Weltnichtrauchertag: Mehr Mut gegen Rauchen

 

Am 31.5. ist Weltnichtrauchertag. Verschiedene Studien haben in den letzten Jahren die gesundheitlichen Vorteile des Rauchstopps und Nichtrauchens umfassend quantifiziert. Der Verzicht auf das Rauchen ist potenziell die wirksamste aller Präventionsmaßnahmen. Wie Kardiologinnen und Kardiologen unterstützen können und was es für eine bessere Prävention braucht – kommentiert von DGK-Präsident Prof. Stefan Blankenberg und von Prof. Christina Magnussen, Erstautorin der vielbeachteten Studie des Global Cardiovascular Risk Consortium (GCVRC) zu modifizierbaren Risikofaktoren.

Von:

Martin Nölke

HERZMEDIZIN-Redaktion

 

Expertenkommentar

Prof. Stefan Blankenberg

DGK-Präsident

Prof. Christina Magnussen

Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE)

 

29.05.2025

 

Bildquelle (Bild oben): Andrey_Popov / Shutterstock.com

Welche Vorteile bringt der Rauchstopp bzw. das Nichtrauchen?

 

Die kürzlich im New England Journal of Medicine veröffentlichte GCVRC-Studie mit über 2 Millionen Teilnehmenden aus 39 Ländern von 6 Kontinenten hat die Bedeutung von modifizierbaren Risikofaktoren für die Gesundheit erneut untermauert:1 Wer im Alter von 50 Jahren keinen der 5 klassischen Risikofaktoren – arterielle Hypertonie, Hyperlipidämie, Unter-/Übergewicht/Adipositas, Diabetes mellitus und Rauchen – aufweist, hat eine über 10 Jahre höhere Lebenserwartung im Vergleich zu Personen, bei denen alle 5 Risikofaktoren vorliegen. Dabei nimmt das Rauchen eine zentrale Rolle ein: Ein Nichtraucherstatus im Alter von 50 Jahren war mit einem Lebenszeitgewinn von über 5 Jahren verbunden im Vergleich zu Personen, die gelegentlich oder regelmäßig Zigaretten, Zigarren, Zigarillos oder Pfeifen konsumieren:

Unterschied der Lebenserwartung bei Rauchstopp im Alter von 50 Jahren (modifiziert nach Magnussen et al. 2025) Abb. 1: Unterschied der Lebenserwartung bei Rauchstopp im Alter von 50 Jahren (modifiziert nach Magnussen et al. 2025)

Auch im mittleren Alter lohnt die Umstellung: Zwischen dem 55. und 60. Lebensjahr brachte der Rauchstopp im Vergleich zum erfolgreichen Management jeweils eines der anderen untersuchten Risikofaktoren den größten Zugewinn an Lebenszeit – nämlich mehr als 2 zusätzliche Lebensjahre:

Unterschied der Lebenserwartung bei Rauchstopp im Alter zwischen 55 und 60 Jahren (modifiziert nach Magnussen et al. 2025) Abb. 2: Unterschied der Lebenserwartung bei Rauchstopp im Alter zwischen 55 und 60 Jahren (modifiziert nach Magnussen et al. 2025)

In den aktuellen ESC-Leitlinien ist der Rauchverzicht als potenziell wirksamste Präventionsmaßnahme festgehalten.2 Ein Rauchstopp zwischen 45 und 65 Jahren bei Männern bzw. 75 Jahren bei Frauen ist mit einem Gewinn von 3–5 Lebensjahren frei von kardiovaskulären Erkrankungen verbunden.

Je früher, desto besser

 

Generell gilt: Je früher der Rauchstopp erfolgt, desto größer sind die gesundheitlichen Vorteile. Eine im Jahr 2013 im New England Journal of Medicine publizierte Studie, basierend auf Daten von über 200.000 Personen aus dem US-amerikanischen National Health Interview Survey (1997–2004), veranschaulicht, wie stark der Rauchstopp je nach Lebensalter das durch Rauchen erhöhte Sterberisiko senkt (Beobachtungsende 31.12.2006):3 Ein Rauchstopp im Alter von etwa 39 Jahren reduzierte das erhöhte Risiko für Tod jeglicher Ursache um etwa 90 %. Dennoch blieb ein um 20 % erhöhtes Risiko im Vergleich zu lebenslangen Nichtrauchern bestehen. Dies stellt jedoch eine erhebliche Reduktion gegenüber einem um rund 200 % erhöhten Risiko bei fortgesetztem Rauchen dar:

