SELECT und STEP-HFpEF: Welche Schlussfolgerungen ziehen wir für die Behandlung mit GLP-1-Rezeptor-Agonisten?

Zusammenfassung des Vortrags von Prof. Dr. Nikolaus Marx, Aachen

Düsseldorf/Mannheim, 4. April 2024 –Seit Jahren steigt die Anzahl der Menschen mit Adipositas stark an. Übergewicht ist ein großer Risikofaktor für kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität. Mit steigendem Übergewicht, und je länger man übergewichtig ist, desto höher ist das Risiko. Das gilt für Frauen und Männer gleichermaßen. Lange Zeit nahm man an, Übergewicht sei vor allem gekennzeichnet durch ein Anhäufung von metabolischen Abnormalitäten, die für das erhöhte kardiovaskuläre  Risiko verantwortlich seien. Allen voran sind hier Diabetes, Hypertonie und Fettstoffwechselstörungen zu nennen. Heute weiß man, dass Übergewicht selbst bereits ein Risikofaktor ist, auch wenn keiner der anderen Risikofaktoren vorliegt. Betroffene entwickeln auch ohne die genannten Abnormalitäten öfter eine koronare Herzkrankheit (KHK) oder Herzinsuffizienz (HF). Daher braucht es innerhalb dieser Patientenpopulation Strategien, die das Risiko reduzieren.

 

Eine dieser Strategien sind GLP-1-Rezeptor-Agonisten, wie der Wirkstoff Semaglutid. Diese aktivieren den Rezeptor des Inkretin-Hormons Glucagon-like Peptide 1 (GLP-1), das u.a. für die Ausschüttung von Insulin nach der Nahrungsaufnahme verantwortlich ist. Studien wurden zunächst mit Diabetes-Patient:innen durchgeführt, da GLP-1-Rezeptor-Agonisten blutzuckersenkend wirken. Später wurden die STEP-1- und STEP-5-Studien bei Menschen mit Adipositas durchgeführt, welche einen BMI >30 und Komorbiditäten aufwiesen. Bei diesen bewirkte eine wöchentliche Dosis von 2,4 mg Semaglutid eine Gewichtsreduktion von bis zu 15 %. Zudem reduzierte sich der Blutdruck sowie hoch-sensitives C-reaktives Protein (hsCRP) als Entzündungsparameter um mehr als 53 %. Gleichzeitig hatte Semaglutid einen günstigen Effekt auf das Lipid-Profil, mit einer Senkung des LDL-Cholesterins und der Triglyzerid-Werte.

 

SELECT: Adipositas wird erstmals zum behandelbaren kardiovaskulären Risikofaktor

 

SELECT war daraufhin die erste kardiovaskuläre Outcome-Studie, in welcher die Wirkung von Semaglutid bei übergewichtigen Patient:innen mit kardiovaskulären Erkrankungen auf kardiovaskuläre Endpunkte untersucht wurde. Die Studie war randomisiert, die eine Hälfte bekam ein Placebo, der anderen wurde wöchentlich eine erst niedrige Dosierung Semaglutid von 0,24 mg verabreicht, die alle vier Wochen erhöht wurde, bis zu einer Maximaldosierung von 2,4 mg. Die Einschlusskriterien waren ein Mindestalter von 45 Jahren, ein BMI ≥27 und kardiovaskuläre Vorerkrankungen. Patient:innen mit Diabetes oder erhöhtem HbA1c-Wert wurden ausgeschlossen. Untersucht wurde der klassische Endpunkt 3-Punkt-MACE: kardiovaskulärer Tod, nicht-fataler Myokardinfarkt, nicht-fataler Schlaganfall. Die Patientenpopulation umfasste 17.605 Patient:innen, 72,3 % Männer, das Durchschnittalter lag bei 61,6 Jahren. Der HbA1c-Wert lag im Schnitt bei 5,78 % und 66 % waren prädiabetisch, bei durchschnittlichem BMI von 33,34 kg/m³ und erhaltener Nierenfunktion. Ein Herzinfarkt lag in der Vorgeschichte bei 67,6 % vor, ein Schlaganfall bei 17,8 %, eine PAVK bei 4,4 %, und 8 % hatten mindestens zwei dieser Einschlusskriterien.

