Aktuelle Empfehlungen und Innovationen in der Lipidtherapie

Pressestatement von Prof. Dr. Ulrich Laufs, Leipzig, Tagungspräsident „Kardiologie Aktuell“ 2023

Bonn, 5. Oktober 2023 – LDL-Cholesterin ist maßgeblich für die Entstehung einer Arteriosklerose mitverantwortlich. Auf dem Weg durch die Blutgefäße lagert es sich an der Gefäßinnenwand (Endothel) ab, beschädigt sie, und begünstigt lokale Entzündungsreaktionen. In der Folge lagern sich Plaques am Endothel ab und es kommt zur Verstopfung der Arterien, der Atherosklerose. Somit erhöht sich auch das Risiko für eine chronische koronare Herzkrankheit (KHK) und Myokardinfarkte.

Obwohl das Wissen hierüber nicht neu ist, schaffen wir es seit Jahren in Deutschland nicht, die Therapieziele der Leitlinie zu erreichen. Beispielsweise sollen Patientinnen und Patienten mit sehr hohem bzw. hohem kardiovaskulärem Risiko demnach ein LDL-C <1,4mmol/l (55mg/dl) bzw. LDL-C <1,8mmol/l (70mg/dl) erreichen. Zusätzlich soll der Wert um mindestens 50 % im Vergleich zum Ausgangswert gesenkt werden.

 

Viele Hindernisse bei der Therapie von hohen LDL-Cholesterin-Werten

 

Es gibt wirkungsvolle neue Medikamente zusätzlich zu den seit Langem etablierten Statinen, mit denen diese Zielwerte erreicht werden könnten. Allerdings führt aktuell eine Kombination aus Patienten-, Arzt- und systembezogenen Faktoren dazu, dass diese nicht in ausreichender Form bei den Patient:innen ankommen.

 

Neben positiven Studien-Ergebnissen liegen auch aktuelle neutrale Studien vor:

 

Die aktuelle PROMINENT-Studie zeigt erneut, dass die Gabe von Fibraten (hier Pemafibrat) keinen Effekt auf die Reduktion von klinischen Endpunkten von kardiovaskulären Ereignissen hat.

 

Eine zweite gut gemachte neutrale Studie untersuchte jüngst Nahrungsergänzungsmittel, die weniger in Fachkreisen aber umso mehr in der breiten Öffentlichkeit populär sind. Im Rahmen der SPORT-Studie (Dezember 2022) wurden 190 Probandinnen und Probanden im mittleren Alter von 64,4 Jahren (59 % weiblich) über den Zeitraum Mai 2021 bis Juli 2022 beobachtet. Gegeben wurden zur vermeintlichen Reduktion von LDL-C populäre Nahrungsergänzungsmittel sowie Rosuvastatin. Während das Statin in der Lage war, die LDL-C-Werte im Mittel um mehr als ein Drittel (35,2 %) zu senken, hatten Nahrungsergänzungsmittel keinen nennenswerten Effekt.

 

Für eine Selbsttherapie von Patientinnen und Patienten mit Nahrungsergänzungsstoffen und die Medikamenten-Klasse der Fibrate liegt also kein Beleg für eine positive klinische Wirkung vor. Ein aktiver Lebensstil mit viel Bewegung und der Verzicht auf das Rauchen bleiben die besten Mittel für eine wirkungsvolle Selbsttherapie jenseits der Gabe von Medikamenten.

 

Hoffnungsträger Lp(a)- und PCSK-9-Hemmer

 

Dem Lipoprotein(a), kurz Lp(a) kommt als Risikofaktor eine große Bedeutung zu und ist in den letzten Jahren immer mehr in den medizinischen Fokus gerückt. Es hat eine ähnliche Grundstruktur wie LDL-Cholesterin, hat neben einer proatherogenen aber auch eine proinflammatorische Wirkung. Zusätzlich begünstigt es den Anteil an oxidierten Phospholipiden in Koronarplaques. Inzwischen weiß man, dass das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse fast linear mit der Konzentration von Lp(a) im Blutserum steigt. Welche Lp(a)-Konzentration ein Mensch hat, ist im Wesentlichen genetisch determiniert, kann durch den Lebensstil nicht gesenkt werden und war bisher nicht durch Medikamente beeinflussbar.

 

Erstmalig werden jetzt neue Medikamente klinisch getestet, die Lp(a) selektiv und hochwirksam reduzieren können: Für die RNA-Wirkstoffe zur Lp(a)-Senkung, Pelacarsen und Olpasiran, laufen aktuell die Endpunktstudien.

 

Ebenfalls in der Phase von Endpunktstudien ist der CETP-Hemmer Obicetrapib. Zusätzlich befinden sich mit Fusion Protein, Adnektin und makrozyklische Peptiden neue PCSK-9-Hemmer in Phase-III-Studien. Wenn diese Medikamente ihre Wirksamkeit und Sicherheit belegen, würde dies völlig neue Möglichkeiten in der Lipid-Therapie eröffnen.

 

 

Atherosklerotische Herz-Kreislauf-Erkrankungen treten bei Frauen immer häufiger auf

 

Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind weltweit die häufigste Todesursache bei Frauen und Männern. Trotz der medizinischen Fortschritte in den letzten 30 Jahren nimmt die Sterblichkeit bei atherosklerotischen Herz-Kreislauf-Erkrankungen (ASCVD) zu. Dabei ist der relative Anstieg bei Frauen mittleren Alters am stärksten. Es gibt Belege dafür, dass geschlechtsspezifische Faktoren wie hypertensive Störungen in der Schwangerschaft, vorzeitige Menopause oder das polyzystische Ovarialsyndrom mit einem höheren kardiovaskulären Risiko verbunden sind. Frauen sind auch unverhältnismäßig stark von Diabetes, chronischen Nierenkrankheiten und entzündlichen Autoimmunerkrankungen betroffen. Gleichzeitig werden ASCVD bei Frauen seltener diagnostiziert als bei Männern und auch die Gabe von Statinen erfolgt seltener. Gründe hierfür können sein, dass Frauen mit Symptomen für kardiovaskuläre Ereignisse seltener ärztlichen Rat suchen, wenn durch den Arztbesuch die Zeit fehlt, tägliche Aufgaben im Haushalt und Familienmanagement zu erledigen. Für Frauen, die eine traditionellere Rolle innerhalb der Familie einnehmen oder einer niedrigeren sozioökonomischen Schicht angehören, trifft dies häufiger zu.

 

Im Unterschied zu Männern steigt im Verlauf der Lebenszeit das Cholesterin um 10 Jahre verzögert an, allerdings liegen ab der Menopause deutlich höhere Cholesterin-Werte bei Frauen vor. Daher ist – entgegen der Wahrnehmung – die Lebenszeitbelastung durch Cholesterin für Frauen höher als für Männer.

 

Es wird darum empfohlen, die kardiovaskuläre Gesundheit von Frauen bereits in jungen Jahren routinemäßig zu untersuchen. Risikofaktoren müssen bei Frauen früher erkannt und behandelt werden, um ihren vergleichsweise hohen Anteil an ASCVD zu verringern.

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