Sterberisiko jeweils nach Alter zum Zeitpunkt des Rauchstopps Abb. 3: Sterberisiko jeweils nach Alter zum Zeitpunkt des Rauchstopps (modifiziert nach Jha et al. 2013)

Rauchende Personen, die zwischen dem 25. und 34. Lebensjahr aufhörten (Median 29 Jahre), erreichten fast die gleichen Überlebensraten wie lebenslange Nichtraucherinnen und Nichtraucher. Damit gewannen sie im Vergleich zu fortgesetztem Rauchen etwa 10 Lebensjahre hinzu. Für Raucherinnen und Raucher, die zwischen dem 35. und 44. Lebensjahr (Median 39 Jahre) aufgehört hatten, waren die Überlebensraten zwar etwas niedriger als bei lebenslangem Nichtrauchen, dennoch konnten auch sie rund 9 zusätzliche Lebensjahre erwarten im Vergleich zu Personen, die weiterhin rauchten.

Keine halben Sachen

 

Entscheidend für eine effektive Reduktion kardiovaskulärer Erkrankungen ist der vollständige Rauchstopp, wie eine im Jahr 2021 im European Heart Journal publizierte Studie mit über 897.000 Raucherinnen und Rauchern (Alter >40 Jahre; Raucherstatus 2009, 2011, 2013; Beobachtungsende 31.12.2018) verdeutlicht.4 Dabei zeigte sich, dass Personen mit vollständigem Rauchverzicht („Quitter“, s. Tabelle 1) ein signifikant niedrigeres Risiko für Schlaganfall (-23 %) und Myokardinfarkt (-26 %) aufwiesen als solche, die weiter rauchten („Sustainer“). Hingegen hatten Personen, die ihren Zigarettenkonsum lediglich reduzierten („Reducer I und II“), kein signifikant niedrigeres Risiko als kontinuierliche Raucherinnen und Raucher. Wurde das Rauchen zunächst beendet und später wieder aufgenommen (Raucherstatus 2013), stieg das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse erneut um 42–69 % gegenüber dauerhaft abstinenten Personen.

Reduziertes Risiko für Schlaganfall und Myokardinfarkt bei Personen mit vollständigem Rauchstopp („Quitters“) Tabelle 1: Reduziertes Risiko für Schlaganfall und Myokardinfarkt bei Personen mit vollständigem Rauchstopp („Quitters“) (modifiziert nach Jeong et al. 2021)

Die beispielhaften Studien helfen, die gesundheitlichen Vorteile des Rauchstopps zu quantifizieren, der sich auch noch in höheren Lebensjahren lohnt. Am vorteilhaftesten ist es, gar nicht erst mit dem Rauchen anzufangen.

Im Tabakrauch wurden über 7.000 Chemikalien nachgewiesen, darunter mindestens 69 bekannte Karzinogene sowie zahlreiche weitere Stoffe, die zur Entstehung kardiovaskulärer Erkrankungen beitragen.5 Diese Schadstoffe wirken über mehrere pathophysiologische Mechanismen:

 

Herz-Kreislauf-Erkrankungen, die durch Rauchen verursacht werden Abb. 4: Herz-Kreislauf-Erkrankungen, die durch Rauchen verursacht werden (modifiziert nach Kalkhoran et al. 2018)

 

Nikotin ist die hauptursächliche Komponente für das Suchtpotenzial und für die hämodynamischen Effekte, jedoch ist der überwiegende Anteil des kardiovaskulären Risikos auf andere Inhaltsstoffe im Tabakrauch zurückzuführen. Freie Radikale und reaktive Sauerstoffspezies (ROS) führen zu endothelialer Dysfunktion, aktivieren Thrombozyten und fördern durch Oxidation von LDL-Cholesterin die Entstehung der Atherosklerose. Feinstaub verursacht zusätzlichen oxidativen Stress und beeinflusst das autonome Nervensystem.

