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Kathetergestützter und chirurgischer Aortenklappenersatz ebenbürtig

Der kathetergestützte Aortenklappenersatz ist dem chirurgischen Aortenklappenersatz auch bei jüngeren Niedrigrisikopatient:innen ebenbürtig. Dies ist das Ergebnis der Einjahresauswertung der DEDICATE-DZHK6-Studie, die unter Leitung von Prof. Dr. Stefan Blankenberg am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) und 37 weiteren deutschen Herzzentren durchgeführt wurde. Die industrieunabhängige Studie gehört zum Forschungsprogramm des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) und ist die erste in Deutschland, die von den Fachgesellschaften für Kardiologie und Herzchirurgie gemeinsam konzipiert wurde. Das Studienteam aus Kardiolog:innen und Herzchirug:innen veröffentlicht die Ergebnisse heute im New England Journal of Medicine.

 

Berlin/Düsseldorf, 8. April 2024 – Ziel der DEDICATE-Studie war es, herauszufinden, ob die kathetergestützte Aortenklappenimplantation bei jüngeren Patientinnen und Patienten und solchen mit niedrigem Operationsrisiko dem chirurgischen Aortenklappenersatz ebenbürtig ist. Dies konnte überraschend deutlich gezeigt werden: Innerhalb eines Jahres nach dem Eingriff traten in der Kathetergruppe fast halb so viel Todesfälle und Schlaganfälle auf wie in der chirurgischen Gruppe. „Das bedeutet, dass aufgrund dieser Daten die minimalinvasive Katheterbehandlung der Aortenklappenstenose auch bei jüngeren und risikoärmeren Menschen als Alternative zum chirurgischen Verfahren in Erwägung gezogen werden kann“, sagt Studienleiter Prof. Dr. Stefan Blankenberg, Ärztlicher Leiter des Universitären Herz- und Gefäßzentrums am UKE und Sprecher des Standortes Nord des DZHK.

 

Beide Verfahren mit Vor- und Nachteilen

Bei der Aortenklappenstenose ist die Aortenklappe verengt, was den Blutstrom aus der linken Herzkammer in die Hauptschlagader, die Aorta, behindert. Sie ist eine der häufigsten Herzklappenerkrankungen und nimmt mit dem Alter zu. Eine hochgradige Aortenklappenstenose führt zu Luftnot und eingeschränkter Belastbarkeit und stellt ein hohes Risiko für den plötzlichen Herztod dar. Wird die Klappe durch eine Prothese ersetzt, kann das Blut wieder ungehindert fließen, und die Patienten gewinnen an Lebensqualität.

 

Bisher galt der chirurgische Aortenklappenersatz, der seit den 1970er Jahren durchgeführt wird, als Goldstandard. Die neue Herzklappenprothese wird bei geöffnetem Brustkorb unter Einsatz einer Herz-Lungen-Maschine eingenäht. Die Methode zeichnet sich durch eine hohe Dichtigkeit und Langlebigkeit der Prothese aus.

 

Das minimalinvasive Katheterverfahren wird laut Leitlinie bislang überwiegend für ältere und morbidere Patient:innen und solche mit Begleiterkrankungen empfohlen. Über eine Punktion der Leistenarterie wird die Aortenklappenprothese mit einem Katheter bis zur Aorta vorgeschoben und dort entfaltet. Das Verfahren ist für den Organismus schonender, es besteht allerdings eine minimal geringere Dichtigkeit zwischen Prothesengerüst und Aortenwand und die Herzschrittmacherrate ist etwas höher. Zur Langzeithaltbarkeit dieser neueren biologischen Prothesen existieren weniger umfangreiche Daten als für chirurgisch implantierte Prothesen.

 

Katheter-gestützter Klappenersatz wird zur Therapie der Wahl

Das Studienteam hatte 1.414 Patient:innen mit einem Durchschnittsalter von 74 Jahren – was für das Krankheitsbild der Aortenklappenstenose als jung gilt – nach dem Zufallsprinzip in zwei Gruppen eingeteilt und kathetergestützt oder chirurgisch behandelt. Alle Patient:innen waren grundsätzlich für beide Verfahren geeignet. Eine Besonderheit der Studie war, dass sie keine Vorgaben zur Auswahl der verschiedenen, verfügbaren Prothesenmodelle machte - die Behandlungsteams konnten dies selbst entscheiden. „Wir haben eine Versorgungsform getestet und kein spezielles Medizinprodukt, anders als die Medizinprodukthersteller das machen. Damit lassen sich die Ergebnisse sehr gut auf die Routineversorgung übertragen“, sagt Blankenberg.

