CARL als weiteres Element der Rettungskette kann die Überlebenschance nach Herzstillstand verbessern

 

Die Überlebenschancen nach einem plötzlichen Herzstillstand sind immer noch schlecht, denn nur etwa jede zehnte Person überlebt einen Herzstillstand außerhalb des Krankenhauses. Das könnte sich zukünftig ändern: Mit dem neuartigen Therapiekonzept CARL, das am Uniklinikum Freiburg entwickelt wurde, könnten dreimal mehr Leben gerettet werden, wie eine aktuelle Beobachtungsstudie jetzt zeigte.

Von

Dr. Heidi Schörken

HERZMEDIZIN-Redaktion

 

Prof. Georg Trummer

Senior Editor

 

15.01.2024

 

Bildquelle (Bild oben): Universitätsklinikum Freiburg

Der plötzliche Herzstillstand ist eine der häufigsten Todesursachen weltweit. Allein in Deutschland sterben rund 50.000 Menschen jedes Jahr am plötzlichen Herztod. Die Überlebenschancen sind nach wie vor schlecht: Bei einem Herzstillstand außerhalb des Krankenhauses überleben weniger als 10 % der Betroffenen – nicht selten mit schweren Hirnschädigungen. Um die Überlebenschancen zu verbessern, wurde am Universitätsklinikum Freiburg nach jahrelanger Forschungsarbeit das Therapiekonzept CARL entwickelt. CARL steht für Controlled Automated Reperfusion of the whoLe body.

 

Der innovativen multimodalen Reperfusionstherapie CARL liegt das Verständnis der Pathophysiologie des akuten Herzstillstands („Ischämie“) zugrunde sowie der nachfolgenden Wiederdurchblutung „Reperfusion“ im Rahmen der kardiopulmonalen Wiederbelebung.

 

CARL umfasst daher 4 Komponenten:

 

  • Extrakorporale Zirkulation: Eine Doppelpumpensteuerung sorgt für einen hohen pulsatilen Blutfluss und Blutdruck. Der Sauerstoffgehalt wird präzise gesteuert und über eine mobile Kühleinheit lässt sich der Körper der Betroffenen schnell auf 33–35°C herunterkühlen.
  • Individualisierte Multiorgan-Reparatur: Anstatt wie üblich das hyperoxämische, aber ansonsten unveränderte Blut in die Oberschenkelarterie zurückzuführen, werden 14 Blutparameter kontrolliert und modifiziert, um Organschäden durch Ischämie, Hypoxie, Reperfusion und Reoxygenation entgegenzuwirken.
  • Umfassendes Real-Time-Monitoring: Echtzeitmessungen der hämodynamischen und metabolischen Parameter sowie der Temperatur ermöglichen eine sofortige Anpassung an individuell festgelegte Zielwerte und gewährleisten somit eine personalisierte Therapie.
  • Behandlung außerhalb des Krankenhauses: Tragbare mobile Geräte erlauben den sofortigen Beginn der multimodalen Therapie, dadurch kann die Reanimationsdauer minimiert werden.

Erste prospektive Beobachtungsstudie

 

In der multizentrischen prospektiven, nicht-interventionellen Studie wurde nun erstmalig untersucht, ob CARL das Überleben und die Organfunktionen nach Herzstillstand tatsächlich verbessern kann. Patient:innen mit Herzstillstand innerhalb und außerhalb des Krankenhauses wurden unselektiert eingeschlossen (All-Comers-Kohorte). Die Entscheidung, CARL einzusetzen, wurde durch die behandelnden Ärztinnen und Ärzte getroffen entsprechend dem mutmaßlichem Patientenwillen.

 

Als primäre Endpunkte wurden das Gesamtüberleben bei Krankenhausentlassung und ein guter neurologisches Zustand (CPC-Score 1 oder 2) nach 90 Tagen erfasst. Die CPC-Skala reicht von 1 (good cerebral performance) bis 5 (Hirntod). Ein gutes neurologisches Ergebnis ist definiert als CPC-Score ≤ 2.

