Hintergrund
Herzinsuffizienz (HI) ist eine häufig auftretende Erkrankung mit mehr als 500.000 neu diagnostizierten Patienten in Deutschland allein im Jahr 2021 [1]. Auf Grund der hohen Mortalität und Morbidität stellt die HI eine relevante Belastung für das Gesundheitssystem dar. Sie war 2020 die häufigste Einzeldiagnose von vollstationär behandelten Patienten [2].
Das Telemonitoring (TM) bei HI ist eine neue Behandlungsmethode, welche im Dezember 2020 durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) für die vertragsärztliche Versorgung anerkannt wurde [3]. Zur Abrechnung der entsprechenden Versorgungsleistungen wurden neue Gebührenordnungspositionen mit Wirkung zum 1. Januar 2022 in den Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) aufgenommen [4]. Dem G-BA-Beschluss entsprechend kann das TM-HI entweder mittels kardialer Implantate oder externer Messgeräte umgesetzt werden. Für das TM-HI mit kardialen Implantaten sind folgende Aggregate vorgesehen: Implantable Cardioverter Defibrillator (ICD) einschließlich Cardiac Resynchronisation Therapy Defibrillator (CRT-D) sowie CRT Pacemaker (P). Informationen über die Anzahl der ICD-Patienten, welche für TM-HI in Frage kommen, sowie die aktuellen Trends der Prävalenz von ICD-Patienten sind für die Umsetzung des implantatgestützten TM-HI von großer Bedeutung.
Ziel
Das Ziel der vorliegenden Arbeit war die Abschätzung der Prävalenz von ICD-Patienten mit HI, welche die wichtigsten Indikationskriterien des G-BA für diese neue telemedizinische Versorgungsmethode erfüllen.
Methoden
Zur Erstellung des Prävalenzmodells wurden die jährlichen nationalen Qualitätssicherungsdaten des stationären Bereichs über neu implantierte ICD-Geräte, das Ausmaß der klinischen Symptomatik (NYHA) und die Ejektionsfraktion (EF) für die Jahre 2010 bis 2021 herangezogen [5,6,7]. Die Datenauswertung beschränkte sich auf die folgenden Implantattypen: Einkammer- und Zweikammer-ICD sowie CRT-D. Die Zahl der ICD-Erstimplantationen für das Jahr 2022 wurde auf Grundlage des Trends von 2015 bis 2021 prognostiziert. Für jedes Implantationsjahr wurde die aus der Literatur abgeleitete jährliche Gesamtmortalitätsrate angewendet [8], um die kumulative Anzahl der ICD-Patienten zu schätzen, die in jedem Jahr zwischen 2010 und 2022 am Leben waren. Anschließend wurde die Anzahl der ICD-Patienten, die für TM-HI in Frage kommen, unter Anwendung der wichtigsten krankheitsbezogenen Einschlusskriterien des G-BA (NYHA-II- oder NYHA-III-Stadium und EF < 40 %) berechnet. Aufgrund fehlender Daten wurde der Prozentanteil der Patienten mit einer EF unter 35 % verwendet, um näherungsweise dem Kriterium des G-BA für die EF zu entsprechen. Daten aus einem früheren Prävalenzmodell für implantierbare elektrische Geräte (CIED) für Deutschland dienten als Kalkulationsbasis für die historische Startkohorte in 2010 [9].
Ergebnisse
Der Trend bei der Prävalenz von ICD-Patienten (graue Fläche) und der HI-Patienten mit einem ICD, die über die Jahre 2010 bis 2022 die genannten Indikationskriterien für TM-HI erfüllen (blaue Fläche), ist in Abbildung 1 dargestellt. Die ICD-Prävalenz stieg allmählich von 139.715 Patienten im Jahr 2010 auf einen Spitzenwert von 202.637 Patienten im Jahr 2017.
Für 2022 estimierte das Modell eine Gesamtzahl von 190.698 ICD-Patienten. Demnach wären im Jahr 2022 insgesamt 120.941 ICD-Patienten für die Versorgungsmethode TM-HI in Frage gekommen. Dies entspricht einem Anteil von 63 % der von uns betrachteten ICD-Patienten in Deutschland.
Schlussfolgerung/Fazit
Die vorliegende Untersuchung schätzt die Prävalenz von ICD-Patienten in Deutschland zwischen 2010 und 2022. Die Ergebnisse zeigen, dass etwa 2 von 3 ICD-Patienten Anspruch auf eine Kostenerstattung für das implantatgestützte TM-HI haben.
Implikationen:
Referenzen
[1] Holstiege, J Akmatov, M Steffen, A Bätzing, J (2018): Prevalence of heart failure in Germany – nationwide trends, regional variation, and frequent comorbidities. Central Research Institute for Ambulatory Health Care in Germany (Zi). Versorgungsatlas-Report No. 18/09. Berlin 2018. DOI: 10.20364/VA-18.09.
[2] Deutsche Herzstiftung: Deutscher Herzbericht 2021, Stuttgart: Georg Thieme Verlag KG
[3] Gemeinsamer Bundesausschuss: Beschluss Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung: Telemonitoring bei Herzinsuffizienz. URL: https://www.g-ba.de/downloads/39-261-4648/2020-12-17_MVV-RL_Telemonitoring-Herzinsuffizienz_BAnz.pdf
[4] Institut des Bewertungsausschusses: Beschluss des erweiterten Bewertungsausschusses nach § 87 Abs.4 SGB V in seiner 76. Sitzung am 15. Dezember 2021. URL: https://institut-ba.de/ba/babeschluesse/2021-12-15_eba76_4.pdf
[5] Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG): Bundesauswertung Implantierbare Defibrillatoren – Implantation, Berlin. URL: https://iqtig.org/qs-verfahren/defi/
[6] Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG): Bundesauswertung Implantierbare Defibrillatoren-Implantation - Erfassungsjahr 2021, Berlin. URL: https://iqtig.org/downloads/auswertung/2021/hsmdefdefiimpl/DeQS_HSMDEF-DEFI-IMPL_2021_BUAW_V01_2022-07-08.pdf
[7] Deutsches Herzschrittmacher-Register, Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung: Jahresbericht des Deutschen Herzschrittmacher-und Defibrillatorregister – Teil 2 Implantierbare Cardioverter-Defibrillatoren (ICD), Düsseldorf. URL: https://pacemaker-register.de/category/berichte_reports/
[8] Köbe, J Willy, K Senges, J et al. (2022): Selection and outcome of implantable cardioverter‐defibrillator patients with and without cardiac resynchronization therapy: Comparison of 4384 patients from the German Device Registry to randomized controlled trials, in: J Cardiovasc Electrophysiol ,33, 483‐492. DOI:10.1111/jce.15365
[9] Smala, A Gessler, M Stoepel, C (2011): DEMAND FOR ROUTINE IN OFFICE FOLLOW-UP VISITS FOR CARDIAC IMPLANTABLE ELECTRICAL DEVICES (CIED) IN GERMANY AND THE UNITED KINGDOM, in: Value in Health,14(7): A256, URL: https://www.valueinhealthjournal.com/article/S1098-3015(11)01699-8/fulltext and personal communication