 

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind nun gespannt, was die 5-Jahres-Datenauswertung ergibt. Blankenberg vermutet, dass die Ergebnisse auch nach 3 und 5 Jahren stabil bleiben. Der kathetergestützte Aortenklappenersatz werde in der Routineversorgung mehr und mehr zur Therapie der Wahl, ist er überzeugt. In jedem Fall sollten aber die Herzteams vor Ort gemeinsam über die am besten geeignete Methode entscheiden, so der Kardiologe, der ab 2025 auch Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) sein wird.

 

Klappenersatz sollte nur an spezialisierten Herzzentren erfolgen

Prof. Stefan Blankenberg und Prof. Volkmar Falk, Seniorautor und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz und Gefäßchirurgie (DGTHG) betonen, dass die sehr guten TAVI Ergebnisse auch die hohe Expertise und die exzellenten Voraussetzungen der spezialisierten 38 Studienzentren spiegeln. Auch zukünftig sollte diese Therapieform an Herzzentren erfolgen, welche nach den neuesten wissenschaftlichen Ergebnissen arbeiten, erfahrene Katheter-Expert:innen und Herz- und Gefäßchirurg:innen vereinen und über eine leistungsfähige Intensivmedizin und Kardio-Anästhesie verfügen.

 

Für beide ist die DEDICATE-Studie auch ein Vorbild für die Zusammenarbeit der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie, der Deutschen Gesellschaft für Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz und Gefäßchirurgie, der Deutschen Herzstiftung und des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung im Rahmen der Nationalen Herz-Allianz: "Die offenen Fragen in der Herz-Kreislauf-Medizin können wir nur gemeinsam lösen - zum Wohle der Patientinnen und Patienten.“

 

Auch Prof. Thomas Voigtländer, Vorsitzender der Deutschen Herzstiftung, sieht deutliche Verbesserungen für diese große Gruppe von Patientinnen und Patienten mit einer Aortenklappenstenose: „Mit dieser kathetergestützten Therapieoption können die Behandlungsteams nun noch individueller auf die Situation der Betroffenen eingehen.“

 

 

 

Bildunterschrift: v. l. n. r.: Prof. Dr. Volkmar Falk, Direktor der Klinik für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie der Charité Universitätsmedizin Berlin und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie; Prof. Dr. Stefan Blankenberg, Ärztlicher Leiter des Universitären Herz- und Gefäßzentrums am UKE, Sprecher des Standortes Nord des DZHK und künftiger Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung; Prof. Dr. Thomas Voigtländer, Ärztlicher Direktor am Agaplesion Bethanien Krankenhaus Frankfurt am Main und Vorsitzender der Deutschen Herzstiftung.

 

Bildquelle: Herzmedizin.de / Ronny Kretschmer

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Das DZHK will neue Therapien und Diagnoseverfahren entwickeln, damit es Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen besser geht. Dazu will das Zentrum Ergebnisse aus der Grundlagenforschung zügig und zielgerichtet zur Anwendung bringen (Translation). Das DZHK vereint deshalb hervorragende Grundlagenforscher:innen und klinische Forscher:innen aus sieben Standorten in Deutschland. Es fördert die Kooperation zwischen ihnen mit dem Ziel, Synergien zu entwickeln und damit den Prozess der Translation zu beschleunigen. Das DZHK investiert seine Mittel vor allem in bisherige Schwachpunkte des Translationsprozesses.

 

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Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung e. V. (DGK) mit Sitz in Düsseldorf ist eine gemeinnützige, wissenschaftlich medizinische Fachgesellschaft mit mehr als 12.000 Mitgliedern. Ihr Ziel ist die Förderung der Wissenschaft auf dem Gebiet der kardiovaskulären Erkrankungen, die Ausrichtung von Tagungen, die Aus-, Weiter- und Fortbildung ihrer Mitglieder und die Erstellung von Leitlinien. Weitreichende Informationen für Ärztinnen und Ärzte sowie medizinisches Fachpersonal, aber auch für Nicht-Mediziner:innen stellt die DGK auf Herzmedizin.de zur Verfügung.

 

Über die Nationale Herz-Allianz

In Deutschland leben Millionen von herzerkrankten Menschen. Und Herz-Erkrankungen sind noch immer die häufigste Todesursache. Dabei könnte eine bessere Versorgung unzählige Leben retten. Die Nationale Herz-Allianz ist ein breites Bündnis, in dem sich alle großen herzmedizinischen Fachgesellschaften Deutschlands, das DZHK und die Patientenorganisation zusammen für eine Verbesserung von Forschung und Versorgung im Bereich der Herz-Kreislauf-Erkrankungen engagieren.

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