Zu hoher Blutdruck und zu hohes Cholesterin sollten verstärkt mit Kombinationsmedikamenten behandelt werden

PDF enthält Tabellen und/oder Abbildungen

Dr. Felix Götzinger und Prof. Dr. Martin Schulz, Homburg

Hintergrund

Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind weiterhin die führende Ursache für eine vorzeitige Sterblichkeit in Deutschland. Medikamentöse Therapien zur Kontrolle der auslösenden Risikofaktoren wie Bluthochdruck und Blutfettstoffwechselstörungen sind daher von großer Bedeutung (1). Da diese Risikofaktoren in der Mehrzahl gebündelt auftreten, nehmen Patient:innen aber oft mehrere Medikamente gleichzeitig ein. Das Einnehmen vieler Medikamente zur gleichen Zeit ist häufig damit verbunden, dass Medikamente vergessen werden, oder absichtlich weggelassen werden. Daher ist es ein Bestreben, diese Medikamente in sogenannten Kombinationsmedikamenten zusammenzuführen. Dies hilft dabei, die Medikamenteneinnahme einfacher zu machen und führt dadurch dazu, dass Patient:innen zuverlässiger ihre Medikamente einnehmen und dadurch beispielsweise ihren Blutdruck besser kontrollieren können. Frühere Studien haben allerdings gezeigt, dass, obwohl diese Kombinationsmedikamente von den Fachgesellschaften in Leitlinien empfohlen werden, sie in Deutschland selten verordnet wurden (2).

 

Ziel

Ziel unserer Analysen war es herauszufinden, 1.) wie häufig Kombinationsmedikamente, die den Blutdruck und die Blutfette senken, in Deutschland verordnet werden, 2.) welcher Trend sich über die Zeit ableiten lässt, 3.) was mögliche Probleme dafür sind, dass Kombinationsmedikamente zu wenig verordnet werden und 4.) welche Lösungsmöglichkeiten es gibt, um den Einsatz dieser Kombinationsmedikamente zu verbessern.

 

Methoden

Daten des Deutschen Arzneiprüfungsinstituts e. V. (DAPI) über die Abgaben von Blutdrucksenkern und Blutfettsenkern sowie von sogenannten Polypillen (Medikamente, die Blutdruck-, Blutfettsenker und häufig Blutverdünner enthalten) aus öffentlichen Apotheken an gesetzlich Versicherte in Deutschland wurden im Zeitraum von Juli 2018 bis Juni 2023 analysiert.

 

Ergebnisse

Von Juli 2018 bis Juni 2023 gab es einen 6 %-igen Anstieg an blutdrucksenkenden Medikamenten insgesamt. Im gleichen Zeitraum gab es einen 26 %-igen Rückgang an blutdrucksenkenden Kombinationsmedikamenten (Abbildung 1). Vor allem betroffen waren Kombinationsmedikamente, die das wassertreibende Mittel Hydrochlorothiazid enthalten (HCT, -39 %). Blutfettsenkende Kombinationsmedikamente werden zwar selten verordnet, nahmen aber um 77 % zu. Dasselbe gilt für Polypillen, die noch seltener verordnet wurden, deren Abgaben jedoch um 138 % zunahm. Hauptsächlich getrieben durch den Rückgang an blutdrucksenkenden Kombinationsmedikamente nahm der Anteil aller Herz-Kreislauf-wirksamen Kombinationsmedikamente im genannten Zeitraum um 21 % ab.

 

Schlussfolgerung/Fazit

Obwohl Fachgesellschaften die Verwendung von blutdrucksenkenden Kombinationsmedikamenten und Polypillen zur Behandlung von Patienten:innen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen empfehlen, werden diese immer seltener verschrieben (3, 4). Dies ist ein Problem, da mit Kombinationsmedikamenten Volkskrankheiten wie die koronare Herzerkrankung oder Bluthochdruck wahrscheinlich besser behandelt werden können. Mutmaßliche Gründe liegen in der falschen Wahrnehmung, dass alle Kombinationsmedikamente gegen hohen Blutdruck teurer wären als die Einzelpräparate, dass sie potenziell krebserzeugende Substanzen enthalten (HCT) oder dass man mit Kombinationsmedikamenten nicht alle Dosierungen abdecken könne (5). Diese Sorgen entsprechen nicht der Realität. Die Analyse soll zur Aufklärung hierüber beitragen und den Gebrauch von Kombinationsmedikamenten in Deutschland stärken. Dadurch soll die Last an Herz-Kreislauf-Erkrankungen gemindert werden. Niedergelassene Hausärzte und Hausärztinnen, Internist:innen und Kardiolog:innen sollten darin bestärkt werden in der Prävention und Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Kombinationsmedikamente einzusetzen.

 

Abb.1: Absolute und relative Abgaben von Blutdrucksenkern in deutschen Apotheken an gesetzlich versicherte Patient:innen. Während die Ausgabe an Blutdrucksenkern insgesamt von 2016 bis 2023 zunahm, nahm der Anteil an Kombinationmedikamenten an diesen Blutdrucksenkern im gleichen Zeitraum - trotz Empfehlungen der führenden Fachgesellschaften, diese zu verwenden - ab. (BD – Blutdruck, DID – definierte Tagesdosen, die pro 1000 Versicherte und Tag in öffentlichen Apotheken abgegeben wurden)

     

Referenzen

  1. Deutscher Herzbericht, Deutsche Herzstiftung (Hrsg.), 2022
  2. Mahfoud F, et al. "Dear Doctor" Warning Letter (Rote-Hand-Brief) on Hydrochlorothiazide and Its Impact on Antihypertensive Prescription. Dtsch Arztebl Int. 2020 Oct 9;117(41):687-688. doi: 10.3238/arztebl.2020.0687.
  3. Mancia G, et al. 2023 ESH Guidelines for the management of arterial hypertension The Task Force for the management of arterial hypertension of the European Society of Hypertension: Endorsed by the International Society of Hypertension (ISH) and the European Renal Association (ERA). J Hypertens. 2023 Dec 1;41(12):1874-2071. doi: 10.1097/HJH.0000000000003480.
  4. Byrne RA, et al. 2023 ESC Guidelines for the management of acute coronary syndromes. Eur Heart J. 2023 Oct 12;44(38):3720-3826. doi: 10.1093/eurheartj/ehad191. Erratum in: Eur Heart J. 2024 Apr 1;45(13):1145. doi: 10.1093/eurheartj/ehad870.
  5. Götzinger F, et al. Use of fixed-dose combinations for cardiovascular indications from 2018 to 2023: a nationwide population-based study. J Hypertens. 2024 Jun 12. doi: 10.1097/HJH.0000000000003789.
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