 

Diese Effekte treten auch bei Passivrauchen auf. Weitere toxische Substanzen sind Kohlenstoffmonoxid, Carbonyle, polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe und Schwermetalle.

Insgesamt tragen die Auswirkungen des Zigarettenrauchs zu einem Umfeld bei, das die Bildung von Plaques und Thrombosen fördert, ein Ungleichgewicht zwischen Blutversorgung und -bedarf des Herzmuskels erzeugt und die Wahrscheinlichkeit von Herzrhythmusstörungen erhöht, wodurch das Risiko kardiovaskulärer Ereignisse steigt.

Die ESC-Leitlinien geben eine Klasse-I-A-Empfehlung für den Rauchstopp.2 Die Raucherentwöhnung wird unabhängig von einer möglichen Gewichtszunahme empfohlen, da die Vorteile überwiegen (Klasse-I-B-Empfehlung).

 

Bei zeitlicher Limitation empfehlen die Leitlinien eine „sehr kurze Beratung“ zur Raucherentwöhnung. Dabei handelt es sich um eine bewährte 30-Sekunden-Intervention, die in Großbritannien entwickelt wurde, und aus 3 Elementen besteht:

  • ASK – Raucherstatus feststellen und aufzeichnen
  • ADVISE – Möglichkeiten zum Aufhören aufzeigen
  • ACT – Hilfe anbieten

Bei Raucherinnen und Rauchern sollte eine Nachbetreuung, eine Nikotinersatztherapie, Vareniclin und Bupropion einzeln oder in Kombination erwogen werden (Klasse-IIa-Empfehlung, Evidenzgrad A). Auch wenn E-Zigaretten beim Rauchstopp helfen können, sind ihre gesundheitlichen Auswirkungen noch zu wenig erforscht. Von „Heat-not-burn“-Zigaretten wird in den Leitlinien wegen des enthaltenen Tabaks abgeraten.


Eine ausführlicheres Ablaufschema stellen die „5 A zur Raucherentwöhnung“ (Ask – Advise – Assess – Assist – Arrange) dar, die hier erläutert werden.


Hilfreiche Kontakte für Betroffene bietet zudem das Bundesinstitut für Öffentliche Gesundheit (BIÖG) an:

 

  • Beratungstelefon 0 800 8 31 31 31
  • Informationsportal www.rauchfrei-info.de

Wie kann die Prävention verbessert werden?

 

Verschiedene Faktoren auf individueller, interpersoneller, gemeinschaftlicher und politischer Ebene beeinflussen den Beginn und die Fortführung des Rauchens:5

Verschiedene Ebenen, die zum Beginn und zur Fortführung des Rauchens beitragen Abb. 5: Verschiedene Ebenen, die zum Beginn und zur Fortführung des Rauchens beitragen (modifiziert nach Kalkhoran et al. 2018)

Aufgrund der Komplexität braucht es verschiedene, ineinandergreifende Handlungsansätze: Die meisten Tabakkontrollmaßnahmen wirken über eine Reduktion der Nachfrage nach Tabakprodukten. Dies umfasst beispielsweise die Erhöhung der Zigarettenpreise mittels höherer Tabaksteuern, die Einführung rauchfreier Bereiche, gesetzliche Vorgaben von gesundheitsbezogenen Warnhinweisen auf Tabakverpackungen und breit angelegte Medienkampagnen zur Aufklärung und Förderung des Rauchstopps. Andere Maßnahmen zielen auf die Verringerung des Zugangs Jugendlicher zu Tabakprodukten ab, etwa durch die Anhebung des gesetzlichen Mindestalters für den Tabakerwerb und die konsequente Durchsetzung dieser Vorschriften.

 

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat unter dem Akronym MPOWER evidenzbasierte Strategien der Tabakkontrolle zusammenfasst:5

MPOWER-Maßnahmen der WHO Tabelle 2: MPOWER-Maßnahmen der WHO (modifiziert nach Kalkhoran et al. 2018)

Nicht zu rauchen oder mit dem Rauchen aufzuhören, ist das Beste, was man für die eigene Gesundheit tun kann – je früher, desto besser. Damit weniger Menschen anfangen und mehr Menschen aufhören, sind politische Maßnahmen wie höhere Tabaksteuern, ein umfassendes Werbeverbot und strengere Verkaufsregeln dringend notwendig.

