, nicht um eine randomisierte Interventionsstudie. Auch wenn die Ergebnisse dafürsprechen, lässt sich daraus nicht eindeutig ableiten, dass eine Verlegung in Zentren bessere Outcomes bewirkt. Hierfür wären prospektive Studien erforderlich.
Zudem enthält der Datensatz primär abrechnungsrelevante Variablen, jedoch kaum klinische Informationen zu Schweregrad, Therapiestrategien oder Verlauf. Darauf konnte nicht adjustiert werden. Kritisch diskutiert werden kann auch die Zusammenfassung technisch sehr unterschiedlicher Systeme (Impella, VA-ECMO, IABP). Darüber hinaus zeigte die DanGer-Shock-Studie, dass das 6-Monats-Überleben eine relevante Kenngröße ist6 – hierzu kann die vorliegende Arbeit nichts beitragen.
Bemerkenswert ist allerdings die hohe Zahl an Krankenhäusern mit mechanischer Kreislaufunterstützung in Deutschland. Während im Vereinigten Königreich nur wenige hochspezialisierte Zentren mit sehr hohen Fallzahlen Patientinnen und Patienten mit kardiogenem Schock behandeln, waren es in Deutschland 435 Häuser. Lediglich 60 von ihnen erreichen den ohnehin niedrigen Schwellenwert von 25 Fällen jährlich, der in dieser Analyse mit besserem Überleben assoziiert war. Möglicherweise werden die vorliegenden Ergebnisse die Diskussion über Mindestzahlen durch den G-BA unterstützen.
Leonardo da Vinci schrieb: „Wissen ist das Kind der Erfahrung.“ Die vorgestellte Studie legt nahe, dass dies auch für die Behandlung des kardiogenen Schocks gilt – insbesondere in Fällen, die eine mechanische Kreislaufunterstützung erfordern. Der Schock ist durch eine komplexe Pathophysiologie geprägt:
Multiorganbeteiligung, systemische Inflammation und Gerinnungsaktivierung erfordern eine hochdifferenzierte Intensivtherapie mit abgestimmten Strategien zu Beatmung, Katecholamintherapie, Devicewahl, Unloading, Antikoagulation, Infektionsmanagement, Weaning und Physiotherapie.8,9 Hinzu kommt die Notwendigkeit enger interdisziplinärer Zusammenarbeit unterschiedlicher Fachdisziplinen, welche – selbstverständlich nicht ausschließlich - Intensivmedizin, Kardiologie, Herz-, Gefäß- und Viszeralchirurgie, Kardiotechnik, Radiologie und Transfusionsmedizin einschließt.
Gut eingespielte Teams, strukturierte Abläufe sowie die Anbindung an Forschung und Netzwerke sind essenziell. Vor diesem Hintergrund erscheinen die besseren Ergebnisse von Zentren mit höheren Fallzahlen plausibel. Sie decken sich mit internationalen Registerdaten der ELSO und entsprechen auch unsere Erfahrung in Regensburg.10 „Experience makes outcomes“ gilt offenbar auch für die Therapie des kardiogenen Schocks – wenngleich weitere Analysen notwendig sind, um diesen Zusammenhang weiter zu überprüfen.
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