Schnittstellen in der kardiovaskulären Medizin

Zusammenfassung des Vortrags von Prof. Dr. Christoph Maack, Würzburg, Tagungspräsident der 90. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung e. V.

Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind die häufigste Todesursache in Deutschland. Im Jahr 2022 starben mehr als 350.000 Menschen an Herz-Kreislauferkrankungen, was 34% aller Todesfälle entspricht, gefolgt von 22% Krebs und 6% Erkrankungen der Atmungsorgane. Gegenüber 2020 nahmen die Herz-Kreislauftodesfälle damit um 6% zu, während sie bei den Tumorerkrankungen konstant blieben.

 

Schnittstelle „Herz und andere Organe“

 

Es gibt bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen verschiedene Risikofaktoren, die wichtigsten sind Rauchen, Diabetes mellitus und Bluthochdruck. Diese können Durchblutungsstörungen begünstigen und einen Herzinfarkt verursachen. Meist führt ein überlebter Herzinfarkt zu einer Herzschwäche, auch Herzinsuffizienz genannt. Zwei Dritteln aller Herzinsuffizienzfälle liegt ein vorangegangener Infarkt zugrunde. Pumpt das Herz nicht mehr stark genug, um den Körper und die Organe mit ausreichend Sauerstoff zu versorgen, sprechen wir von einer Herzinsuffizienz mit reduzierter Pumpfunktion, kurz HFrEF („heart failure with reduced ejection fraction“). Die Folge sind Atemnot, Müdigkeit und typischerweise Wassereinlagerungen in den Extremitäten und der Lunge. Diese Krankheit kann man mittlerweile medikamentös gut behandeln, sie bleibt aber sehr ernst.

 

Wofür es noch kaum Lösungen gibt, was aber zunehmend zu einem Problem wird, ist die Herzschwäche mit erhaltener Pumpfunktion, kurz HFpEF („heart failure with preserved ejection fraction“). Dann pumpt das Herz normal, ist aber zu steif, damit sich die Herzkammern ausreichend füllen. Zu den größten Risikofaktoren zählen zunehmendes Alter, Bluthochdruck und – stärker als bei der HFrEF – Übergewicht.

 

Im Schnitt sind die Patientinnen und Patienten mit Herzinsuffizienz 76 Jahre alt. Einmal pro Jahr werden sie wegen ihrer Krankheit stationär im Krankenhaus aufgenommen. Dabei stellen wir immer häufiger Begleiterkrankungen, sogenannte Komorbiditäten fest. Allen voran handelt es sich dabei um Stoffwechselkrankheiten wie Übergewicht und Diabetes, aber auch chronische Niereninsuffizienz und Blutarmut (Anämie). Über die Hälfte der Patientinnen und Patienten mit Herzschwäche haben sieben oder mehr dieser Komorbiditäten, Tendenz steigend – und je mehr sie haben, desto schlechter ist die Prognose.

 

Kardiovaskuläre Erkrankungen als Systemerkrankungen

 

Aus diesem Grund betrachten wir die Herzschwäche und Herz-Kreislauf-Erkrankungen insgesamt nicht mehr als isolierte Organerkrankungen, sondern als Systemerkrankungen, bei denen das Herz mit anderen Organen im kommunikativen Austausch steht. Insbesondere in der Grundlagenforschung beschäftigen wir uns aktuell mit der Frage, auf welche Arten das Herz mit anderen Organen kommuniziert. Dazu gehören die Hormonaktivierung (z. B. Adrenalin), Entzündungsprozesse (Inflammation) sowie Stoffwechselprozesse (Metabolismus). Die meisten Therapien für Herz-Kreislauf-Erkrankungen fokussieren auf die Hormonaktivierung und sind oftmals auch etabliert und erfolgreich. Erst in letzter Zeit haben wir gelernt, dass auch die gezielte Behandlung von Entzündungen und vor allem auch Stoffwechselprozessen durchgreifende Erfolge erzielen können.

 

Schnittstelle „Metabolismus und Herz“

 

Im metabolischen Therapieansatz geht es dabei hauptsächlich um die Behandlung von Übergewicht (Adipositas) und Diabetes. Seit den 1960ern können wir eine Zunahme von Übergewicht beobachten. Vor allem zwischen den Jahren 1980 und 2000 hat sich der Trend massiv beschleunigt. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat Adipositas Anfang des Jahrtausends zur globalen Epidemie erklärt und einige Maßnahmen getroffen, die den Trend bisher etwas abbremsen konnten. Bis heute ist die Entwicklung aber nicht rückläufig und in den meisten Ländern steigen die Zahlen. In Europa und den USA, den Ländern mit den höchsten Adipositasraten, ist zumindest eine leichte Stagnation zu sehen. Für die kommenden Jahre rechnen wir mit einem Anstieg von Neuerkrankungen mit Diabetes in der Bevölkerung, als Folge des Übergewichts. Das wiederum bedeutet, dass wir uns auf mehr Fälle von Herzschwäche mit erhaltener Pumpfunktion (HFpEF) einstellen müssen.