Expertenkommentar Prof. Magnussen: Warum Aufhören immer lohnt

 

Dass Rauchen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Zusammenhang steht, ist seit Anfang der 1960er Jahre wissenschaftlich belegt. Doch Rauchen ist weit mehr als nur ein klassischer kardiovaskulärer Risikofaktor: Es erhöht auch das Risiko für eine Vielzahl anderer chronischer Erkrankungen - darunter verschiedene Krebsarten, die chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (COPD) und neurodegenerative Erkrankungen wie Demenz.

 

Ein Nikotinstopp kann das Risiko für viele dieser sogenannten nicht-übertragbaren Erkrankungen deutlich senken. Die im März veröffentlichte Studie des Global Cardiovascular Risk Consortiums zeigte: Wer mit 50 Jahren nicht raucht, hat eine über 5 Jahre höhere Lebenserwartung im Vergleich zu Raucherinnen und Rauchern mit 4 weiteren klassischen Risikofaktoren. Doch die gute Nachricht ist: Auch diejenigen, die später aufhören, profitieren nachhaltig. Zwar ist der gesundheitliche Nutzen bei einem Rauchstopp in jungen Jahren am größten - doch auch im höheren Alter lohnt sich der Ausstieg noch. Ein Rauchstopp zwischen dem 55. und 60. Lebensjahr ist einer der Faktoren, der im Vergleich zu anderen Lebensstilveränderungen mit dem größten Zugewinn an Lebensjahren verbunden ist.

 

Natürlich ist der Weg aus der Nikotinabhängigkeit für viele eine große Herausforderung - körperlich wie psychisch. Doch es lohnt sich: Wer aufhört zu rauchen, verlängert sein Leben - messbar, direkt und dauerhaft. 

Expertenkommentar Prof. Blankenberg: Konsequente Politik wirkt - das zeigt ein Blick nach Australien

 

Internationale Daten des Global Cardiovascular Risk Consortium zeigen deutliche Unterschiede in der Prävalenz des Rauchens in verschiedenen Ländern - auffällig: In Australien ist der Anteil der Rauchenden besonders niedrig. Das ist kein Zufall - Australien gilt weltweit als Vorreiter in der Bekämpfung des Nikotinkonsums.

 

Strikte Maßnahmen einer konsequenten Anti-Nikotin-Politik wie ein Werbeverbot, weitreichende Rauchverbote in öffentlichen Räumen, intensive Aufklärung und regelmäßige Steuererhöhung zeigen dort Wirkung. Die Raucherquote unter den Erwachsenen ist eine der niedrigsten der Welt. Das Beispiel macht deutlich: Politische Entscheidungen beeinflussen das Gesundheitsverhalten der Bevölkerung.

 

Auch in Deutschland sind Informationskampagnen und der Schutz junger Menschen wichtige Bausteine der Prävention. Doch das allein reicht nicht aus. Ein wirksames Mittel, um den Einstieg ins Rauchen zu erschweren und den Konsum insgesamt zu senken, ist eine spürbare Erhöhung der Tabaksteuer. Es ist höchste Zeit, dass sich die Gesundheitspolitik klar zum Ziel bekennt: Nikotin unattraktiv zu machen – auch über den Preis.

Zur Person

Prof. Christina Magnussen

Prof. Christina Magnussen ist stellv. Klinikdirektorin, Personaloberärztin und Bereichsleiterin Herzinsuffizienz am Universitären Herz- und Gefäßzentrum Hamburg. Ihr Forschungsschwerpunkt ist die kardiovaskuläre Risikoprädiktion.

Zur Person

Prof. Stefan Blankenberg

Prof. Stefan Blankenberg ist Ärztlicher Direktor des Universitären Herz- und Gefäßzentrums Hamburg sowie Direktor der Klinik für Kardiologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen innovative Methoden zur Diagnose und Therapie des Herzinfarktes sowie moderne Populationsforschung. Für 2025–2027 wurde er zum Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) gewählt.


Referenzen

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