Aktuelle Ergebnisse der Datensammlung von Pediatric Inflammatory Multisystem Syndrome (PIMS)-Fällen bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland – Update PIMS-Survey

Dr. Richard Eyermann, Berchtesgaden

Hintergrund

Aus vielen der von SARS-CoV-2 Pandemie betroffenen Länder wird seit 2020 von Kindern mit schweren inflammatorischen Krankheitsbildern berichtet. International werden die Fälle inzwischen unter den Akronymen MIS-C oder PIMS zusammengefasst und verschiedene relativ ähnliche Falldefinitionen veröffentlicht (CDC, WHO, RCPCH). Die klinische Präsentation zeigt gewisse Variation und ähnelt bekannten „inflammatorischen Erkrankungen“ wie Kawasaki- oder Makrophagenaktivierungssyndrom.

 

Methoden

Aktuelle Auswertung des DGPI-Registers, Diskussion und Schlussfolgerungen.

 

Ergebnisse

Seit Beginn der PIMS-Erfassung am 01.01.2020 wurden bis zum 30.04.2023 921 Kinder und Jugendliche aus 211 meldenden Zentren erfasst. Gewählte Falldefinition nach WHO. Retrospektive Erfassung war möglich.

 

Fälle wurden als PIMS gewertet, wenn neben (1) Fieber, (2) erhöhte systemische Inflammationsparameter (CRP oder PCT), (3) mindestens zwei Organbeteiligungen und (4) Evidenz einer aktuellen (positiver SARS-CoV-2 PCR- oder Antigen-Nachweis) oder stattgehabten (positive SARS-CoV-2 Serologie) SARS-CoV-2-Infektion oder eines SARS-CoV-2-Kontaktes innerhalb von drei Monaten vor akuter Episode nachzuweisen waren, sowie (5) andere infektiologische Ursachen ausgeschlossen werden konnten.

 

Es zeigen sich PIMS-Erkrankungs-Gipfel jeweils Ende Dezember 2020 und 2021, parallel zum Peak der COVID-19-Hospitalisierungen bei Kindern und Jugendlichen. Im Gegensatz zu den COVID-19-Fällen sind Kinder mit PIMS älter und eher männlichen Geschlechts. PIMS-Fälle sind seltener mit Grunderkrankungen assoziiert als COVID-19-Fälle.

 

PIMS-Fälle können sich als drei verschiedene klinische Syndrome präsentieren:

 

  • reine PIMS-Fälle nach der obigen Falldefinition und Bewertung, mit maximal einem Kawasaki-Kriterium (als SARS-CoV-2 non-Kawasaki-PIMS [non-KS-PIMS] bezeichnet),
  • Kawasaki-Syndrom-Fälle mit Erfüllen von mindestens zwei der fünf Kawasaki-Kriterien (als SARS-CoV-2 Kawasaki-Syndrom [KS] gewertet)
  • PIMS-Fälle, die auch mindestens zwei der fünf Kawasaki-Kriterien erfüllen (als SARS-CoV-2 PIMS + Kawasaki-Syndrom [KS-PIMS] bezeichnet)

 

Als interne Kontrolle wurden im PIMS-Survey auch Fälle eines non-SARS-CoV-2-assoziierten Kawasaki-Syndroms [non-SARS-KS] erfasst.

 

In den meisten PIMS-Fällen war die Aufnahmediagnose eine andere als PIMS. Häufigste Organbeteiligungen waren Haut/Schleimhaut, HKL u. GI-trakt (GE 18,3%).

 

Während SARS-CoV-2-Direktnachweise durch PCR bei diesen Patient:innen die Ausnahme darstellen (11%), konnten im relevanten Anteil Antikörper nachgewiesen werden (80%).

 

Die Mehrheit der PIMS-Fälle wurde intensivmedizinisch behandelt, fast alle Patient:innen erhielten immunmodulatorische Therapien (96,3%), ein hoher Prozentsatz auch eine systemische Antibiotikatherapie (70,2%).

 

Absehbarer Verlauf in Bezug auf die PIMS-Symptome des HKL-Systems: Symptom-Resolution im Verlauf des stationären Aufenthaltes (N=434), reversible Symptome bei Entlassung (N=184), mit Folgeschäden bei Entlassung (N=22), teils reversibel / teils mit Folgeschäden (N=7), unklar (N=20).

 

Patienten-Outcome war günstig: Restitutio ad integrum 55,9%, Restsymptome 37,7%, 

Folgeschäden bei Entlassung 3,5%, v. a. bzgl. HKL < 10%, unklarer Entlassungsstatus 2,9%.

Rate sinkt langsam im Laufe der Zeit. Tödliche Verläufe wurden bisher nicht berichtet.

