Düsseldorf/Mannheim, 4. April 2024 – Die Gerinnselbildung bei Vorhofflimmern ist ein großes Problem. Thromben können wandern und Arterien verstopfen, was zum Schlaganfall führt. In Europa ist die Prävalenz für Vorhofflimmern hoch. Eine von drei Personen ab 55 Jahren, die noch nicht darunter leiden, werden davon betroffen sein. In Deutschland sind es aktuell 2,5 Millionen Patientinnen und Patienten.
DOAKs: State-of-the-art-Blutverdünner mit Risiken
Die Suche nach sicheren und wirksamen Blutverdünnern ist daher ein wichtiges Feld in der Kardiologie. Hier waren in jüngerer Vergangenheit insbesondere zwei Studien wichtig, die die Gabe von Direkten oralen Antikoagulanzien (DOAKs) bzw. neuen orale Antikoagulanzien (NOAKs) getestet haben: ARTESIA und NOAH AF-Net.
In ARTESIA wurden 4.012 Patient:innen eingeschlossen, im Durchschnitt 76,8 Jahre alt, mit einem CHA2DA2-VASc-Score[1] von 3,9. Alle Patient:innen hatten Herzschrittmacher und nachgewiesenes subklinisches Vorhofflimmern, d. h. kurze Episoden zwischen 6 Minuten und maximal 24 Stunden. Sie wurden randomisiert auf den Blutverdünner Apixaban und Aspirin getestet. Apixaban gehört zusammen mit Edoxaban und Rivaroxaban zu den drei in Deutschland erhältlichen Faktor-Xa-Inhibitoren. Diese greifen direkt in die Gerinnungskaskade ein und hemmen die Thrombenbildung. Primärer Endpunkt der Studie waren Schlaganfall und systemische Embolien. In der Apixaban-Gruppe wurden signifikant weniger Endpunkt-Ereignisse beobachtet (55 Fälle) als in der Aspirin-Gruppe (86 Fälle). Allerdings kam es mit Apixaban auch wesentlich häufiger zu starken Blutungen (86 Fälle) als mit Aspirin (47 Fälle). Man konnte also Schlaganfälle verhindern, aber hat schwere Blutungen indiziert. Zu einem ähnlichen Ergebnis, kam die deutsche Studie NOAH AF-Net mit gleichem Patientenkollektiv: Kurze Vorhofflimmer-Episoden (2,8 Stunden), mit CHA2DA2-VASc 4,0. Randomisiert wurde NOAK-Edoxaban gegen Placebo. Auch hier war die Blutungsrate durch Intervention unter Edoxaban deutlich erhöht.
DOAKs können zwar die Schlaganfallrate reduzieren, leider aber auch schwere Nebenwirkungen haben, zu denen teils schwere bis tödliche Blutungen gehören. Es gibt daher aktuell keine klare Empfehlung zur Gabe Oraler Antikoagulanzien.
Faktor XIa-Inhibition: Ein neuer Hoffnungsträger?
Die Blutgerinnung soll gehemmt werden, weil die pathologische Thrombusbildung reduziert werden soll. Damit hemmen wir aber auch die Abdichtungsreaktion bei Schädigungen der Gefäßwände. Nun hat man beobachtet, dass Personen mit genetischem Defekt bei Faktor XIa ein reduziertes Risiko auf vaskuläre Erkrankungen haben, aber ein leicht erhöhtes Risiko auf Blutungen im orofazialen und urogenitalen Bereich. Ein möglicher therapeutischer Ansatz für die Prävention von thrombotischen Ereignissen sieht daher vor, Faktor XIa zu unterdrücken. Die Annahme ist, dass dadurch die Thrombin-Verstärkung gehemmt und eine pathologische Blutgerinnselbildung (Thrombose) verhindert wird. Gleichzeitig produziert der Gewebefaktor-Pfad weiterhin Thrombin, welches die Bildung nützlicher Blutgerinnsel an den Gefäßwänden (Hämostase) ermöglicht.
In der Sicherheitsstudie PACIFIC-AF wurde überprüft, ob sich die Hämostase von der Thrombose durch Faktor XI-Inhibitoren abkoppeln lässt. Hierfür wurde zunächst die Dosis für den Faktor-XI-Hemmer evaluiert: Asundexian 50mg (n=250) und 20mg (n=250), gegen mit Apixaban 2x 5mg (n=250). Endpunkt waren vor allem Blutungen (Majorblutung und klinisch relevante Non-Major-Blutungen). Für Asundexian war die Blutungshäufigkeit in beiden Dosen gegenüber Apixaban um die Hälfte reduziert, mit einem starken Rückgang bei Majorblutungen.
Die OCEANIC-AF-Studie sollte daraufhin die Effizienz evaluieren, also ob eine pathologische Blutgerinnselblutung ausreichend verhindert werden kann. Die Studie wurde allerdings im November 2023 wegen fehlender Effizienz von Asundexian gestoppt.
AZALEA: Fragwürdige Suche nach einer effizienten Substanz
Die AZALEA-Studie überprüft derzeit die Annahme, ob die Effizienz substanzspezifisch ist. 1.287 Patient:innen wurden hierfür eingeschlossen. Die Dosisfindung ist 1:1:1 randomisiert für Abelacimab 120 mg s.c. pro Monat und 90 mg s.c. pro Monat gegen Rivaroxaban 20 mg täglich. Endpunkt sind wieder Majorblutung und klinisch relevante Non-Major-Blutungen. Tatsächlich zeigt sich bisher, dass Abelacimab deutlich weniger Blutungen gegenüber Rivaroxaban verursacht. Es gibt allerdings viel Kritik am Studienmodell, da Rivaroxaban als Vergleichsubstanz nicht zwingend repräsentativ in Hinblick auf die Sicherheit bei Blutungen ist.
Die LILAC-Studie soll nun die Effizienz von Abelacimab untersuchen. Rund 1.900 Patienten wurden eingeschlossen, es wird 1:1 randomisiert 150 mg Abelacimab s.c. pro Monat gegen Placebo getestet. Auch diese Studie steht in der Kritik. Die Probanden haben ein hohes Risiko auf Blutungen und können normale Blutverdünnung nicht nehmen. Die Frage ist deshalb, ob diese Studie überhaupt durchführbar sein wird, da diese Patientengruppe in anderen Projekten extrem schwer randomisierbar sein werden. Ein positives Ergebnis wird deshalb immer erwartbar sein und die Aussagekraft der Ergebnisse muss schon jetzt infrage gestellt werden.
Zusammenfassend ist es zurzeit noch offen, ob die Faktor-XI-Inhibitoren eine geeignete Therapie darstellen. Dafür fehlt bislang die erwiesene Effizienz und es ist auch fraglich, ob sie diesbezüglich ein wettbewerbsfähiges Ergebnis zu den DOAKs werden liefern können. Sollte sich aber ein effizientes Mittel finden, wäre das mit Blick auf die Patientensicherheit bei der Schlaganfallprophylaxe ein Meilenstein. Bis es so weit ist, muss aber für die Gabe von DOAKs eine individuelle Nutzenbewertung stattfinden, die das Risikoprofil für Schlaganfall gegen das Risikoprofil für fatale Blutungen abwägt.
Referenzen
[1] Gibt das Schlaganfallrisiko von Menschen mit Vorhofflimmern an. Geringes Risiko: 0-1 Punkte, Mittleres Risiko: 1-3 Punkte, Hohes Risiko: 3-6 Punkte