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Seit über zwei Jahrzehnten ist die Implantation eines implantierbaren Kardioverter-Defibrillators (ICD) eine Standardtherapie zur Vorbeugung des plötzlichen Herztods, sowohl in der Primär- als auch in der Sekundärprävention [1-5]. In der Europäischen Union werden jährlich etwa 100 000 Patienten mit einem ICD behandelt [6]. Diverse Studien haben gezeigt, dass die ICD-Implantation bei Patient:innen mit erhöhtem Risiko für einen plötzlichen Herztod insgesamt einen prognostischen Nutzen hat. Die Ergebnisse sind jedoch bei bestimmten Untergruppen uneinheitlich, darunter Patient:innen mit terminaler Niereninsuffizienz, nicht-ischämischer Kardiomyopathie, Diabetes mellitus und sehr hohem Lebensalter.
Ziel dieser Studie war es, die prognostischen Auswirkungen verschiedener Komorbiditäten auf das Outcome von Patienten mit ICD zu bewerten und Risikofaktoren für den fehlenden Nutzen einer ICD-Therapie zu ermitteln.
In dieser Studie wurden 422 Patient:innen untersucht, denen im Universitätsklinikum St. Josef-Hospital Bochum zwischen 2011 und 2020 ein ICD implantiert wurde. Die Patientendaten, einschließlich Krankengeschichte, Medikation, Laborergebnisse, EKG und Echokardiographie zum Zeitpunkt der ICD-Implantation, wurden erfasst. Alle Patient:innen wurden sechs Wochen nach der Implantation in unserer Ambulanz routinemäßig untersucht und das Gerät abgefragt, gefolgt von regelmäßigen Kontrollen alle sechs Monate entweder in unserer Universitätsambulanz oder in der Praxis eines niedergelassenen Kardiologen. Der Studienendpunkt „fehlender Nutzen“ war gekennzeichnet durch Tod aus beliebiger Ursache ohne vorherige adäquate ICD-Therapie. Als Nutzen der ICD-Implantation wurde definiert, dass entweder eine adäquate ICD-Therapie vor dem Tod stattfand oder dass die Patient:innen eine angemessene ICD-Therapie erhielten und bis zum Ende des Beobachtungszeitraums überlebten.
86 von 422 Patient:innen (20 %) waren weiblich und die mittlere linksventrikuläre Ejektionsfraktion betrug 32,3 ± 10,3 %. Das mittlere Alter der Patient:innen lag bei 66,9 ± 11,3 Jahren und reichte von 22 bis 89 Jahren. Bei 323 Patient:innen (77 %) gab es eine primäre prophylaktische Indikation für die ICD-Implantation, bei 99 Patient:innen (23 %) eine sekundäre prophylaktische Indikation. Zum Zeitpunkt der Implantation waren 101 Patient:innen (24 %) jünger als 60 Jahre, 118 (28 %) waren zwischen 60 und 69 Jahre alt, 158 (37 %) zwischen 70 und 79 Jahre alt und 45 (11 %) waren 80 Jahre alt oder älter. Während einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 4,2 ± 3,0 Jahren verstarben 106 Patient:innen (25 %). Ein fehlender Nutzen der ICD-Implantation wurde bei 84 Patient:innen (20 %) und ein Nutzen bei 89 Patient:innen (21 %) festgestellt. Unabhängige Risikofaktoren für einen fehlenden Nutzen waren ein Alter ≥ 68 Jahre (HR 4,599, p<0,001), Anämie (HR 2,549, p<0,001), periphere arterielle Verschlusskrankheit (HR 2,066, p=0,007) und chronisch obstruktive Lungenerkrankung (HR 1,939, p=0,014).
Eine Subgruppenanalyse nach Alter < 68 Jahre und ≥ 68 Jahre zeigte, dass mit zunehmender Anzahl unabhängiger Risikofaktoren die Raten an fehlendem Nutzen in beiden Gruppen signifikant anstiegen (jeweils p<0,001), jedoch in größerem Ausmaß in der Gruppe der 68-Jährigen und Älteren (Abb. 1).
Mit zunehmendem Alter stieg im Durchschnitt auch die Prävalenz der Risikofaktoren. Interessanterweise gab es kaum Unterschiede in der Häufigkeit der Risikofaktoren zwischen der Gruppe der 80-Jährigen und Älteren im Vergleich zu den Gruppen im Alter von 70-79 Jahren (p=0,124) und 60-69 Jahren (p=0,129). Wir fanden jedoch signifikant mehr Risikofaktoren im Vergleich zu Patient:innen < 60 Jahre (p<0,001) (Abb. 2).
Zusammenfassend unterstreicht diese Studie, dass ein erheblicher Teil der Patient:innen keinen Nutzen einer ICD-Therapie hat. Es wurde ein Zeitraum erfasst, der sich über ein ganzes Jahrzehnt erstreckt und wertvolle Einblicke in die Entwicklung von ICD-Patientenkollektiven und die Auswahl im Laufe der Zeit bietet. Unsere Studie hebt die Bedeutung des Alters für den potenziellen fehlenden Nutzen einer ICD-Therapie hervor. Allerdings haben auch junge Patient:innen mit vielen Komorbiditäten ein hohes Risiko, nicht von einer ICD-Therapie zu profitieren. Eine sorgfältige Auswahl der Patient:innen und die Berücksichtigung individueller Risikofaktoren neben dem fortgeschrittenen Alter sind wichtig. Das Alter allein sollte bei der Entscheidung für oder gegen eine ICD-Implantation nicht entscheidend sein.
Abb.1: Kaplan-Meier-Überlebensanalysen für Alter < 68 Jahre und Alter ≥ 68 Jahre
Abb.2: Prävalenz von identifizierten Risikofaktoren in verschiedenen Altersgruppen.