Ein prospektives, multizentrisches Register für Patient:innen mit Herzinsuffizienz. Aufbau und vorläufige Ergebnisse des aktiv rekrutierenden H2-Registers

Dr. med. Johannes Leiner und Prof. Dr. Dr. med. Andreas Bollmann, Leipzig

Hintergrund

Herzinsuffizienz ist eine weit verbreitete Erkrankung, die 1-2 % der Erwachsenen in Europa betrifft1. In den letzten zwei Jahrzehnten wurden bahnbrechende neue Therapieansätze für Herzinsuffizienz auf den Weg gebracht, jedoch sind die Hospitalisierungs- und Sterblichkeitsraten nach wie vor hoch1. Die Generierung von aktuellen Daten zu Herzinsuffizienzpopulationen im realen Behandlungsalltag, sogenannte „Real World Evidence“, ist von entscheidender Bedeutung, insbesondere um die Effekte der in den letzten Jahren neu etablierten Herzinsuffizienztherapien abzubilden.

 

Ziel

Ziel war der Aufbau eines multizentrischen Beobachtungsregisters für Patienten mit Herzinsuffizienz innerhalb des Helios-Kliniken-Netzwerks. Dabei erfolgt die Erhebung von Baseline- und Outcome-Variablen auf Grundlage der Empfehlungen des „International Consortium of Health Outcome Measurements“ (ICHOM)2. Dies schließt die systematische Erhebung von ausgewählten Fragebögen zur Dokumentation von Patienten-berichteten Behandlungsergebnissen, sogenannter „Patient-reported Outcome Measures“ (PROMs), zur objektiven Überwachung des Krankheitsverlaufs vor allem im Hinblick auf Lebensqualität und Symptomlast der Patient:innen mit ein.

 

Methoden

Das aktiv rekrutierende H2-Register ist ein prospektives, multizentrisches, Investigator-initiiertes Herzinsuffizienzregister. Der Studieneinschluss erfolgt stets während einer Hospitalisierung. Patient:innen im Alter von ≥18 Jahren mit chronischer oder akuter Herzinsuffizienz werden in aktuell zehn Helios-Kliniken in Deutschland rekrutiert (Abb.1). Ausgeschlossen werden Patient:innen, die sich initial im manifesten Schock (kardiogen oder anderer Art) präsentieren, sowie Patient:innen mit Herzunterstützungssystem oder mit Zustand nach Herztransplantation. Das routinemäßige Follow-Up erfolgt alle sechs Monate. Dabei kommen auch digitale Anwendungen wie ein App- oder Web-basiertes Follow-Up zum Einsatz. Hinsichtlich PROMs wird unter anderem der Herzinsuffizienz-spezifische Kansas City Cardiomyopathy Questionnaire (KCCQ-12) erhoben.

 

Ergebnisse

Bis zum Stichtag 31.05.2023 wurden insgesamt 2.291 Patient:innen eingeschlossen. Das mediane Alter in dieser Kohorte betrug 72 Jahre, 36,4% waren weiblich, und die mediane linksventrikuläre Auswurffraktion (LVEF) betrug 45%. Eine Herzinsuffizienz mit reduzierter linksventrikulärer Pumpfunktion (HFrEF, LVEF ≤ 40%) lag bei 38,3% vor, eine Herzinsuffizienz mit erhaltener linksventrikulärer Pumpfunktion (HFpEF, LVEF ≥ 50%) bei 40,6%. Die Krankenhaussterblichkeit bei Index-Hospitalisierung betrug 1,4%. Zu den häufigsten Komorbiditäten gehörten Bluthochdruck (86,5%), Vorhofflimmern (59%), Niereninsuffizienz (53,5%), koronare Herzkrankheit (39,8%) und Diabetes mellitus Typ 2 (38,4%). Zur weiterführenden Untersuchung von 6-Monats- und 12-Monats-Outcomes wurde eine Analyse von 1.022 Patienten mit mindestens zwölf Monaten Nachbeobachtungszeit (Einschluss bis 31.05.2022) unter Anwendung der Kaplan-Meier-Methode durchgeführt (Abb. 2). Die Gesamtmortalität zum Zeitpunkt sechs Monate betrug 9 %, zum Zeitpunkt zwölf Monate 15,9 %. Herzinsuffizienz-bedingte Rehospitalisierungen wurden bei 22,5 % der Patient:innen nach sechs Monaten sowie bei 44,2% nach zwölf Monaten beobachtet. Basierend auf den Veränderungen des KCCQ als Maß für die Symptomlast bei Patient:innen mit Herzinsuffizienz zeigte sich eine signifikante Verbesserung der Herzinsuffizienzschwere sowohl im Gesamtscore (p < 0,001) als auch in allen Subskalen (p < 0,01) zu den Verlaufsbeurteilungen nach sechs bzw. zwölf Monaten.

