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Hintergrund
Während der Covid-19-Pandemie waren Kliniken vielerorts gezwungen, nicht-notfallmäßige, sogenannte elektive Eingriffe zu verschieben, um ausreichend Kapazitäten für Covid-19-Patient:innen bereitzuhalten. Kardiologische Patient:innen waren von diesen Maßnahmen besonders betroffen. Der Therapieaufschub ging mit schlechteren klinischen Ergebnissen und vermehrten notfallmäßigen Krankenhauseinweisungen einher [1]. Auffällig zeigte sich, dass betroffene Patient:innen während der Wartezeit Zeichen einer akuten Herzschwäche, genannt Herzinsuffizienz, entwickelten. Da diese selbst nach Durchführung der ursprünglich geplanten Intervention weiterhin nachweisbar waren, ist es von großer Bedeutung, Risikopatient:innen bereits im Vorfeld zu identifizieren [2].
Ziel
Ziel dieser Arbeit war es daher, Risikofaktoren zu identifizieren, die mit einer akuten Herzinsuffizienz während einer verlängerten Wartezeit auf einen geplanten, nicht-notfallmäßigen kardiologischen Eingriff einhergehen.
Methoden
In einer retrospektiven Beobachtungsstudie wurde der Krankheitsverlauf von insgesamt 178 Patient:innen analysiert, deren nicht-notfallmäßiger Herzeingriff im Universitären Herzzentrum Ulm zwischen dem 19.03.2020 und dem 30.04.2020 im Rahmen des ersten Corona-Lockdowns verschoben werden musste. Die Eingriffe umfassten Koronarangiographien (n=74), rhythmologische Prozeduren (n=47), Device-Implantationen (n=8) sowie kathetergestützte Herzklappeninterventionen (n=49). Im Fokus der Analysen stand das Auftreten einer akuten Herzinsuffizienz während der verlängerten Wartezeit sowie die Identifikation damit verbundener Risikofaktoren. Eine akute Herzinsuffizienz wurde durch eine Erhöhung des Blutwertes NT-proBNP > 900 pg/ml definiert. Als Vergleichskollektiv diente eine Kohorte des gleichen Zeitraums aus dem Vorjahr 2019, bei der solche Interventionen wie geplant durchgeführt worden waren (214 Patient:innen).
Ergebnisse
Von insgesamt 178 Patient:innen, deren elektiver Herzeingriff verschoben werden musste, zeigte sich bei 59 % (89 Patient:innen) eine akute Herzinsuffizienz nach einer mittleren Wartezeit von 23 Tagen. Patient:innen mit einer geplanten kathethergestützten Herzklappenintervention waren dabei mit 79,6 % besonders gefährdet gegenüber 38,8 % bei anderen Herzeingriffen (p < 0,001) (s. Abb. 1). Eine verschobene Herzklappenintervention war mit einem 12-fach erhöhten Risiko für das Auftreten einer Herzinsuffizienz verbunden (Odds Ratio 12,04; 95%-Konfidenzintervall 3,42 – 42,35; p < 0,001). Eine Subgruppenanalyse aller kathetergestützten Herzklappeninterventionen (49 Patient:innen) ergab, dass das Risiko bei Aufschub einer Intervention der Segelklappen (Edge-to-Edge-Reparatur der Mitral- oder Trikuspidalklappe) besonders hoch war [93,3 % vs. 70,4 % bei transfemoralem Aortenklappenersatz (TAVI); p = 0,046]. Im Vergleich zu den regulär behandelten Patient:innen aus dem Jahr 2019 musste die aufgeschobene Herzklappenintervention häufiger im Rahmen einer notfallmäßigen Hospitalisation durchgeführt werden (p < 0,001).
Insgesamt musste bei Patient:innen, die während der Wartezeit eine akute Herzinsuffizienz entwickelten, der vorgesehene Herzeingriff häufiger im Rahmen einer notfallmäßigen Krankenhauseinweisung durchgeführt werden (p = 0,005). Der stationäre Aufenthalt dauerte dabei im Mittel einen Tag länger als bei Patient:innen ohne Herzinsuffizienz [3 (2,8) vs. 2 (1,3) Tage; p < 0.001]. Zum Zeitpunkt des Eingriffs wiesen diese Patient:innen eine ausgeprägtere klinische Symptomatik (gemessen anhand der NYHA-Klasse), höhere Biomarker (Troponin, Kreatinin) sowie eine geringere linksventrikuläre Pumpfunktion des Herzens auf (p jeweils < 0,001). Auch im längerfristigen Verlauf zeigten sich die negativen Auswirkungen der Herzinsuffizienz nach aufgeschobenen Herzeingriffen persistierend. Dies spiegelte sich durch eine signifikant höhere Rate an notfallmäßigen Hospitalisationen oder Todesfällen nach 12, 24 und 36 Monaten nach dem Eingriff wider (p jeweils < 0,001). Über die folgenden drei Jahre zeigten die Patient:innen ein fast sechsfach erhöhtes Risiko hierfür (Hazard Ratio 5,97; 95%-Konfidenzintervall 3,22 – 11,06; p < 0,001) (s. Abb. 2).
Schlussfolgerung/Fazit
Es wird deutlich, dass der Aufschub einer geplanten kathetergestützten Herzklappenintervention wie dem transfemoralen Aortenklappenersatz (TAVI) oder der Edge-to-Edge-Reparatur der Mitral- und Trikuspidalklappe mit einem stark erhöhten Risiko für das Auftreten einer akuten Herzinsuffizienz während der Wartezeit einhergeht. Das Auftreten einer Herzinsuffizienz hat unmittelbar sowie langfristig negative Auswirkungen. Folglich sollten insbesondere kathetergestützte Herzklappeninterventionen als dringlich eingestuft werden und deren Verschieben immer kritisch hinterfragt werden.
Referenzen
1. Andreß S, Stephan T, Felbel D et al. Deferral of non-emergency cardiac procedures is associated with increased early emergency cardiovascular hospitalizations. Clin Res Cardiol 2022; 111, 1121–1129. https://doi.org/10.1007/s00392-022-02032-z
2. Andreß S, Felbel D, Buckert D et al. Deferral of non-emergency cardiac interventions is associated with increased emergency hospitalizations up to 24 months post-procedure. Clin Res Cardiol 2024 https://doi.org/10.1007/s00392-024-02380-y