Neuigkeiten zur Nationalen Herz-Allianz

Pressestatement von Prof. Dr. Holger Thiele, Leipzig, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung e. V. (DGK)

Bonn, 5. Oktober 2023 – Dass es um die Herzgesundheit der Deutschen nicht gut bestellt ist, wurde uns kürzlich erneut eindrücklich durch die viel beachtete Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB) und des Max-Planck-Instituts aus dem Mai dieses Jahres vor Augen geführt. Im Vergleich von 16 europäischen Ländern hinsichtlich der durchschnittlichen Lebenserwartung belegt die Bundesrepublik nur den drittletzten Platz – obwohl die Deutschen mit am meisten für ihre Gesundheit ausgeben. Hauptgrund aus Sicht der Studien-Autorinnen und -Autoren sind die Defizite bei der Vorbeugung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Die Nationale Herzallianz (NHA), eine Initiative aller großen herzmedizinischen Fachgesellschaften und der Deutschen Herzstiftung, sieht hier dringenden Handlungsbedarf und arbeitet intensiv an Initiativen und Strategieprogrammen.

 

Aktuelle Schwerpunkte und Ziele der Nationalen Herz-Allianz

 

Gerade die Verbesserung der Primärprävention (vor Krankheitsbeginn) sowie der Sekundärprävention (Früherkennungsmaßnahmen) von kardiovaskulären Erkrankungen ist einer der wichtigsten Bestandteile der Initiative. Hier stehen wir im engen Austausch mit dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG), welches die Wichtigkeit dieser Ziele erkannt und die Schirmherrschaft für die NHA übernommen hat. Mehrere Maßnahmen sind bereits erarbeitet und dem BMG übergeben, bzw. befinden sich bereits in der Planungsphase.

 

Ich freue mich in diesem Zuge verkünden zu können, dass die Finanzierung für die Früherkennungsstudie VRONI für Familiäre Hypercholesterinämie (FH) nun gesichert ist. Zu den Förderern gehören die Deutsche Herzstiftung, die Dr. Rolf M. Schwiete Stiftung, sowie die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung e. V. (DGK). Im Rahmen dieser Studie wird Kapillarblut während der U9-Untersuchung für Kinder und Jugendliche entnommen. Durch eine einfache und kostengünstige Untersuchung kann das Vorhandensein der FH festgestellt werden. Etwa 1 von 300 Kindern kommt mit FH zur Welt, nur 5 % der Fälle werden überhaupt diagnostiziert und dementsprechend behandelt. Würde die Krankheit frühzeitig erkannt, könnten zahlreiche schwerwiegende kardiovaskuläre Ereignisse bei jungen Personen vermieden werden.

 

Ein weiteres Anliegen der NHA ist die Prävention des Plötzlichen Herztodes bzw. die Verbesserung des Überlebens für Betroffene. Mehr als 100.000 Menschen erleiden pro Jahr in Deutschland einen Kreislaufstillstand. Nur bei etwa 65.000 von ihnen werden Wiederbelebungsmaßnahmen eingeleitet. Das hat unseres Erachtens mehrere Gründe:

 

  • Laut aktuellen Zahlen liegt die Reanimationsquote bei Laien nur bei rund 46 %. Damit liegen wir im gesamteuropäischen Vergleich gerade einmal im unteren Drittel.
  • Zudem wird die durch die Leitlinien empfohlene telefonische Anleitung zu CPR-Maßnahmen durch Leitstellendisponenten nur in 44 % der Fälle umgesetzt.
  • Die in Deutschland kaum bekannten, aber vorhandenen Ersthelfer-Apps werden in weniger als 5 % der Notfälle durch das Notrufsystem alarmiert.

 

Um diese Quoten und damit die Überlebenswahrscheinlichkeit beim Plötzlichen Herztod zu verbessern, hat die NHA drei mögliche Maßnahmen für eine nationale Strategie formuliert:

 

 

  1. Einführung eines verpflichtenden Reanimationsunterrichts an Schulen einmal im Jahr
  2. verpflichtende Telefonreanimations-Anleitung für Rettungsstellen
  3. Flächendeckende App-basierte Ersthelfer-Systeme, die mit den rettungsdienstlichen Leitstellen gekoppelt werden

 

Diese Vorschläge wurden nun dem BMG zur Diskussion übergeben.

 

Zuletzt sei an dieser Stelle noch zu nennen, dass das BMG Vorschläge für Anti-Rauchstrategien angefragt hat. Der Konsum von Tabakprodukten und nikotinhaltigen Inhalationssubstituten ist eines der wichtigsten Risikofaktoren für das Entwickeln von kardiovaskulären Erkrankungen. Laut der aktuellen Tabakkontrollskala belegt Deutschland Platz 34 von 37 europäischen Ländern hinsichtlich Unterstützungsmaßnahmen der Politik bei der Rauchentwöhnung. Derzeit unterstützen wir bei der Erarbeitung von Vorschlägen für eine Gesetzesinitiative.

 

Strategien für kardiovaskuläre Gesundheit in ganz Europa

 

Spanien ist bereits seit Jahren das europäische Vorzeigeland, wenn es um Gesundheitsfragen geht. Die Spanierinnen und Spanier haben im Durchschnitt die höchste Lebenserwartung in Europa, mit 86,2 Jahren bei den Frauen und 80,2 Jahren bei den Männern. Zum Vergleich: Während deutsche Frauen durchschnittlich noch 83,2 Jahre leben, liegt die Lebenserwartung bei den deutschen Männern bei 78,8 Jahren. Spanien hat bereits 2007 eine Strategie zur Eindämmung ischämischer Herzkrankheit in seinem Gesundheitssystem implementiert, die seit 2022 als Spanische Kardiovaskuläre Gesundheitsstrategie (ESCAV) weitergeführt wird. Es ist diesen Strategien zur Verbesserung von Präventionsmaßnahmen und des Gesundheitssystems zu verdanken, dass die Lebenserwartung der spanischen Bürgerinnen und Bürger seither deutlich zugenommen hat.

 

Die Europäische Gesellschaft für Kardiologie (ESC) strebt, von diesen Erfolgen inspiriert, entsprechende Strategien zur Verbesserung der Herzgesundheit in allen europäischen Ländern an. Ziel ist es, sinnvolle Maßnahmen in den Gesetzestexten der jeweiligen Staaten zu verankern (Cardio Policy). Für Deutschland ist die Nationale Herz-Allianz der Partner der ESC Advocacy Gruppe, um die Pläne mitzugestalten und bei der Umsetzung zu beraten und unterstützen. Wir erhoffen uns dadurch, dass die Bundesrepublik neben Spanien ebenfalls Vorzeigeland werden kann.

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