 

Schlussfolgerung/Fazit

Das H2-Register ist nach unserer Kenntnis das derzeit größte laufende prospektive Register für Herzinsuffizienzpatient:innen in Deutschland. Die vorläufigen Ergebnisse verdeutlichen das hohe Mortalitäts- und Hospitalisierungsrisiko in dieser Patientenkohorte. Allerdings zeigen unsere Daten eine Verbesserung der Lebensqualität im Verlauf nach einem initialen Krankenhausaufenthalt, was womöglich auf die Einleitung Herzinsuffizienz-spezifischer Therapien zurückzuführen ist. Es ist absehbar, dass das aktiv rekrutierende H2-Register mit einer Datenerhebung auf Grundlage von ICHOM-Standards in naher Zukunft einen wesentlichen Beitrag zur Sammlung von Real-World-Evidence bei Herzinsuffizienzpatient:innen leisten wird. Weiterhin können das Register und seine Infrastruktur als Ausgangspunkt für nachfolgende prospektive, randomisierte Studien dienen.

 

Referenzen

  1. Theresa A McDonagh et al. (2021): 2021 ESC Guidelines for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure: European Heart Journal, Volume 42, Issue 36, 21 September 2021, Pages 3599–3726, DOI: 10.1093/eurheartj/ehab368
  2. Seligman WH et al. (2020): Development of an international standard set of outcome measures for patients with atrial fibrillation: a report of the International Consortium for Health Outcomes Measurement (ICHOM) atrial fibrillation working group. Eur Heart J. 2020 Mar 7;41(10):1132-1140.

 

Finanzierung

Das H2-Register wird freundlicherweise durch die AstraZeneca GmbH (Hamburg) finanziell unterstützt.

 

Clinicaltrials.gov Identifier: NCT04844944

 

Acknowledgments

Dr. med. J. Leiner1,2, Dr. med. S. König1,2, Dr. rer. nat. A. Nitsche2, Dr. rer. nat. V. Pellissier2, Prof. Dr. med. M. Seyfarth3, Prof. Dr. H. Baberg4, Dr. med. A. Schade5, Dr. med. H. Neuser6, Prof. Dr. med. A. Staudt7, Prof. Dr. med. J. Tebbenjohanns8, Prof. Dr. med. R. Andrié9, Prof. Dr. med. M. Niehaus10, Prof. Dr. med. Dr. disc. pol. M. W. Ferrari11, Prof. Dr. med. R. Kuhlen12, Prof. Dr. Dr. med. A. Bollmann1,2

 

1Herzzentrum Leipzig, Universitätsklinik für Kardiologie - Helios Stiftungsprofessur, Abteilung für Rhythmologie; 2Real World Evidence and Health Technology Assessment am Helios Health Institute, Berlin; 3Helios Universitätsklinikum Wuppertal – Universität Witten/Herdecke, Abteilung für Kardiologie; 4Helios Klinikum Berlin-Buch, Abteilung für Kardiologie und Nephrologie; 5Helios Klinikum Erfurt – Klinik für Kardiologie, Abteilung für Rhythmologie und invasive Elektrophysiologie; 6Helios Klinikum Plauen – Klinik für Kardiologie und Angiologie; 7Helios Klinikum Schwerin – Klinik für Kardiologie und Angiologie; 8Helios Klinikum Hildesheim – Klinik für Kardiologie, Angiologie, Rhythmologie und Intensivmedizin; 9Helios Herzzentrum Siegburg – Klinik für Kardiologie und Angiologie; 10Helios Klinikum Gifhorn – Klinik für Kardiologie; 11Helios Dr. Horst Schmidt Klinikum Wiesbaden – Klinik für Innere Medizin I: Kardiologie und konservative Intensivmedizin; 12Helios Health und Helios Health Institute, Berlin

 

Abb.1: Übersicht über teilnehmende Zentren des H2 Registers

 

Abb. 2: Kaplan-Meier-Überlebenskurve für die Gesamtmortalität. Patient:innen mit Register-Einschluss bis 31.05.2022 wurden berücksichtigt. Patient:innen mit „lost to follow-up“ vor dem 6-Monats Follow-Up wurden exkludiert. Zensiert wurden Patient:innen am Tag der letzten Studienvisite oder nach 365 Tagen. Die Kohorte umfasst 1.022 Patienten. 

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