 

Aktuell gibt es einige interessante medikamentöse Entwicklungen, die hoffen lassen, das Problem in den Griff zu bekommen. Hier sind insbesondere zwei Substanzklassen von Bedeutung: zum einen die sogenannten SGLT2-Inhibitoren, die den Natrium/Glukose-Cotransporter 2 in der Niere hemmen. Hierdurch scheidet man mehr Zucker mit dem Urin aus, weshalb diese Medikamente zur Behandlung des Diabetes entwickelt wurden. Mittlerweile haben wir verstanden, dass die SGLT2-Inhibitoren nicht nur bei Diabetes, sondern auch bei Herz- und Nierenschwäche das Überleben verbessern und Krankenhausaufenthalte verringern, und das unabhängig vom Vorliegen eines Diabetes. Die SGLT2-Inhibitoren sind auch die erste Prognose-verbessernde Substanzklasse zur Behandlung der HFpEF.

 

Zum anderen rücken GLP-1-Rezeptor-Agonisten in den Fokus, die ebenfalls bereits aus der Diabetologie bekannt sind. GLP-1 ist ein Hormon, das im Darm nach der Nahrungsaufnahme ausgeschüttet wird und für ein Sättigungsgefühl sorgt. Verschiedene Wirkstoffe können GLP-1 künstlich simulieren und so dafür sorgen, dass der Mensch weniger isst und Gewicht verliert. Einer der bekanntesten Wirkstoffe ist Semaglutid, das in den Sozialen Medien als „Abnehmspritze“ für Aufsehen gesorgt hat, wodurch es für Diabetes-Patient:innen zur Verknappung kam. Semaglutid sollte aber nie leichtfertig oder ohne ärztlichen Rat genommen werden, da es auch relevante Nebenwirkungen hervorrufen kann. Als Therapie für Übergewicht ist es für uns in der Kardiologie aber sehr interessant, denn das bedeutet, dass wir einer wichtigen Ursache für die Entwicklung einer HFpEF entgegenwirken können. Sport und eine gesunde Ernährung bleiben aber weiterhin die wichtigsten Präventionsmaßnahmen.

 

Schnittstelle „Mensch und Umwelt“

 

Ein anderer zentraler Aspekt ist die Veränderung des Klimas. Seit den 1960er Jahren ist ein deutlicher Temperaturanstieg zu verzeichnen. Bei uns in Würzburg ist zum Beispiel in den letzten zwölf Jahren die Durchschnittstemperatur um 1,7 °C gestiegen. Die globale Erwärmung, zusammen mit zunehmender Luftverschmutzung vor allem in urbanen Ballungszentren, aber auch der demographische Wandel haben erheblichen Einfluss auf die Herzgesundheit. Auch Lärm und Lichtverschmutzung erhöhen langfristig das Risiko. Hitze und Feinstaubbelastung können sich potenzieren und das Risiko sogar verdreifachen. Bei der Deutschen Herzstiftung sind Klima und Umwelt als Themenkomplex bereits angekommen. Auf der Internetseite finden Sie Broschüren und Infomaterial, die Patientinnen und Patienten über die Zusammenhänge aufklären. Auch die DGK hat eine neue Task Force „Planetare Gesundheit“ eingerichtet, die sich zukünftig mit dem Themenbereich auseinandersetzen wird. Denn auch wir Ärztinnen und Ärzte hinterlassen einen tiefen ökologischen Fußabdruck: Ein Herzkatheterlabor oder die Intensivstation produzieren eine Menge Müll. Wir müssen uns deshalb überlegen, wie wir in Zukunft nachhaltiger und klimaneutraler arbeiten können.

 

Programm der Jahrestagung

 

Es gibt somit also eine Menge Schnittstellen in der kardiovaskulären Medizin. Wir werden immer stärker mit anderen Gesellschaftsbereichen und medizinischen Disziplinen zusammenarbeiten müssen, wenn wir die wachsenden Probleme im Bereich der Herzgesundheit in den Griff bekommen wollen.

 

Wir haben ein spannendes Programm zu diesen und weiteren Themen aus der Kardiologie erarbeitet. Besonders ans Herz legen möchte ich Ihnen folgende Sitzungen:

 

Sitzung des Tagungspräsidenten – Mittwoch, 15:30 Uhr, Saal 4: Herzinsuffizienz – eine Systemerkrankung

 

Sitzung des Tagungspräsidenten – Donnerstag, 11:00 Uhr, Saal 5: Kardio-Immune Schnittstellen

 

Sitzung des Tagungspräsidenten – Donnerstag, 11:00 Uhr, Saal 8: Kardiomyopathien – Was sind die Mechanismen?

 

Sitzung des Tagungspräsidenten – Donnerstag, 16:00 Uhr, Saal 5: Metabolic defects in heart failure

 

Sitzung des Tagungspräsidenten – Freitag, 08:15 Uhr, Saal 4: Umweltrisiken und kardiovaskuläre Gesundheit

 

Sitzung des Tagungspräsidenten – Freitag, 11:15 Uhr, Saal 5: Neue Verfahren und Targets bei kardiovaskulären Erkrankungen

 

Sitzung des Tagungspräsidenten – Freitag, 14:30 Uhr, Saal 4: Heart failure with preserved ejection fraction (HFpEF)

 

sowie den

 

BENEFIZLAUF für herzkranke Kinder - Jeder Schritt zählt! – Mittwoch, 19:00 - 20:30 Uhr in der Sportanlage "Unterer Luisenpark"

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