7 teilnehmende Zentren aus 3 Ländern

 

In die Studie wurden insgesamt 69 Patient:innen (54 Männer und 15 Frauen) mit Herzstillstand eingeschlossen, die von Januar 2020 bis Januar 2023 in den folgenden 7 Zentren behandelt wurden: Freiburg-Bad Krozingen, Regensburg, Düsseldorf, Linz, Rotterdam, Bad Oeynhausen und Hamburg. Das mittlere Alter betrug 59,0 ± 13,4 Jahre. 80 % der Teilnehmenden hatten eine bekannte kardiovaskuläre Krankheit und 55 % weitere Komorbiditäten. Die Ursache des Herzstillstands war zu 62 % ein Myokardinfarkt. Die mediane Dauer der konventionellen Reanimation (CCPR) vor dem Einsatz von CARL lag bei 51,5 min mit einer maximalen Dauer von bis zu 138 min.

Besseres Gesamtüberleben durch CARL

 

Die Gesamtüberlebensrate bei Krankenhausentlassung betrug 42,0 %, und bei rund 80 % der Überlebenden wurde ein gutes neurologisches Ergebnis (CRP 1+2) erreicht (CPC1+2-Überlebensrate 33 %). Mit 52 % war die Überlebensrate nach Herzstillstand im Krankenhaus besonders günstig wie auch das CPC1+2-Überleben nach 90 Tagen mit 41 %. Die Überlebensrate nach Herzstillstand außerhalb des Krankenhauses betrug 35 % und die entsprechende CPC1+2-Überlebensrate lag bei 28 %. In der Subgruppe der prähospital kanülierten Patient:innen war die Überlebensrate mit 57 % am höchsten.

Die Überlebensrate korrelierte mit dem Alter und der CCPR-Dauer

 

Bei kurzer CCPR-Dauer (≤ 30 Minuten) betrug die Überlebensrate 100 % in der Altersgruppe von 18–64 Jahren. In der Alterskategorie von 65–75 Jahren wurden zufriedenstellende Überlebensraten abhängig von der CCPR-Dauer dokumentiert: 50 % bei ≤ 30 min, 40 % bei 30–60 min und 29 % bei ≥ 60 min. Dagegen war die Kombination von langandauernder CCPR ≥ 60 min und hohem Alter ≥ 75 Jahre mit 0 % Überleben assoziiert. Bemerkenswerterweise überlebten alle 4 Patient:innen über 75 Jahre mit einer CCPR-Dauer ≤ 30 min.

Fazit: Dreimal mehr Leben gerettet mit CARL

 

Bei einer breitgefächerten Patientenpopulation und langen Reanimationszeiten wurde hier erstmalig nachgewiesen, dass CARL dazu beitragen kann, das Überleben zu verbessern: Es konnten rund dreimal mehr Leben gerettet werden gegenüber der konventionellen Reanimation sowohl bei Herzstillstand im Krankenhaus als auch außerhalb des Krankenhauses. Diese ermutigenden Ergebnisse wurden trotz der älteren und komorbiden Patientenpopulation erreicht.

 

Übereinstimmend zu früheren Berichten ist vor allem die Dauer der Reanimation ein kritischer Faktor für das Überleben nach Herzstillstand. Durch die tragbaren mobilen Geräte kann der Einsatz von CARL die Reanimationsdauer verkürzen. Dementsprechend zeigte die Subgruppe mit prähospitaler Kanülierung besonders hohe Überlebensraten. Allerdings ist der Einsatz von CARL außerhalb des Krankenhauses auch mit speziellen Anforderungen an Technik und Personal verbunden.

 

Um die klinische Relevanz von CARL für unterschiedliche Subgruppen genauer zu untersuchen, sind zukünftig weitere Studien erforderlich und bereits in Planung.


Referenz

Trummer G et al. Treatment of Refractory Cardiac Arrest by Controlled Reperfusion of the Whole Body: A Multicenter, Prospective Observational Study. Journal of Clinical Medicine. 2024; 13(1):56. https://doi.org/10.3390/jcm1301005

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