Revaskularisierung: Welche Rolle spielt sie bei Behandlung der Herzinsuffizienz?

Zusammenfassung des Vortrages von Dr. Thomas Schmitz, Essen, Sprecher der Arbeitsgruppe Interventionelle Kardiologie

Die Koronare Herzerkrankung (KHK) ist die häufigste Ursache für Herzinsuffizienz. Dabei kann es sich um eine akute Ischämie oder bei Patient:innen mit langjähriger KHK um eine chronische Ischämie handeln. Das Problem ist, dass viele Patienten mit einer Herzinsuffizienz und reduzierter Herzleistung (HFrEF), also einer Ejektionsfraktion (EF) unter 40 %, in Studien zu interventionellen Eingriffen meist ausgeschlossen werden. Dadurch ist es aber schwer, den Sachverhalt wissenschaftlich korrekt zu beleuchten. Es gab bisher nur eine Studie, in der man Patient:innen mit chronischer KHK und einer EF<35% beleuchtet hat, das ist die STICH-Studie aus dem Jahr 2011, eine herzchirugische Studie. In dieser wird die medikamentöse Behandlung mit der Bypass-Operation verglichen. Die Studie liefert uns Anhaltspunkte dafür, dass die Bypass-OP der medikamentösen Behandlung überlegen ist. Diese Erkenntnis hat sich zuletzt rund zehn Jahre später noch einmal erhärtet: Die Studiendaten haben gezeigt, dass die Mortalitätsraten beim chirurgischen Eingriff deutlich geringer sind als bei einer rein konservativen Therapie. Trotzdem werden aktuell nur ca. zehn Prozent dieser Patientengruppe am Ende tatsächlich operiert. Chirurg:innen lehnen in vielen Fällen einen Eingriff  auf Grund der Begleiterkrankungen, des gesundheitlichen Allgemeinzustands und des hohen Alters ab.

 

Was aktuell fehlt und dringend benötigt wird sind randomisierte Daten, die die Erfolgschancen der interventionellen perkutanen coronaren Intervention (PCI), der Bypass-OP und der medikamentösen Therapie vergleichen. Es gibt zwar Daten, die zeigen, dass die PCI einem Bypass nicht unterlegen ist, allerdings sind das nur Register-Daten. Nach einer Bypass-OP ist die Schlaganfallrate bei Patient:innen bedingt durch die Technik höher als bei einer PCI, allerdings ist die Wahrscheinlichkeit für eine Re-Intervention in der PCI-Gruppe höher. Weiterhin zeigt sich, bspw. im Ischemia Trial, dass Patientengruppen mit HFrEF symptomatisch besser von einer Behandlung mit PCI und Medikamenten profitieren als von einer rein medikamentösen Therapie. Allerdings handelt es sich auch hierbei nur um Subgruppenanalysen.

 

Eine andere zuletzt publizierte Studie (REVIVED-BCIS 2 / Vergleich medikamentöse Therapie versus PCI + medikamentöse Therapie) zeigte in den ersten 24 Monaten eine Verbesserung der Lebensqualität, im weiteren Verlauf war dieser Vorteil jedoch nicht mehr nachweisbar.

 

Um so wichtiger ist es also, wenn die Entscheidung zur PCI getroffen wird, dass diese nach aktuellen Standards erfolgen muss. Bei Patient:innen mit schlechter Herzleistung und koronarer Dreigefäßerkrankung sollte das Ziel für uns Kardiolog:innen eine Komplettrevaskularisation sein. Das legen die Daten aus der SYNTAX-extended-Studie nahe: Mit einer Komplettrevaskularisation können wir deutlich bessere Ergebnisse erzielen als nur mit der Behandlung der culprit lesion, also der Behandlung von nur einer einzigen hochgradigen Stenose. Patient:innen zeigen hierbei eine reduzierte Ereignisrate und auch die Herzfunktion kann sich verbessern.

 

Für ein optimales Ergebnis heißt das, nach den aktuellen Standards vorzugehen. Wichtige Aspekte dabei sind:

 

  1. Physiologisch geführte PCI: Zunächst müssen wir wissen, welcher Teil des Myokards irreversibel geschädigt ist und bei welchem ein Stent noch Sinn macht. Es muss ein Ischämienachweis zur Vitalität des Gewebes und der funktionellen Relevanz der zu behandelnden Stenose erbracht werden, um die betroffene Myokardregion zu beurteilen.
  2. Intravaskuläre Bildgebung: In den letzten Jahren haben wir festgestellt, dass wir es häufig mit komplexen Läsionen zu tun haben, z. B. Bifurkationsstenosen und Hauptstammstenosen, wo mehrere Areale zusammentreffen. Bildgebende Verfahren sind hier von größter Wichtigkeit, um die Intervention zielgenau durchzuführen und optimale Ergebnisse zu erzielen.
  3. Eine hohe Erfolgsrate bei Wiedereröffnung von chronischen Gefäßverschlüssen ist unbedingt anzustreben (Ziel >85%)

 

Abschließend möchte ich einen Ausblick auf zwei wichtige Studien geben, die uns weitere Erkenntnisse zur interventionellen Behandlung dieser Patientengruppe vermitteln werden:

 

  • ILUMIEN-4: Hier wird beleuchtet werden, wie wichtig die intravaskuläre Bildgebung bei Patient:innen mit so komplexen Erkrankungen ist. Insbesondere wird hierbei auf die optische Kohärenztomographie (OCT) eingegangen. Aktuell ist der Patienteneinschluss abgeschlossen, die Studie wird voraussichtlich noch in diesem Jahr publiziert.
  • PROTECT 4: Bei interventionellen Eingriffen an Herzkranzgefäßen kann es bei Patient:innen mit schlechter Herzleistung akut zu einer weiteren Verschlechterung der Herzleistung kommen und zur Dekompensation führen, im schlimmsten Fall mit fatalen Folgen. Deswegen gibt es seit einigen Jahren mechanische Systeme, die den Herzkreislauf temporär während komplexer Eingriffe unterstützen, wie ECMO oder Impella®. Man spricht hierbei von Protected PCI. Hierzu gibt es ebenfalls noch keine ausreichenden Daten. Die PROTECT-4-Studie soll das ändern. Aktuell werden Patient:innen eingeschlossen.

 

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