 

Diskussion

Neben schwerer COVID-19 ist v. a. das Hyperinflammationssyndrom PIMS/MIS-C für schwere Krankheitsverläufe nach SARS-CoV-2-Infektionen im Kindesalter verantwortlich. Hierbei handelt es sich um eine postinfektiöse, akut einsetzende Hyperinflammationsreaktion nach typischerweise mild verlaufender SARS-CoV-2-Primärinfektion. Die Erkrankung tritt zwei bis sechs Wochen nach der primären Infektion auf. Typische Symptome beinhalten Fieber (obligat), gastrointestinale Beschwerden mit Bauchschmerzen, Erbrechen, Diarrhoe, Myokardbeteiligung mit myokardialer Dysfunktion, Herzrhythmusstörungen, Perikarditis, Kreislaufinsuffizienz, arterielle Hypotonie, Hautauschläge (generalisiertes makulöses, oft auch palmoplantares Exanthem), Konjunktivitis, Schleimhautbeteiligung (gerötete rissige Lippen, Erdbeerzunge) oder neurokognitive Symptome. Allerdings kann auch – wie bei der akuten SARS-CoV-2-Infektion – eine bronchopulmonale Symptomatik vorhanden sein. Ebenso wie beim Kawasaki-Syndrom (KS) ist auch für PIMS/MIS-C die Ursache unbekannt.

 

Die diagnostische Abgrenzung des klassischen KS vom PIMS/MIS-C kann schwierig sein. Hilfreich können schwerwiegendere Organbeteiligungen mit vorherrschender gastrointestinaler Beschwerdesymptomatik sowie Laborbefunde wie eine ausgeprägte Lympho- und Thrombozytopenie sowie eine Hypoproteinämie und Gerinnungsaktivierungsein; diese sind beim KS eher selten zu finden. Typischerweise sind die Konzentrationen des NT-pro BNP und teilweise auch des Troponin T erhöht. Insbesondere bei Kleinkindern ist eine breite Überlappung zum KS vorhanden.

 

Der PIMS-Survey der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI) listet im Zeitraum vom 01.01.2020 – 30.04.2023 insgesamt 921 PIMS-Fälle in Deutschland. Tödliche Verläufe sind nicht gemeldet. In den USA wurden über Center for Disease Control and Prevention (CDC) im gleichen Zeitraum 9.370 Fälle von MIS-C dokumentiert, 76 Fälle (0,8%) verliefen tödlich. Mit Auftreten der Alpha-, Delta- und v.a. Omikron-Variante kam es zu einem kontinuierlich abnehmenden Risiko für ein PIMS nach SARS-CoV-2-Infektion. Während das Risiko für das Hyperinflammationssyndrom während der Zirkulation von Hu-1 und der Alpha-Variante ca. 1:4000 Infektionen betrug, kam es unter Omikron zu einer Reduktion um 70-90%, entsprechend einem Risiko von 1:40.000 -1:80.000 Infektionen. Dies ist aber keine bloße Folge der Hintergrundimmunität durch vorangegangene SARS-CoV-2-Impfung oder -Infektion, sondern auch Ausdruck der geringeren Immunogenität der Omikron-Variante, wie z. B. eine Arbeit aus Dänemark zeigen konnte. Seit dem Herbst 2022 wurde weder bei der CDC noch über den PIMS-Survey eine relevante Zahl neuer Fälle von PIMS dokumentiert.

 

Konklusion

Sehr bemerkenswert sind die Zahlen bisher gemeldeter PIMS-Fälle 01.01.2020 - 30.04.2023: 211 meldende Zentren, 921 PIMS-Fälle, mit günstigem Patienten-Outcome ohne Todesfälle. Dank an die engagierten Kolleginnen und Kollegen, die an das Register der DGPI „PIMS-Survey“ melden.

 

Die betroffenen Patient:innen werden gezielt nachverfolgt nach evidenzbasiertem Expertenkonsens medizinischer Fachgesellschaften (Nachsorge nach DGPI, API, DGKJ, GOPH, GKJR, GPP u. STAKOB 2022).

 

Referenzen

Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie, e. V. (2023): Ergebnisse der PIMS-Surveys (01.01.2020-30.04.2023), URL:

https://dgpi.de/pims-survey-update/

 

 

Abb. 1: Übersicht und Häufigkeit der Organbeteiligungen bei PIMS (mod. PIMS-Survey)

 

 

Abb. 2: Übersicht und Häufigkeit der angewandten Therapieformen (mod. PIMS-Survey)

 

 

Abb. 3: Günstiges Patienten-Outcome – keine Todesfälle (mod. PIMS-Survey)

 

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