Die Rhythmologie ist innerhalb der Kardiologie geradezu prädestiniert für die Anwendung von Künstlicher Intelligenz. Es werden Unmengen von Daten produziert, insbesondere durch Elektrokardiogramme (EKG), die standardisiert weltweit genutzt werden. Ein EKG enthält etwa 120.000 Datenpunkte, die von Kardiologen analysiert werden, um Rhythmusstörungen zu erkennen. KI-gestützte Systeme sind in der Lage, über die menschlichen Fähigkeiten hinausgehende Erkenntnisse aus diesen Daten zu gewinnen.
Beispielsweise konnte die KI der Mayo Clinic 2021 aus einem normalen Sinusrhythmus nicht nur Vorhofflimmern erkennen, sondern auch zusätzliche Informationen wie das Alter, Geschlecht, Blutfarbstoff und Kaliumwerte einer Person aus den EKG-Daten ableiten[1]. Eine 2019 durchgeführte Studie an der Mayo Clinic demonstrierte, dass eine KI mittels Deep Learning in der Lage war, die Pumpleistung des linken Herzens mit hoher Genauigkeit zu erkennen. Die KI erzielte dabei einen statistischen AUC-Wert[2] von 0,93, was eine herausragende Leistung darstellt, da ein Wert von 1,0 eine perfekte Vorhersage bedeutet. Damit ist sie menschlichen Fähigkeiten eindeutig überlegen. Das Problem bei dieser Vorhersage durch ein „unsupervised learning“ ist, dass es um eine sogenannte „black box“ handelt und selbst durch einen Spezialisten nicht nachvollziehbar ist.
Im Gegensatz dazu sind die Ergebnisse einer KI, die durch Supervised Learning trainiert wurde, oft besser nachvollziehbar. Ein Beispiel aus unserem Herzzentrum in Bad Krozingen illustriert dies: Hier wurde einer KI beigebracht, eine atriale Kardiomyopathie durch Analyse der P-Welle im EKG zu diagnostizieren. Durch dieses gezielte Training konnte die KI vergleichbare Ergebnisse wie die Systeme der Mayo Clinic liefern, wobei die Transparenz der Lernmethoden es erleichtert, die Ergebnisse nachzuvollziehen und zu verstehen. Der Nachteil hierbei ist, dass die KI damit auch nicht besser ist, als Kardiologinnen und Kardiologen.
[1] Attia Z. I. et al (2021): Application of artificial intelligence to the electrocardiogram, DOI: 10.1093/eurheartj/ehab649
[2] AUC= Area Under Curve. Der AUC-Wert gibt die Fläche unterhalb der Grenzwertoptimierungskurve (ROC-Kurve) an und ist ein Maß für die Güte eines diagnostischen Tests.