Prävention und Lipide von VRONI bis Lipid Snapshot

Zusammenfassung des Vortrags von Prof. Dr. Ulf Landmesser, Berlin

Düsseldorf/Mannheim, 3. April 2024 – Die koronare Herzerkrankung (KHK) ist weiterhin die häufigste Ursache für Sterblichkeit in Deutschland und verursacht zahlreiche Krankenhausaufenthalte. Dabei verkalken die Herzkranzgefäße (Atherosklerose), wodurch der Blutfluss zum Herzen behindert wird. Sie zählt damit zu den sogenannten ischämischen Krankheiten (von altgriech. „ischein“ = zurückhalten; „aima“ = Blut). Die Folgen können Brustenge (Angina pectoris), ein Herzinfarkt und eine Herzschwäche (Herzinsuffizienz) sein. Laut aktuellem Herzbericht nahm die Anzahl der Krankenhausaufenthalte wegen einer KHK im Jahr 2022 bereits ab einem Alter von 40 Jahren stetig zu. Der höchste Wert der alterstandardisierten Hospitalisierungsrate war mit 2.413 Fällen in der Gruppe der 75-80-Jährigen zu verzeichnen. Zudem ist auffällig, dass die Hospitalisationsrate wegen einer Herzinsuffizienz ab einem Alter von 65 Jahren exponentiell steigt (65-75 Jahre: 820; 75-85 Jahre: 2.374; 85-95 Jahre: 6.250). Die KHK ist die tödlichste Krankheit in Deutschland. Jedes Jahr sterben mehr als 120.000 Patientinnen und Patienten an den Folgen.

 

Es ist deshalb wichtig, dass wir diese Krankheit und ihre Risikofaktoren so früh wie möglich diagnostizieren und behandeln. Aktuell ist es um ihre Prävention allerdings noch nicht optimal bestellt. Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (DGK) unterstützt deshalb verschiedene Projekte, um dies zu ändern.

 

Lipid-Stoffwechselkrankheiten bereits bei Kindern erkennen: Die VRONI-Studie

 

Eine der Hauptursachen für die Entwicklungen einer Atherosklerose, und damit einer KHK, ist ein erhöhter LDL-Cholesterin-Spiegel. Ein guter Wert liegt bei Gesunden bei <100 mg / dl Blutplasma. Ungesunde Ernährung und wenig körperlicher Betätigung können diesen Wert erhöhen. Dann wird mehr LDL-Cholesterin in den Blutgefäßen im Körper transportiert, und es kommt zur Plaquebildung in den Blutgefäßen. Diese können dann zu Verengungen, den sogenannte Stenosen, in den Herzkranzgefäßen führen, einer KHK. Reissen diese Plaques ein („Plaqueruptur“) können sich daran Blutgerinnsel („Thromben“) bilden, die das Herzkranzgefäß verstopfen und somit einen Herzinfarkt auslösen. Aber auch wer sich gesund ernährt und sportlich betätigt könnte betroffen sein, ohne es zu merken. Ein gestörter Fettstoffwechsel kann nämlich auch erblich bedingt sein. Eine ausgeprägte Form ist die Stoffwechselkrankheit Familiäre Hypercholesterinämie (FH). In Deutschland kommt eines von 250 Kindern damit auf die Welt. Diese Personen haben ein erheblich erhöhtes Risiko, bereits ab einem Alter von 35 Jahren einen Herzinfarkt zu erleiden, obwohl sie ansonsten gesund leben. Dennoch werden aktuell nur 5-10 % der Fälle in Deutschland überhaupt erkannt. Deshalb sind geeignete Präventionsmaßnahmen dieser sehr gut behandelbaren Erkrankung wichtig.

