Gehört die Intensivmedizin in die Kardiologie?

Zusammenfassung des Vortrags von Prof. Dr. Marcus Hennersdorf, Heilbronn, Tagungspräsident Kardiologie Aktuell

Düsseldorf/Hamburg, 26. September 2024 – In Deutschland gibt es etwa 1.450 Krankenhäuser, 1.250 Notaufnahmen und 1.350 Intensivstationen, die sich der Behandlung lebensbedrohlicher Erkrankungen widmen. Eine signifikante Anzahl der dort behandelten Patientinnen und Patienten leidet an Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Tatsächlich machen diese fast die Hälfte aller Fälle in der Intensivmedizin aus. Vor diesem Hintergrund ist die Frage, ob die Intensivmedizin in die Kardiologie gehört, nicht nur relevant, sondern essenziell.

 

Die Rolle der kardiovaskulären Intensivmedizin

Die kardiovaskuläre Intensivmedizin stellt einen zentralen Bestandteil der Kardiologie dar und ist eine der wesentlichen Säulen der internistischen Intensivmedizin. US-amerikanische Kolleginnen und Kollegen haben gezeigt, dass die allgemeine Intensivmedizin und die kardiologische Intensivmedizin sich in sehr vielen Bereichen stark überschneiden, insbesondere mit Blick auf Erkrankungen und Patientencharakteristika. Häufig stehen Intensivmediziner:innen vor herausfordernden kardiologischen Krankheitsbildern, die sofortige und präzise Interventionen erfordern. Ein Beispiel hierfür ist der akute Herzinfarkt. In vielen Fällen treten zusätzlich gefährliche Rhythmusstörungen auf, was das Risiko eines kardiogenen Schocks erhöht – ein Zustand, der zu den schwersten Krankheitsbildern gehört.

 

Die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Kardiolog:innen und Intensivmediziner:innen ist unerlässlich, um die bestmögliche Versorgung der Patient:innen sicherzustellen. Neueste Technologien und Therapien wie extrakorporale Systeme (ECMO und Impella) erweitern die Behandlungsmöglichkeiten. Diese Systeme können temporär eingesetzt werden, um die Herzfunktion zu unterstützen und die Überlebenschancen der Patient:innen zu erhöhen. Da es beim Einsatz dieser Systeme aber auch Risiken gibt, insbesondere schwere Blutungen in der Leiste, erfordert ihr Einsatz ein hohes Maß an Expertise im Team.

 

In diesem Zusammenhang möchte ich auf zwei aktuelle Studien hinweisen. Mit der ECLS-Shock konnte im letzten Jahr gezeigt werden, dass nicht jeder Schock-Patient von einer VA-ECMO profitiert[1]. Wir können also leider nicht generell von einem Mortalitätsvorteil bei einer Verwendung von ECMO ausgehen. Mehr Mut macht da die DanGer-Studie aus dem Sommer 2024[2]. Diese hat gezeigt, dass die Überlebenswahrscheinlichkeit um 26 Prozent gebessert wird, wenn man beim kardiogenen Schock eine Impella-Pumpe einsetzt.

 

Reanimation: Herausforderungen und technologische Fortschritte

Die kardiopulmonale Reanimation (CPR) ist ein zentrales Thema in der Intensivmedizin. Trotz fortschrittlicher Techniken und besserer Schulungen ist die Mortalitätsrate bei plötzlichem Herzstillstand weiterhin alarmierend hoch. Daten des kürzlich vorgestellten German Cardiac Arrest Register aus Leipzig zeigen, dass die Laienreanimationsquote in Deutschland aktuell bei 60 % liegt. Dennoch versterben 70,5 % der Patientinnen und Patienten, die außerhalb des Krankenhauses einen Herzstillstand erleiden. Die meisten von diesen, nämlich 70 %, litten bereits an Herzkreislauf-Erkrankungen.

