HERZMEDIZIN: Welche Herausforderungen bringt dieser rasante Wandel mit sich?
Beyersdorf: Zu Beginn jeder neuen Technologie gibt es Herausforderungen, von ganz klein bis ganz groß. Das sieht man derzeit auch bei den Large Language Models wie Chat GPT, die bei bestimmten Anforderungen sogenannte „Halluzinationen“, also Fehlinformationen, erzeugen. Ähnliches gilt auch in der Medizin: Nicht alles, was innovative Systeme liefern, ist sofort korrekt oder wissenschaftlich fundiert. Daher müssen wir diese Technologien genau überprüfen und validieren, bevor sie breite Anwendung finden.
Es zeichnen sich aber auch noch viel tiefgreifendere Entwicklungen ab, getrieben von Quanten-, Bio-, Nanotechnologie und Künstlicher Intelligenz. Man kann hier wirklich von einer Revolution sprechen. Seit Menschengedenken nehmen wir auf materieller Ebene Veränderungen vor – ob durch Feuer, Dampfkraft oder Elektrizität; jetzt verändern wir als Menschen zum ersten Mal die Intelligenz und die Regeln des Lebens selbst. Man denke hier auch an Ansätze wie Artificial Life und Rejuvenation. Da kann einem schon schwindelig werden, bis hin zu existenziellen Fragen, ob es den Menschen als solchen morgen überhaupt noch gibt.
„Great challenges lead to unlimited opportunities“ hieß es in meinem Vortrag. Es sollte uns um das aktive Gestalten all dieser Veränderungen gehen – Erfolg kommt mit dem Tun. Dazu wurde beispielsweise auf dem Gebiet der Herzchirurgie vor drei Jahren das Innovation Committee der EACTS (European Association for Cardio-Thoracic Surgery) gegründet, bei dem ich Vorsitzender bin. Wir möchten die internationale und interdisziplinäre Vernetzung vorantreiben und setzen uns für praktikable Regulierungen ein, Stichwort Medical Device Regulation, um Innovationen im europäischen Raum zu fördern, die Risiken zu managen und die großen Chancen für eine bessere Patientenversorgung zu nutzen.