 

Die VRONI-Studie, welche in Bayern gestartet wurde, hat sich dieses Themas angenommen. Unter Leitung von Frau Dr. Sanin und Herrn Prof. Dr. Heribert Schunkert am Deutschen Herzzentrum in München (DZM) boten teilnehmende Kliniken und Kinderarztpraxen ein kostenloses FH-Screening für alle Kinder im Alter 5-14 Jahre im Rahmen der U9-J1-Untersuchungen an. Hierfür wurde der LDL-C-Wert oft aus ein paar wenigen Tropfen Blut aus dem Finger bestimmt. Stellte das Labor einen LDL-Cholesterin Wert von >130 mg / dl fest, wurde eine molekulargenetische Diagnostik am Institut für Humangenetik der Technischen Universität München (TUM) vorgenommen. Konnte eine FH-Genmutationen diagnostiziert werden, wurden die Kinder und ihre Eltern weiter beobachtet und mit lipidsenkenden Medikamenten therapiert, um den LDL-C-Wert auf ein normales Maß zu senken. Von den mittlerweile über 19.000 Kindern, die gescreent wurden, wiesen 7,2 % ein erhöhtes LDL-Cholesterin auf. 222 FH-Kinder konnten bis heute bereits identifiziert und die weitaus meisten entsprechend behandelt werden. Das VRONI-Projekt ist ein wichtiger Erfolg für die Frühdiagnostik von angeborenen und gut behandelbaren Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Deutschland, und wird entsprechend nach Hannover, Berlin und Leipzig ausgeweitet.

 

Lipid Snapshot-Studie: Wie gut ist die Patientenversorgung in Deutschland?

 

Im letzten Jahr ist zudem eine weitere Studie mit Namen Lipid Snapshot gestartet. Dabei handelt es sich um ein Gemeinschaftsprojekt des Zentrums für Kardiologische Versorgungsforschung der DGK (DGK-ZfKVF), des Bundesverbands niedergelassener Kardiologen (BNK) und der LipidLiga. Die Studienverantwortlichen gehen der Frage nach, ob die erhöhten Blutfettwerte bei Hochrisiko-Patientinnen und -Patienten mit bereits vorhandenen Gefäßverengungen überall richtig therapiert werden. Hierfür werden in einem Zeitraum von 2023 bis 2025 jährlich die Daten von 1.500 Patient:innen mit atherosklerotischer Gefäßerkrankung von 49 niedergelassenen Kardiolog:innen (NK) dokumentiert , und mit Daten von 82.375 Patient:innen mit atherosklerotischer Gefässerkrankung von 996 Allgemeinmediziner:innen (AM) verglichen.

 

Neue Therapieoptionen nehmen Steuerung bzw. Anpassung der Gene ins Visier

 

Zurzeit wird an verschiedenen neuen Behandlungsmethoden für die Lipidsenkung geforscht. Dabei gibt es neben den klassischen medikamentösen Behandlungen, zunehmend neue molekulare Therapieansätze bis hin zu einer möglichen Gen-Editing-Therapie, die bereits bei Patient:innen mit FH getestet wird. Dadurch könnte über ganz verschiedene Ansätze erreicht werden, dass der Körper weniger LDL-Cholesterin im Blut transportiert und so das Risiko für eine KHK verringert wird.

 

Ein anderer bereits in Deutschland zugelassener molekularer Behandlungsansatz befasst sich mit der siRNA-Therapie zur Hemmung des PCSK-9, neben dafür den bereits länger verfügbaren Antikörpertherapien. PCSK-9 ist ein Enzym, das an denselben Rezeptoren der Leberzellen koppelt, wie LDL-Cholesterin. So wird der Abbau der LDL-Cholesterin-Rezeptoren beschleunigt und es kann weniger LDL-Cholesterin in die Leberzellen aufgenommen werden. Wird PCSK-9 aber durch spezielle Antikörper oder die siRNA-Therapie gehemmt, könnten die Leberzellen mehr LDL-Cholesterin aus dem Blut aufnehmen und abbauen. Der LDL-Cholesterinwert sinkt. 

Diese Seite teilen