 

Um die Überlebensrate zu erhöhen, ist es entscheidend, die Rettungskette zu optimieren. Hierzu gehören schnellere Reaktionszeiten und eine verbesserte Aus- und Weiterbildung der Rettungsdienste. Denkbar ist auch der Einsatz innovativer Technologien wie Drohnen zur Bereitstellung von Defibrillatoren. Hürden könnten hierbei Regularien, Flugsteuerung, Tageszeit und Wetter darstellen. Vielversprechender scheint mir da die Verwendung von Reanimationshilfen, wie dem Lucas®-System zu sein. Diese Geräte entlasten das medizinische Personal, indem sie den rhythmischen Druck auf den Brustkorb automatisieren und so die Qualität der CPR erheblich verbessern können.

 

Darüber hinaus gibt es vielversprechende Ansätze zur Verbesserung der postreanimationsmedizinischen Versorgung. Hier möchte ich das CARL-System erwähnen, die Abkürzung steht für controlled automatic reperfusion of the whole body. Es kontrolliert automatisch den O2 und CO2-Gehalt im Blut, und kühlt den Körper relativ schnell und effektiv. Zudem erzeugt es einen pulsierenden Blutfluss. Somit sollen sich neurologische Schäden verhindern und Organe besser durchbluten lassen. Allerdings ist die Datenlage noch sehr gering und das System wird sich in Studien noch beweisen müssen, bevor man klare Empfehlungen aussprechen kann.

 

Geschulte Teams bleiben wichtiger Schlüsselfaktor

Um von diesen Technologien optimal profitieren zu können, sind eingespielte interdisziplinäre Teams unabdingbar. Die Daten zeigen, dass es in Krankenhäusern mit mehr Erfahrung in der Behandlung von Intensivfällen zu deutlichen Vorteilen für die Patientenversorgung kommt. So ist die Wahrscheinlichkeit des Versterbens, in einem Zentrum mit wenigen (<11) Intensivfällen pro Jahr um 30 % höher. Zudem gibt es eine um 10 % höhere Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von Komplikationen.

 

Deshalb muss die Zusammenarbeit zwischen Kardiologen, Anästhesisten und Pflegepersonal reibungslos funktionieren, um schnelle Entscheidungen zu treffen und die geeigneten therapeutischen Maßnahmen zeitnah einzuleiten. Schulungsprogramme und Zertifizierungen, wie sie von der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) angeboten werden, tragen dazu bei, die Qualität der Versorgung in spezialisierten Zentren zu erhöhen. Personen, die in speziellen Cardiac Arrest Centers behandelt werden, weisen zum Beispiel eine wesentlich niedrigere Rate von Hirnschädigungen nach kardiogenem Schock auf.

     

Intensivmedizin steht noch vor großen Herausforderungen

Die Herausforderungen, die sich aus der Behandlung kardiovaskulärer Erkrankungen auf der Intensivstation ergeben, erfordern eine enge Zusammenarbeit der Fachkräfte aller beteiligter Disziplinen. Insbesondere die Reduktion der noch signifikant hohen Mortalitätsrate bei Plötzlichem Herzstillstand erfordert eine intensive Weiterbildung des Personals, die Implementierung standardisierter Abläufe, eine kontinuierliche Verbesserung der strukturellen Rahmenbedingungen und den Einsatz innovativer Technologien. Wenn es gelingt, diese eng verwobenen, essenziellen Faktoren zu verbessern, kann es auch gelingen, die Patientenversorgung bedeutend zu optimieren.

 

[1] Thiele H. et al (2023): Extracorporeal Life Support in Infarct-Related Cardiogenic Shock. DOI: 10.1056/NEJMoa2307227

[2] Møller J. et al. (2024): Microaxial Flow Pump or Standard Care in Infarct-Related Cardiogenic Shock.  DOI: 10.1056/NEJMoa2312572

 

Prof. Dr. Marcus Hennersdorf, Heilbronn, Tagungspräsident Kardiologie Aktuell

©SLK-Kliniken Heilbronn GmbH

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