Moderne Diagnostik der chronischen KHK

Zusammenfassung des Vortrags von Prof. Dr. Holger Thiele, Leipzig, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung e. V.

Düsseldorf/Mannheim, 3. April 2024 – Bei der koronaren Herzkrankheit (KHK) verkalken die Herzkranzgefäße (Koronararterien), die den Herzmuskel mit Sauerstoff versorgen. Sind die Koronararterien nicht mehr durchlässig genug, ist der Blutfluss zum Herzmuskel gestört. Im fortgeschrittenen Stadium führt dies zu Brustenge (Angina pectoris), und bei vollständigem Verschluss zum Herzinfarkt. Weitere mögliche Folgeerkrankungen sind Herzschwäche, bei der nicht mehr ausreichend Blut in den Körper gepumpt wird, oder Herzrhythmusstörungen. In Deutschland ist die KHK mit rund fünf Millionen Betroffenen die häufigste Erkrankung des Herzens. Jedes Jahr sterben etwa 120.000 Menschen an den Folgen. Das sind mehr Todesfälle als die fünf tödlichsten Krebsarten (Lunge/Bronchien, Bauchspeicheldrüse, Brustdrüse, Prostata, Dickdarm) zusammen hervorbringen. Es ist also von höchster Wichtigkeit, dass eine sich anbahnende KHK schnell und richtig diagnostiziert wird, damit eine leitliniengerechte Therapie erfolgen kann. Betroffene haben dann erwiesenermaßen eine deutlich höhere Überlebenswahrscheinlichkeit und ein wesentlich geringeres Risiko, einen Herzinfarkt zu erleiden.

 

Moderne Diagnoseverfahren stehen noch nicht allen zur Verfügung

 

Im Bereich der KHK-Diagnostik haben sich in den letzten Jahren moderne Verfahren wie die Computertomographie der Herzkranzgefäße (Kardio-CT oder CCTA) oder die Stress-Magnetresonanztomographie (Stress-MRT) durchgesetzt. Sie sind aussagekräftiger als die herkömmlichen Methoden wie die Szintigraphie, das Stressecho oder die Ergometrie. Die moderneren Verfahren bieten zahlreiche Vorteile. Zum einen liefert das Kardio-CT hochauflösende Bilder des Herzens und der Koronararterien, was eine recht präzise Darstellung von Verengungen bzw. insbesondere den Ausschluss von relevanten Verengungen möglich macht. Zudem sind die Verfahren nicht-invasiv, was bedeutet, dass keine Katheter eingeführt werden müssen. Das reduziert das Risiko für mögliche Komplikationen. Welches Diagnostikverfahren angewandt werden sollte, hängt individuell von der Vortestwahrscheinlichkeit der Patientin oder des Patienten für eine KHK ab. Bei einer Wahrscheinlichkeit von 15-50 % ist eher eine Kardio-CT angezeigt. Liegt die Wahrscheinlichkeit bei über 50 % ist eine bildgebende Ischämiediagnostik notwendig, etwa durch Stress-MRT. Bei hoher Vortestwahrscheinlichkeit und bei klinischem Verdacht kann auch primär eine interventionelle Diagnostik mittels Katheter erwogen werden.

 

Derzeit werden die modernen, nicht-invasiven Verfahren ambulant nur für privatversicherte Patientinnen und Patienten oder in Kliniken über gewisse Abrechnungsumwege angeboten, denn gesetzlich Versicherte bekommen diese beiden Methoden aktuell noch nicht erstattet. Oft werden auch immer noch veraltete und wenig effiziente Methoden eingesetzt, wie das Belastungs-EKG. Von diesem wissen wir, dass es eine niedrige Sensitivität hat und vor allem bei Frauen oft falsche Ergebnisse hervorbringt. Das liegt aber einerseits am erwähnten Abrechnungsmodell und andererseits daran, dass die Ressourcen für die modernen Verfahren nicht ausreichend verfügbar sind.

 

Gemeinsamer Bundesausschuss ebnet Weg – es bleibt aber ein steiniger

 

Erfreulicherweise hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) am 18. Januar dieses Jahres einen Beschluss gefasst, dass die Kardio-CT in den Leistungskatalog gesetzlicher Krankenkassen zur Diagnose einer KHK aufgenommen werden soll. Damit soll sie auch gesetzlich Versicherten bald zur Verfügung stehen. Wir als DGK freuen uns sehr, dass unserem jahrelangen Plädoyer damit nun stattgegeben wurde. Allerdings bedarf der Beschlusstext aus unserer Sicht noch einiger Anpassungen. Zwar sollen sowohl Radiologie als auch Kardiologie die Methode anwenden können, durch die Strahlenschutzverordnung wird das nach jetzigem Stand aber nur wenigen Kardiologinnen und Kardiologen trotz ihrer Erfahrung in der Kathetertechnik möglich sein. Sie beinhaltet nämlich recht hohe Hürden, die inhaltlich wenig sinnvoll sind. Auf der anderen Seite fehlt Radiologinnen und Radiologen oft die Expertise und klinische Erfahrung, um eine identifizierte KHK klinisch einordnen, und die weiteren diagnostischen Maßnahmen abschätzen zu können. Das kann zu einer Überdiagnostik und nicht-optimalen Therapie führen. Laut G-BA-Beschluss soll die Kardiologie aber zumindest bei unklaren oder komplexen Befunden hinzugezogen werden.

 

Zur Gewährleistung der Patientensicherheit reicht das aus kardiologischer Sicht nicht aus. Es gibt bereits multiple reale Patientenfälle, in denen die Zeitspanne zwischen der ersten Abklärung der Symptome in der Hausarztpraxis über die Befundung durch die Radiologie bis zum Einbezug der Kardiologie über ein halbes Jahr betrug. In einem so langen Zeitraum kann sich eine KHK bereits verschlimmert oder sogar zu einem Herzinfarkt geführt haben. Zudem werden Stenosen im kardialen CT regelhaft überschätzt und bedürfen nicht immer zwingend einer Therapie. Im Extremfall könnte bei Nichteinbezug der Kardiologie und unter Umgehung des klassischen Heart Teams, bestehend aus Kardiologie und Herzchirurgie, eine unnötige Bypass-Operation erfolgen.

 

Nachbesserungen am Beschlusstext sind dringend erforderlich

 

Die DGK hat diese Bedenken bereits gegenüber dem G-BA geäußert. Wir plädieren für interdisziplinäre Teams aus Radiologie und Kardiologie, um die Diagnostik mit bestmöglicher Expertise und Kompetenz für die Patientinnen und Patienten gemeinsam zu erbringen. Das ist der sicherste Weg, um eine KHK so zweifelsfrei und schnell wie möglich abzuklären. Aktuell warten wir darauf, dass der erweiterte Bewertungsausschuss die Vergütung der CT-Koronarangiografie im vertragsärztlichen Vergütungssystem abbildet. Hier sollten Qualitätssicherungsmaßnahmen für die Kardio-CT und die gemeinsame Erbringung durch Kardiologie und Radiologie im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) abgebildet werden. Wir hoffen dabei vor allem darauf, dass weitere qualitätssteigernde Maßnahmen hinzugenommen werden, die die Kardiologie zwingend bei der Indikationsstellung, Befundung und vor allem Befundinterpretation involviert. Das wäre auf Grund der Ernsthaftigkeit dieser Erkrankung unbedingt notwendig, um die Prognose unserer Patientinnen und Patienten zu verbessern und eine optimale Versorgung zu gewährleisten. 

 

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