Eisenmangel bei Patient:innen mit akut dekompensierter Herzinsuffizienz: Definitionen, Prävalenz, Veränderungen während des Krankenhaus-aufenthaltes und prognostische Bedeutung

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Constanze Jung und Prof. Dr. Christiane Angermann, Würzburg

Hintergrund

Eisenmangel ist bei akuter Herzinsuffizienz besonders häufig. Frühere Studien konnten zeigen, dass während des Krankheitsverlaufs einer chronischen Herzinsuffizienz Eisenmangel auch ohne Substitutionstherapie in der Prävalenz variieren kann. Dass Eisenmangel bei Herzinsuffizienz mit reduzierter Leistungsfähigkeit, niedriger Lebensqualität, sowie höherer Morbidität und Mortalität einhergeht, ist in der Literatur gut belegt.

Aktuelle ESC Leitlinien definieren den Eisenmangel bei Herzinsuffizienz als Ferritin <100 µg/l (absoluter Eisenmangel) oder als Ferritin 100-299 µg/l + Transferrinsättigung (TSAT) <20 % (funktioneller Eisenmangel). Das prognostische Potenzial dieser Definition wurde jedoch nie systematisch evaluiert. Neuere Erkenntnisse deuten darauf hin, dass im Vergleich zum Goldstandard (Eisenfärbung eines Knochenmarkbiopsats) sowohl ein TSAT <20 % als auch ein Serumeisen ≤13 µmol/l einen Eisenmangel möglichweise besser identifizieren und die Prognose zuverlässiger vorhersagen können.

 

Ziel

Da eine prospektive Vergleichsstudie zur Prävalenz, zu kurzfristigen Veränderungen im Rahmen des intrahospitalen Verlaufs sowie zur prognostischen Bedeutung jeder der oben genannten Definitionen bisher fehlte, zielten wir in dieser Studie darauf ab (1) bei Patient:innen, die mit akut dekompensierter Herzinsuffizienz hospitalisiert wurden, die Prävalenzraten der verschiedenen Definitionen des Eisenmangels bei Aufnahme und vor Entlassung sowie die Veränderungen der den Definitionen jeweils zugrundeliegenden Variablen zu vergleichen und (2) die prognostische Aussagekraft jeder der Definitionen bis 12 Monate nach der Indexhospitalisierung zu untersuchen.

 

Methoden

In einer monozentrischen prospektiven Kohortenstudie rekrutierten wir auf einer 24 Stunden / 7 Tage Basis konsekutiv Patient:innen, die mit akuter Herzinsuffizienz hospitalisiert wurden. Alle Patient:innen, die eine schriftliche Einverständniserklärung abgaben, und bei denen ein kompletter Eisenstatus (Ferritin, TSAT, Serumeisen) innerhalb der ersten 5 Tage bei Aufnahme sowie innerhalb der letzten 48 Stunden vor Entlassung erhoben worden war, wurden in die vorliegende Analyse einbezogen, sofern sie während des Krankenhausaufenthalts keine intravenöse oder orale Eisensubstitution erhalten hatten. Prävalenzraten von Eisenmangel wurden gemäß allen vier Definitionen zu beiden Zeitpunkten erhoben. Eine Cox Regression, adjustiert für Alter, Geschlecht, linksventrikuläre Ejektionsfraktion (LVEF) und NYHA-Klasse, sowie Kaplan Meier-Kurven wurden zur Untersuchung der jeweiligen prognostischen Vorhersagekraft bezüglich der 1-Jahres Mortalität jeder Ursache verwendet.

 

Ergebnisse

Von 623 konsekutiven Patient:innen waren 273 geeignet: Das mittlere Alter war 74 ± 11 Jahre, 41 % waren weiblich, und 133 (59 %) hatten eine LVEF <50 % bei Aufnahme.

Das mediane Ferritin war bei Aufnahme 152 (83; 276) µg/l, die mediane TSAT 14,6 (10,6; 21,1) % und das mediane Serumeisen 9,1 (6,3; 12,0) µmol/l. Einen Eisenmangel anhand des Kriteriums Ferritin <100 µg/l wiesen 89 (33 %) Patient:innen auf, anhand der in der ESC-Leitlinie empfohlenen Kriterien hatten 179 (66 %) Patient:innen einen Eisenmangel. Anhand der TSAT <20 % waren es 197 (72%) Patient:innen und anhand des Kriteriums eines Serumeisens ≤ 13 µmol/l 218 (80%) Patient:innen.

Die mediane Dauer des stationären Krankenhausaufenthalts betrug 11 (7; 16) Tage. Die Zeitpunkte der Blutentnahmen zur Bestimmung des Eisenstatus waren im Median 3 (2; 4) und 10 (8; 15) Tage nach Aufnahme. Bei Entlassung waren die Prävalenzen nach jeder Eisenmangel-Definition gesunken: Basierend auf dem Kriterium Ferritin <100 µg/l hatten 73 (27 %) Patient:innen Eisenmangel (p=0,015), nach den ESC-Leitlinienkriterien 154 (56 %) Patient:innen (p<0,001), nach einer TSAT <20 % 173 (63 %) Patient:innen (p=0,001) und nach einem Serumeisen ≤13 µmol/l 186 (68 %) Patient:innen (p<0,001). (Abb.1)

 

Im ersten Jahr nach Index-Hospitalisierung mit akuter Herzinsuffizienz war sowohl die Eisenmangel-Definition TSAT <20 %, als auch die anhand eines Serumeisens ≤13 µmol/l den auf Ferritinspiegeln basierenden Definitionen hinsichtlich des prognostischen Potenzials überlegen (Abb. 2). Das 1-Jahres-Mortalitätsrisiko war für Patient:innen mit einem TSAT <20 % vor Entlassung 1,8-fach und für Patient:innen mit einem Serumeisen ≤13 µmol/l vor Entlassung 2,6-fach erhöht im Vergleich zur jeweiligen Vergleichsgruppe ohne Eisenmangel. Patient:innen mit einem Ferritin <100 µg/l zeigten keine signifikante Risikoerhöhung. Wenn die kurz nach der stationären Aufnahme bestimmten Messwerte verwendet wurden, zeigten sich ähnliche prognostische Assoziationen.  

 

Schlussfolgerung/Fazit

Der Eisenmangel ist bei Patient:innen, die mit akuter Herzinsuffizienz hospitalisiert wurden, besonders prävalent. Die Prävalenzraten variieren jedoch erheblich mit unterschiedlichen Definitionen. Unabhängig der Definition zeigen sich sehr kurzfristige Veränderungen der Eisenvariablen, welche in dieser Studie zu signifikant niedrigeren Eisenmangel-Prävalenzen im Laufe des stationären Aufenthalts führten. Daher könnte längerfristig der Zeitpunkt der Erhebung der Eisenmarker nach akuter Herzinsuffizienz eine Rolle spielen. Eisenmangel definiert mittels TSAT <20 % oder mittels Serumeisen ≤13 µmol/l identifiziert Patient:innen mit erhöhtem 1-Jahres-Mortalitätsrisiko am besten. Unsere Ergebnisse stellen die Validität der ESC-Leitlinienkriterien der Eisenmangel-Definition basierend auf Ferritin in Frage. Stattdessen routinemäßig eine Definition basierend auf TSAT oder Serumeisen zu verwenden könnte helfen, die Verlässlichkeit der Diagnostik zu verbessern, sowie dadurch die Indikation zur Eisensubstitution zu präzisieren und Langzeitfolgen zu reduzieren.

 

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