 

Das Ergebnis war eine hochsignifikante relative Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse durch Semaglutid um 20 % im Vergleich zur Placebo-Gruppe. Ferner wurden die sekundären Endpunkte kardiovaskuläre Mortalität, der zusammengesetzte Herzinsuffizienz-Endpunkt sowie die Gesamtmortalität reduziert. Mit Semaglutid konnte das Körpergewicht deutlich um rund 9,4% reduziert werden, ebenso gab es eine signifikante Senkung des Blutdrucks, des C-reaktiven Proteins und des LDL-Cholesterins. Nebenwirkungen waren vor allem die bekannte gastrointestinalen Nebenwirkungen wie Übelkeit und Erbrechen, weswegen die Substanz bei 10 % der Patient:innen abgesetzt wurde. Somit konnte SELECT zeigen, dass Semaglutid bei kardiovaskulär erkrankten Patient:innen mit Übergewicht oder Adipositas, die nicht an Diabetes leiden, das Risiko eines kardiovaskulären Todes, eines Herzinfarkts oder eines Schlaganfalls signifikant um 20 % verringert. Diese Studie eröffnet erstmals eine neue medikamentöse Therapieoption, um das hohe Risiko bei kardiovaskulär vorerkrankten Patienten Hochrisikopatienten mit Übergewicht oder Adipositas zu verringern.

 

STEP-HFpEF: Semaglutid führt bei HFpEF und Adipositas zu mehr Lebensqualität

 

Die STEP-HFpEF-Studie untersuchte die Wirkung von Semaglutid speziell bei Patient:innen mit Adipositas und Herzinsuffizienz mit erhaltener Pumpfunktion (HFpEF). In dieser randomisierten, Placebo-kontrollierten Studie wurden 529 Patient:innen mit einem BMI ≥30 und einer HFpEF eingeschlossen. Untersucht wurde nach 52 Wochen die Veränderung des KCCQ-CSS[1], der Auskunft über die Lebensqualität gibt. Dieser lag im Median anfangs bei 58,9 und konnte durch Gabe von Semaglutid im Vergleich zu Placebo um 7,8 Punkte verbessert werden. Das ist der größte Effekt, der jemals in einer Studie in Bezug auf die Verbesserung des KCCQ-CSS bei Herzinsuffizienz beobachtet wurde. Als weiterer Endpunkt konnte das Basiskörpergewicht (Eingangsgewicht 108,4 kg) im Vergleich zu Placebo signifikant um 11% reduziert werden.

 

Ein weiterer sekundärer Endpunkt war die Veränderung im 6-Minute-Walk-Test. Hier konnte die Anfangsleistung 320 Metern im Vergleich zu Placebo signifikant um zusätzliche 20,3 Meter verbessert werden. Ferner führte Semaglutid zu einer signifikanten Senkung des hsCRP-Wertes . Hauptnebenwirkungen waren Übelkeit oder Erbrechen, die bei 13 % der Patient:innen zum Abbruch führten.

 

Fazit dieser Studie ist, dass die Behandlung mit Semaglutid bei Patient:innen mit HFpEF und Adipositas zu einer stärkeren Verringerung der Symptome und körperlichen Einschränkungen, zu größeren Verbesserungen der körperlichen Leistungsfähigkeit, und zu einer größeren Gewichtsabnahme führt als Placebo. Somit besteht bei Patient:innen mit HFpEF und Adipositas  neben der Gewichtsreduktion eine neue Therapieoption, die Symptomlast zu reduzieren und die Belastbarkeit im Alltag zu verbessern.

 

Referenzen

 

[1] Kansas City Cardiomyopathy Questionnaire Clinical Summary Score. Das Spektrum reicht von 0 bis 100 Punkten: 0-24: sehr schlecht bis schlecht; 25-49: schlecht bis mittelmäßig; 50-74: mittelmäßig bis gut; und 75-100: gut bis hervorragend

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